Book contents
- Frontmatter
- Contents
- Preface
- Introduction
- Spectator Responses to an Image of Violence: Seeing Apollonia
- Der ernsthafte König oder die Hölle schon auf Erden: Gewalt im Dienste des Seelenheils
- Lazarus’s Vision of Hell: A Significant Passage in Late-Medieval Passion Plays
- Violence and Late-Medieval Justice
- La noblesse face à la violence: arrestations, exécutions et assassinats dans les Chroniques de Jean Froissart commandées par Louis de Gruuthuse (Paris, B.N.F., mss. fr. 2643–46)
- The Music of the Medieval Body in Pain
- The Emergence of Sexual Violence in Quattrocento Florentine Art
- Some Lesser-Known Ladies of Public Art: On Women and Lions
- The Self in the Eyes of the Other: Creating Violent Expectations in Late-Medieval German Drama
- Cleansing the Social Body: Andrea Mantegna’s: Judith and the Moor (1490–1505)
- Aggression and Annihilation: Spanish Sentimental Romances and the Legends of the Saints
- Der Malleus Maleficarum (1487) und die Hexenverfolgung in Deutschland
- “For They Know Not What They Do”: Violence in Medieval Passion Iconography
- Zur Bedeutung von Gewalt in der Reynaert-Epik des 15. Jahrhunderts
- Terror and Laughter in the Images of the Wild Man: The Case of the 1489 Valentin et Orson
- Rereading Rape in Two Versions of La fille du comte de Pontieu
- The French Kill Their King: The Assassination of Childeric II in Late-Medieval French Historiography
Der ernsthafte König oder die Hölle schon auf Erden: Gewalt im Dienste des Seelenheils
Published online by Cambridge University Press: 17 March 2023
- Frontmatter
- Contents
- Preface
- Introduction
- Spectator Responses to an Image of Violence: Seeing Apollonia
- Der ernsthafte König oder die Hölle schon auf Erden: Gewalt im Dienste des Seelenheils
- Lazarus’s Vision of Hell: A Significant Passage in Late-Medieval Passion Plays
- Violence and Late-Medieval Justice
- La noblesse face à la violence: arrestations, exécutions et assassinats dans les Chroniques de Jean Froissart commandées par Louis de Gruuthuse (Paris, B.N.F., mss. fr. 2643–46)
- The Music of the Medieval Body in Pain
- The Emergence of Sexual Violence in Quattrocento Florentine Art
- Some Lesser-Known Ladies of Public Art: On Women and Lions
- The Self in the Eyes of the Other: Creating Violent Expectations in Late-Medieval German Drama
- Cleansing the Social Body: Andrea Mantegna’s: Judith and the Moor (1490–1505)
- Aggression and Annihilation: Spanish Sentimental Romances and the Legends of the Saints
- Der Malleus Maleficarum (1487) und die Hexenverfolgung in Deutschland
- “For They Know Not What They Do”: Violence in Medieval Passion Iconography
- Zur Bedeutung von Gewalt in der Reynaert-Epik des 15. Jahrhunderts
- Terror and Laughter in the Images of the Wild Man: The Case of the 1489 Valentin et Orson
- Rereading Rape in Two Versions of La fille du comte de Pontieu
- The French Kill Their King: The Assassination of Childeric II in Late-Medieval French Historiography
Summary
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit einem Motivkomplex des Mittelalters, der von einer sehr subtilen Gewaltanwendung erzählt: es handelt sich weniger um physische Grausamkeiten als um eine psychische Gewalt, die letztlich von der christlichen Kirche ausgeübt wurde. Dieser Einfluß besteht im Schüren der Ängste vor der Ungewissheit des Todes und des Lebens danach sowie in der Vergegenwärtigung und Androhung von Strafen im Jenseits. Die Pein, welche die menschliche Seele nach Gottes Gericht oder schon vor dem leiblichen Tod in Anbetracht des ungewissen Schicksals erduldet, stellt unsere Erzählung allegorisch durch die Schilderung lebensgefährlicher Situationen und einer Scheinhinrichtung dar. Die Veranschaulichung dessen, was den Menschen nach dem Tode erwartete, hatte eine erzieherische Funktion: die Angesprochenen sollten sich bewusst werden, wie ernst die Sorge um ihr Seelenheil zu nehmen war. Als vorbildliche Figur wirkte in der Erzählung die Gestalt eines stets traurigen Königs. In Tubachs Index Exemplorum ist der Motivkreis unter der Nr. 4994 (the king who never laughed and his brother) verzeichnet. Der Inhalt der Geschichte, deren Einzelmotive je nach Fassung variieren, sei hier kurz wiedergegeben:
Die Frage seines Bruders (Höflings, Hofnarrs), warum er selbst bei fröhlichen Anlässen immer eine finstere Miene zur Schau trage, beantwortet ein weiser König, indem er den Fragenden am nächsten Morgen scheinbar zur Hinrichtung abholen lässt; sodann wird der Delinquent auf einen Stuhl gesetzt, der über einer mit glühenden Kohlen gefüllten Grube auf morschen Beinen steht, und von vier seitlich auf ihn gerichteten Lanzen sowie einem über seinem Haupte schwebenden Schwert bedroht wird. Jede Bewegung hätte tödliche Folgen; so kann der König erklären, warum er immer von Trauer und Angst erfüllt ist; denn diese Situation entspreche seiner eigenen, da die Grube unter dem Stuhl das Höllenfeuer, die vier Lanzen Tod, Sündhaftigkeit, Teufel und Gottes Engel, das Schwert über seinem Haupt aber den göttlichen Richter versinnbildliche.
Der Motivkreis des traurigen Königs durchwanderte ganz Europa vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit und hinterliess seine Spuren in verschiedenen literarischen Gattungen. Der Stoff dürfte aus einem altindischen Fürstenspiegel stammen; nach Europa gelangte er höchstwahrscheinlich im Zuge der Überlieferung des Barlaam-und-Josaphat-Romans, ebenso im Rahmen der Vitae patrum oder später durch Jakobs von Voragine Legenda Aurea. In der Legende der beiden Heiligen erscheint die Geschichte als Teilstück einer der Parabeln, mit denen der Mönch Barlaam den indischen Königssohn Josaphat in der christlichen Lehre unterrichtet und schliesslich zur Weltabkehr bringt.
- Type
- Chapter
- Information
- Fifteenth-Century Studies Vol. 27A Special Issue on Violence in Fifteenth-Century Text and Image, pp. 21 - 43Publisher: Boydell & BrewerPrint publication year: 2002