Published online by Cambridge University Press: 15 June 2023
Am 9. Januar 1919 kam es in Augsburg im Zusammenhang mit der Berliner Januarerhebung, dem sogenannten Spartakusaufstand, zu schweren Unruhen und Ausschreitungen. Radikale Kräfte, deren Kern Teile der Garnison, Matrosen und Erwerbslose bildeten, sprengten eine große Versammlung der Deutschen Volkspartei, stürmten bürgerliche Zeitungen und drangen in das Firmengebäude der Neuen Augsburger Zeitung und in das der Augsburger Neuesten Nachrichten ein. Es waren “Gewaltakte, wie sie bislang in der politischen Auseinandersetzung in Augsburg unbekannt gewesen waren.”
Am selben Tag, dem 9. Januar 1919, wurde Bertolt Brecht vorzeitig aus dem Militärdienst entlassen und schied damit auch aus dem Augsburger Soldatenrat aus. In dieser Zeit, wahrscheinlich Anfang Januar, eröffnete ihm seine Freundin und Geliebte Paula “Bi” Banholzer, dass sie schwanger war. In diesem zufälligen Zusammentreffen von Gewaltakten linksradikaler Kräfte in seiner Heimatstadt und seines Rückzugs von politischen Aktivitäten sowie der Hinwendung zur Sorge um seine persönlichen Probleme als werdender Vater liegt der Anstoß für Brecht, das Drama Trommeln in der Nacht zu schreiben und ihm eine ähnliche Verkettung äußerer Umstände zugrunde zu legen. In diesem zunächst Spartakus genannten Stück spiegelt sich damit seine Lebenssituation vor dem Hintergrund der revolutionären Ereignisse, von ihr ausgehend gestaltet der junge Autor seine Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen der Zeit. Aus diesem, bisher überhaupt nie wahrgenommenen Blickwinkel ergibt sich eine neue Sichtweise auf das Stück: Trommeln in der Nacht spielt in seiner ursprünglichen ersten Fassung am 9. Januar 1919 in Augsburg, und die Hauptfigur trägt offensichtlich autobiographische Züge des zwanzigjährigen Brecht. Diese These soll in der Folge entfaltet und für die Deutung des Werks fruchtbar gemacht werden.
Wenn diese zunächst einmal nur knapp angedeuteten Zusammenhänge allen, die sich bisher mit dem Stück befasst haben, entgangen sind, so liegt der Grund dafür hauptsächlich darin, dass die Ereignisse des 9. Januar 1919 später keine große Aufmerksamkeit erfahren haben. In der Rückschau gerieten in Augsburg diese auf spartakistische Einflüsse zurückgeführten Januar- Unruhen in den Schatten des Umsturzes der Novemberrevolution selbst sowie der stürmischen und blutigen Ereignisse nach Kurt Eisners Ermordung mit der Ausrufung und Niederschlagung der Münchner Räterepublik.
Um diese gewaltsamen Unruhen ein für alle Mal klar vor Augen zu führen und damit den ursprünglichen Hintergrund von Brechts Stück Trommeln in der Nacht lebendig werden zu lassen, sollen deshalb zwei, damals nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Zeugnisse zur Kenntnis gebracht werden. Mit ihnen kann ein realistisches Bild von den Ereignissen am 9. Januar und ihren Hintergründen vermittelt werden.
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