Published online by Cambridge University Press: 05 February 2009
F. Chr. Baur sah in dem ‘Mangel an einem selbständigen Inhalt’ ein untrügliches Kennzeichen für den unapostolischen Charakter des 1 Thess. Die Bedeutungslosigkeit des Schreibens und das Fehlen dogmatischer Ideen waren für ihn das Hauptargument für die Annahme, der erste Thessalonicherbrief sei ein in paulinischer Form nachgebildeter Brief mit dem Zweck, die Idee der Parusie ‘dem christlichen Bewußtsein näher zu bringen’. Wird auch heute diese These Baurs nicht mehr vertreten, so macht dennoch sein Verdikt der theologischen Belanglosigkeit des 1 Thess auf ein nach wie vor aktuelles Problem aufmerksam: das Fehlen wichtiger Begriffe und Theologumena anderer Paulusbriefe im 1 Thess. So sind die anthropologischen Termini σάρξ άμαρτία, θάντος, σμα, έλενθερία und ζωή nicht belegt, fehlen der δικ -Stamms und der στανρ -Stamm und erscheint schließlich νόμος im 1 Thess nicht. Die theologischen Konzeptionen der Rechtfertigungslehre, der Kreuzestheologie, der Kirche als Leib Christi und der Taufe als eines Begräbnisses mit Christus sind dem 1 Thess offensichtlich unbekannt. Zudem spielt das AT keine Rolle, sind die eschatologischen Aussagen von denen anderer Briefe erheblich unterschieden und ist die Polemik Pauli gegen die Juden in 1 Thess 2. 14 ff. einzigartig.
[1] Baur, F. Chr., Paulus, der Apostel Jesu Christi (1845) 488.Google Scholar
[2] A.a.O. 492. BaursGeringschätzung der Eschatologie als einem für die Entwicklung der urchristlichen Theologie konstitutiven Element zeigt sich schon daran, daß in seiner Darstellung des paulinischen Lehrbegriffs die Eschatologie fehlt (vgl. a.a.O. 505–670). Eine überzeugende Widerlegung der These Baus, der Verfasser des 1, 2 Thess habe sich bei seiner Nachbildung der Briefe sehr stark an die Apostelgeschichte und die Kormtherbriefe angelehnt, findet sich bereits bei Lünemann, G., Die Briefe an die Thessalonicher, KEK 10 (1850) 8 ff.Google Scholar
[3] Plural, Der άμαρτίαι in 2.Google Scholar 16 bezieht sich auf die Juden und läßt keinerlei anthropologische Bedeutung erkennen.
[4] Zum unreflektierten Gebrauch von σμα άμέμπτος in 5.Google Scholar 23 vgl. den Abschnitt IV.4.
[5] Δικαίως in 2. 10 ist naiv-positiv zu verstehen; vgl. 1 Kor 15. 34.
[6] Vgl. Marxsen, W., ‘Der erste Brief an die Thessalonicher’, ZBK NT 11.1 (1979) 13 f.Google Scholar Nach Apg 17. 2 war Paulus drei bis vier Wochen in Thessalonich, da er dreimal in der Synagoge predigte. Diese Angabe ist unwahrscheinlich, denn Paulus hat für seinen eigenen Unterhalt in Thessalonich gearbeitet (2. 9) und zweimal aus Philippi Unterstützung erhalten; vgl. Lüdemann, G., Paulus, der Heidenapostel I, FRLANT 123 (1980) 203 f.Google Scholar Die sogenannte ‘Apologie’ in 2. 1–12 läßt keinerlei Rückschlüsse auf Auseinandersetzungen Pauli mit (gnostischen) Gegnern zu, vielmehr hat Paulus zu der Gemeinde ein gutes Verhältnis (3. 5; vgl. ferner 2 Kor B. 1 ff.), und die rhetorische Gestaltung des Abschnitts zeigt, daß er sich gegen Wanderphilosophen, Goeten und herumziehende Zauberer abgrenzt (vgl. 2 Kor 4. 2; Did 11, 12); vgl. Dibelius, dazu M., An die Thessalonicher I.II, HNT 11 (3 1937) 7 ff.Google Scholar; Ph. Vielhauer, , Geschichte der urchristlichen Literatur (1975) 85 f.Google Scholar
[7] Eckart, K. G., ‘Der zweite echte Brief des Apostels Paulus an die Thessalonicher’, ZThK 58 (1961) 34Google Scholar, und Schenke, H. M. – Fischer, K. M., Einleitung in die Schriften des Neuen Testaments 1 (1978) 68Google Scholar, verstehen, έπέμψαμεν in 3.Google Scholar 2 als Aorist des Briefstils, um so die für ihre literarkritisehen Analysen notwendigen verschiedenen Situationen zu erhalten (danach bezieht sich 3.1 f.auf ein in Athen abgefaßtes Empfehlungsschreiben für Timotheus, 3. 6 ff. hingegen auf einen in Korinth geschriebenen Dankbrief). Diese Behauptung ist völlig willkürlich und der stets wieder-kehrende Verweis auf Blass-Debrunner §334 irreführend, weil dort 1 Thess 3. 2 zu Recht überhaupt nicht erwähnt wird. Die von K. G. Eckart, W. Schmithals und neuerdings von H. M. Schenke - K. M. Fischer, a.a.O. 65ff., (dort auch die Darstellung der Hypothesen von Eckart und Schmithals) durchgeführten Teilungshypothesen zum 1 Thess können nicht überzeugen, weil sich verschiedene Briefsituationen im 1 Thess nicht nachweisen lassen, eine aktuelle Polemik gegen Gegner nicht er-kennbar ist, Lob und Mahnung nicht Gegensätze sein müssen und schließlich eine sprunghafte Gedankenführung allein kein methodisch kontollierbares Kriterium für literarkritische Hypothesen ist; zur ausführlichen Kritik an den Teilungshypothesen vgl. Kümmel, W. G., Das literarische und geschichtliche Problem des 1 Thess, Heilgeschehen und Geschichte 1 (1965) 406–16Google Scholar; ders., Einleitung in das Neue Testament (191978) 224 ff.
[8] Vgl. Marxsen, W., Der erste Brief an die Thessalonicher 13.Google Scholar
[9] So Dobschütz, E. v., Die Thessalonicher-Briefe, KEK 10 (7 1909) 17Google Scholar; Dibelius, M., An die Thessnlonicher, 33Google Scholar; Oepke, A., Der Brief an die Thessalonicher, NTD 8 (13 1972) 157Google Scholar; Kümmel, W. G., Einleitung, 221 ff.Google Scholar; Vielhauer, Ph., Urchristliche Literatur, 87 f.Google Scholar
[10] Vgl. Kümmel, W. G., Einleitung, 221Google Scholar; Vielhauer, Ph., Urchristliche Literatur, 89Google Scholar; Marxsen, W., Einleitung in das Neue Testament (4 1978) 48.Google Scholar
[11] Der von A. Plassart neubearbeitete und von J. H. Oliver verbesserte griechische Text der Gallio-Inschrift ist mit einer deutschen Übersetzung leicht zugänglich bei Schenke, H. M. - Fischer, K. M., Einleitung I, 50–51.Google Scholar Grundlegend zur Gallio-Inschrift ist nach wie Deissmann, vor A., Paulus (2 1925) 203 ff.Google Scholar
[12] Für diese Annahme spricht vor allem, daß Gallio in der 6. Z. v. o. im Nominativ (Γαλλίων) genannt wird. Nicht herangezogen werden darf hingegen in der vorletzten Zeile… ae σε έντλλίομαι, ι άΙα …, da έντλλομαι stets mit dem Dativ gebraucht wird. Zur Diskussion der Probleme vgl. Schwank, B., ‘Der sogenannte Brief an Gallio und die Datierung des 1 Thess’, BZNF 15 (1971) 265–6Google Scholar; Schenke, H. M. – Fischer, K. M., Einleitung I, 47–63Google Scholar; Lüdemann, G., Paulus, 181–3.Google Scholar
[13] Vgl. Deissmann, dazu A., Paulus, 203–25.Google Scholar
[14] Sueton, , Caes V 25Google Scholar, 4: Iudaeos impulsore Chresto assidue tumultuantis Roma expulit.
[15] Orosius, , Historia adversum paganos VIII 6, 15.Google Scholar
[16] Vgl. Vielhauer, Ph., Urchristliche Literatur, 73.Google Scholar
[17] Vgl. Lüdemann, G., Paulus, 272.Google Scholar
[18] Vgl. a.a.O. 176 ff.
[19] Vgl. a.a.O. 183 ff.
[20] Vgl. a.a.O. 187. Hier liegt die Schwachstelle der Argumentation Lüdemanns, denn er interpretiert die (so nicht vorhandene!) gemeinsame Quelle natürlich im Sinn seiner These.
[21] Vgl. a.a.O. 188.
[22] Vgl. a.a.O. 58 ff.
[23] Vgl. a.a.O. 213 ff.
[24] Zum Versuch einer Spätdatierung des 1 Thess auf die sogen. 3. Missionsreise durch Lütgert, W., Michaelis, W. und Schmithals, W. vgl. Vielhauer, Ph., Urchristliche Literatur, 89.Google Scholar
[25] Zur ausführlichen Begründung der Reihenfolge 1, 2 Kor, Gal, Röm vgl. Schnelle, U., Gerechtigkeit und Christusgegenwart. Vorpaulinische und paulinische Tauftheologie, GTA 24 (2 1986) 34 ff.Google Scholar; zur Einordnung des Phil vgl. Schade, H. H., Apokalyptische Christologie bei Paulus, GTA 18 (2 1984) 181–90Google Scholar; zu Phlm vgl. Vielhauer, Ph., Urchristliche Literatur 173 f.Google Scholar
[26] ὑστέημα bezeichnet ‘nicht das Fehlen, sondern das Fehlende, das worin der Glaube noch hinter dem Vollmaß zurücksteht’ (Dobschütz, E. v., Thessalonicher-Briefe, 147).Google Scholar
[27] Die Ermahnung in 1 Thess 4. 10b-12 zeigt, daß auch in 4. 9 auf eine konkrete Anfrage Bezug genommen wird. Offensichtlich gab es Probleme im Zusammenleben zwischen Christen und Nicht-christen in Thessalonich; vgl. auch 2. 14. Die von Paulus gebotene Lösung der Konflikte (ζειν = ‘das ruhige bürgerliche Leben’ Dibelius, M., An die Thessalonicher 23Google Scholar) liegt sachlich auf einer Linie mit 1 Petr 2. 12; 3. 16; 4. 1 ff., wo die Verleumdungen der Umwelt durch den guten Wandel (⋯ άγαθ⋯ άναστροφή) der Christen entkräftet werden sollen.
[28] Vgl. Lünemann, G., Briefe an die Thessalonicher, 92Google Scholar; Dobschütz, E. v., Thessalonicher-Briefe, 147.Google Scholar
[29] In 4. 3, 4 werden die Gläubigen zur Heiligung aufgerufen, nach 4. 7 sind sie in Heiligung berufen worden. So wird Heiligung gleichermaßen als Gabe und Aufgabe verstanden; vgl. Laub, F., Eschatologisehe Verkündigung und Lebensgestaltung nach Paulus, BU 10 (1973) 58 ff.Google Scholar; Schade, H. H., A pokalyptische Christologie, 151 f.Google Scholar
[30] Die gänzliche Ausrichtung der Paränese auf die Parusie zeigt sich besonders darin, daß die Heiligung Voraussetzung für die Rettung ist und somit die Rettung nur in Heiligung erreicht werden kann. Wohl finden sich in 1 Thess vereinzelt indikativische Elemente (vgl. 1. 9 f.; 4. 7), nicht aber die aus späteren paulinischen Briefen geläufige bewußte Zuordnung von Indikativ und Imperativ; vgl. zum Verständnis von Indikativ und Imperativ bei Schnelle, Paulus U., Gerechtigkeit und Christusgegenwart, 103–6, 152–7.Google Scholar
[31] Vgl. 1 Kor 5. 10; 6. 9 ff. Traditionsgeschichtlich steht hinter 1 Thess 4. 1–7 die aus anti-heidnischer Polemik des hell. Judentums stammende Verbindung von Unkenntnis Gottes und Unzucht; vgl. Sap 14. 22–31; Sib 3. 59 ff. TJud 18; 19. Freilich liegt in 1 Thess 4. 3–8 kein Lasterkatalog vor, und auch eine Verbindung zur Taufe ist nicht zu erkennen, Laub, gegen F., Eschatologische Verkündigung, 180 ff.Google Scholar
[32] Vgl. 1 Thess 2. 5; 2 Kor 2. 11; 7. 2.
[33] Die Verbindung zwischen 1 Thess 2. 14 und 4. 10b-12 sieht richtig Marxsen, W., Der erste Brief an die Thessalonicher, 61.Google ScholarDibelius, M., Die Formgeschichte des Evangelium (6 1971) 239 ff.Google Scholar, spricht zu undifferenziert der gesamten Paränese nur usuelle, nicht aber aktuelle Bedeutung zu.
[34] Hinter 1 Thess 5. 12–22 wird der Paränesetyp des weisheitlichen Mahnspruchs sichtbar, der formal durch die lose Aneinanderreihung von Einzelmahnungen in kurzen Sätzen ohne Begründung gekennzeichnet ist. Dies entspricht der Form der Spruchweisheit, wie wir sie bei Sir, Spr, Test XII (bes. TIss 5. 1 f.; TDan 6. 8–10), Ps Phokylides finden. Für Paulus vgl. 2 Kor 13. 11; Röm 12. 9–21; ferner Hebr 13. 1–5; 1 Petr 3. 8–12; Jak.
[35] Vgl. Dibelius, M., An die Thessalonicher, 23Google Scholar; Becker, J., Auferstehung der Toten im Urchristentum, SBS 82 (1976) 46Google Scholar; Marxsen, W., Der erste Brief an die Thessalonicher, 65.Google Scholar
[36] Zur ausführlichen Analyse von 1 Thess 4. 13–18 vgl. Lüdemann, G., Paulus 213–63.Google Scholar
[37] παρακαλεīν ist in 1 Thess 4. 13, 17 zuallererst als ‘trösten’ zu verstehen, wobei allerdings der Aspekt des Ermahnens mitschwingt.
[38] Abzulehnen ist der Lüdemanns, Vorschlag G., Paulus, 252Google Scholar, auf der Stufe der Tradition ‘Kyrios’ durch ‘Menschensohn’ zu ersetzen, weil sich ein jüdischer Ursprung für die hinter 1 Thess 4. 16–17 stehende Tradition nicht stringent nachweisen läßt.
[39] Zur Wendung οἱ νεκρ έν Χριστῷ vgl. Schnelle, U., Gerechtigkeit und Christusgegenwart, 113–16.Google Scholar
[40] Zu der anderen Möglichkeit, daß die Thessalonicher die Vorstellung von der Auferstehung der Gläubigen kannten, sie aber nicht mit Parusie und Entrückung verbinden konnten, vgl. Schade, H. H., Apokalyptische Christologie, 162.Google Scholar
[41] Großes Interesse an 1 Thess 4 und 5 hatte offenbar der junge M. Heidegger, der in diesen Texten die Widerfahmis der Faktizität und Geschichtlichkeit des Lebens für den christlichen Glauben sah; vgl. Jäger, A., Gott. Nochmals M. Heidegger (1978) 61.Google Scholar
Versteht man wie Heidegger die Zeit als formale ontologische Struktur der Geschichtlichkeit des Seins, dann ist 1 Thess 4. 13–18 das Paradigma für die Bewußtwerdung der Geschichtlichkeit auch der christlichen Existenz.
[42] Friedrich, G., ‘1. Thessalonicher 5, 1–11, der apologetische Einschub eines Späteren’, ZThK 70 (1973) 288–315Google Scholar, sieht in 1 Thess 5. 1–11 einen nachpaulinischen Einschub, der stark von lukanischer Theologie geprägt sei und dazu diene, die paulinische Pazusieerwartung apologetisch zu korrigieren und die Problematik der ausgebliebenen Parusie zu reflektieren. Als Hauptargumente dienen Friedrich der angeblich unpaulinische Sprachgebrauch der Perikope und eine andere Ausrichtung als in 1 Thess 4. 13–17. Gegen Friedrich ist einzuwenden, daß die Sprachgestalt des Textes durch die aufgenommenen Traditionen mitbestimmt ist und sich sowohl von der Sprache als auch vom Aufbau her starke Berührungen mit Röm 13. 11–14 nachweisen lassen. Zudem spricht das in den Evangelien nicht vorkommende εἴτε … εἴτε in 5. 10 für paulinische Verfasserschaft.
Die zweifellos vorhandenen Unterschiede zu 4. 13–18 erklären sich aus der unterschiedlichen Fragestellung beider Abschnitte, wobei sich ein Nachlassen der Naherwartung in 5. 1–11 nicht belegen läßt. Gemeinsam ist beiden Texten der soteriologische Zielpunkt des κνρίω έσόμεθα/ζήσωμεν.
[43] Der Verzicht auf Terminspekulationen ist auch in der jüdischen Apokalyptik nachzuweisen (4Esr; sBar); vgl. Harnisch, W., Eschatologische Existenz, FRLANT 110 (1973) 60 ff.CrossRefGoogle Scholar
Zu ήμέρα κυρίον vgl. 1 Kor 1. 8; 3.13; 5. 5; 2 Kor 1. 14; Röm 13. 12 ff.; Phil 1. 10; 2. 16.
Zum Bild des Diebes in der Nacht vgl. Lk 12. 39 f. par; 2 Petr 3. 10; Apk 3. 3; 16. 15. Zur Wendung χρόνοι καἱ καιροί vgl. Weish B. 8; Dan 2. 21; Apg 1. 7.
Zu υίοί φωτίς vgl 1QS 1. 9; 2. 16; 3. 13, 24, 25; 1QM 1. 9 u.ö. Traditionsgeschichtlich steht hinter 1 Thess 5. 4–8 der vor allem in der jüdischen Apokalyptik geprägte Dualismus der zwei Geister (vgl. TJud 20. 1; TGad 4. 7; TBenj 6. 1 ff.; 7. 1; 1QS 3. 13–4. 26) und der zwei Wege ff (Ass 1. 3–9; Hen 91, 18 f.; 1QS 3. 13–4. 26).
[44] Zu den traditionellen Elementen in V. 9–10a vgl. Schade, H. H., Apokalyptische Christologie, 139 f.Google Scholar
[45] In 5. 10 ist ζήσωμεν futurisch zu deuten.
[46] Zur Analyse von 1 Thess 1. 9b-10 vgl. Bussmann, vor allem C., Themen der paulinischen Missionspredigt auf dem Hintergrund der spätjüdisch-hellenistischen Missionsliteratur, EHS.T 3 (1971) 38–56.Google Scholar
[47] Die Nachahmervorstellung spielt im AT eine sehr geringe Rolle (vgl. vor allem die deuteronomisch-deuteronomistische Vorstellung des Gehens in den Wegen Gottes Dtn 5. 33; 13. 5; 28. 9; 1 Kön 2. 3 u.ö. bzw. auf den Wegen der Väter Ri 2. 17; 1 Sam B. 3; 21. 21; 22. 2 u.ö.), und es fehlen in der LXX für den atl. Kanon die Worte μιμητής, μιμομαι Als religionsgeschichtlicher Ausgangspunkt der Mimesisvorstellung hat die griechische Philosophie zu gelten, hier vor allem Plato, wo sich neben der ursprünglich kosmologischen Bedeutung auch die Vorstellung einer sittlichen Angleichung des Menschen an Gott findet (vgl. vor allem Plat, Theaet 176). Das hell. Judentum hat den Gedanken der Imitatio aus der hell. Popularphilosophie übernommen und in vielfacher Weise verwendet; vgl. Sap 4. 1 f. (Nachahmung der Tugend); Arist 187 f., 205; 4 Makk 9. 23; 13. 9 (Nachahmung des Märtyrers); TAss 4. 3 (Nachahmung Gottes); TBen 3. 1; 4. 1 (Nachahmung von Menschen).
Alle Aspekte der Mimesisvorstellung finden sich bei Philo, so die kosmologische Bedeutung in Form der platonischen Urbild-Abbild-Vorstellung (Op 16; 25 u.ö.), Nachahmung Gottes (Sacr 64; All 1 48; Conf 63; Fug 63 u.ö.), Nachahmung von Menschen (V66); Nachahmung im ethisch-pädagogischen Sinn (Sacr 64; 68; 123; VitMos I 158). Vgl. zur Nachahmervorstellung insgesamt Schulz, A., Nachfolgen und Nachahmen, StANT 4 (1962).Google Scholar
[48] Vgl. zur apokalyptischen Vorstellung der endzeitlichen Bedrängnis Dan 12. 1; Hab 3. 16; Zef 1. 15; 1QS 3. 23; 1QM 1. 12. Zum Leiden der einzelnen Gerechten, einem aus der Weisheitsüberlieferung übernommenen überaus wichtigen Motiv der Apokalyptik vgl. Ps 33. 20; 36. 39; 4Esr 7. 89; syrBar 15. 8; 48. 50; 1QH 2. 6–12. Vgl. ferner aus der synoptischen Tradition Mk 4. 17; 13. 19 par; 13. 24 par; Mt 24. 9. Paulus versteht die vor allem in der Verfolgung sichtbar werdende θλīψις als eine endzeitliche Macht (vgl. 1 Thess 3. 7; 2 Kor 1. 8; 4. 8; B. 2; Röm B. 35; Phil 4. 15), die in großer Nähe zum Tod steht (vgl. 1 Kor 1. 8; 11. 23; Röm B. 35 f.). Das der ύπομονή entsprechende Verhalten ist die inropovn (Röm 5. 3; 12. 12), die wiederum σοκ⋯μή und έλπίς bewirkt.
[49] Vgl. Schade, H. H., Apokalyptische Christologie, 126.Google Scholar
[50] Vgl. die Auflistung der einzelnen traditionellen Motive bei H. H. Schade, a.a.O. 127.
[51] Vgl.a.a.O. 133 f.
[52] Vgl. zur paulinischen έν Χριστ -Vorstellung Schnelle, U., Gerechtigkeit und Christusgegenwart 106–22.Google Scholar
[53] Vgl. zu 1 Thess 5. 19 Unnik, W. C. van, ‘Den Geist löschet nicht aus’, NT 10 (1968) 255–69.Google Scholar
[54] Eine Verbindung zwischen 1 Kor 15, der Problematik des Todes von Christen vor der Parusie und der Entstehung der paulinischen Anthropologie besteht auf zwei Ebenen: 1. Paulus löst in 1 Kor 15 die durch den Tod vor der Parusie hervorgerufene Frage nach der Kontinuitäpt christlicher Existenz über den Tod hinaus auf der Grundlage einer antithetischen Anthropologie, indem er das Schicksal der in Christus Verstorbenen ausdrücklich mit der Wirklichkeit der Auferstehung Christi verbindet (vgl. 1 Kor 15, 17, 18, 51 f.), um so nachzuweisen, daß es auch eine Auferstehung der Toten bei der Parusie des Herm geben wird, da Christus von den Toten auferstanden ist. 2. Die Position der Paulusgegner in Korinth dürfte mit dem Tod von Christen vor der Parusie insofern in Verbindung stehen, als die von ihnen vertretene präsentische Eschatologie eine eigenständige Löung der Todesproblematik auf der Basis einer dualistischen Anthropologie darstellt; vgl. dazu Anm. 71.
Daß 1 Kor 15 Ziel und Zentrum des gesamten Briefes ist, hat Barth, K., Die Auferstehung der Toten (1924Google Scholar) zu Recht betont, wenn auch die Kap. 1–14 nicht zur bloßen Einleitung degradiert werden dürfen. Bultmann, R., Barth, Karl, ‘Die Auferstehung der Toten’, GuV I (8 1980) 64Google Scholar, sieht nicht in 1 Kor 15, sondern in 1 Kor 13 den Höhepunkt des Briefes. Damit wird die Bedeutung dieses Kapitels zweifellos überschätzt, denn es ist wohl die theologische Mitte von 1 Kor 12–14, nicht aber das Zentrum des gesamten Briefes.
[55] R. Bultmann, a.a.O. 54, betont zu Recht, daß Paulus in 1 Kor 15 ‘die Auferstehung Christi als ein objektives historisches Faktum glaubhaft’ machen will, auch wenn Bultmann diesen Versuch des Apostels für theologisch höchst fragwürdig hält. Die apologetische Zielsetzung von 1 Kor 15. 1–11 hat Osten-Sacken, P. v.d., ‘Die Apologie des paulinischen Apostolats in 1 Kor 15, 1–11’, ZNWk 64 (1973) 245–62Google Scholar, herausgearbeitet.
[56] Vgl. Schade, H. H., Apokalyptische Christologie, 195Google Scholar; Spörlein, B., Die Leugnung der Auferstehung, BU 7 (1971) 67 f.Google Scholar
[57] Vgl. Brakemeier, G., Die Auseinandersetzung des Paulus mit den Auferstehungsleugnern in Korinth, Diss. theol. (Göttingen 1968) 45 f.Google Scholar
[58] Paulus sah sich den Problemen gegenübergestellt, ob es ein individuelles Menschsein über den Tod hinaus gibt, wie dabei die Kontinuität menschlicher Existenz zu denken ist und wann sich die Verwandlung in eine neue Leiblichkeit vollzieht; vgl. Wiefel, W., ‘Die Hauptrichtung des Wandels im eschatologischen Denken des Paulus’, ThZ 30 (1974) 71.Google Scholar Beantworten konnte er die damit verbundenen Fragen nur auf der Basis einer christologisch bestimmten Anthropologie, die gleicher-maßen die Beschaffenheit der irdischen und himmlischen Existenz beschreiben konnte, die in der Lage war, Kontinuität wie Diskontinuität menschlichen Seins aufzuzeigen und die schließlich Raum ließ für Gottes rettendes Handeln in der Zukunft.
[59] Richtig bemerkt Lietzmann, H., An die Korinther I.II, HNT 9 (5 1969) 83Google Scholar, Paulus gehe mit V.35 ‘auf den Haupteinwand der Auferstehungsgegner ein, daß ein Leib nach dem Tode unvorstellbar sei’.
[60] Vgl. Becker, J., Auferstehung der Toten im Urchristentum SBS 82 (1976) 80.Google Scholar
[61] Vgl. Braun, dazu vor allem H., ‘Das “Stirb und werde” in der Antike und im Neuen Testa-ment’, in: ders., Gesammelte Studien zum Neuen Testament und seiner Umwelt (3 1971) 136–8.Google Scholar
[62] Zur Vorstellung einer leiblichen Auferweckung vgl. Dan 12. 2, 13; äthHen 62, 15; syrBar 49–51; 4Esr 7. 32, 97; Jos Bell 2. 163.
Der paulinische oua-Gedanke enthält die Vorstellung einer Kontinuität des menschlichen Selbst über den Tod hinaus in einer ansonsten von Diskontinuität geprägten Argumentation; mit Gutbrod, W., Die Paulinische Anthropologie, BWANT 4.15 (1934) 33Google Scholar; Bultmann, R., Theologie des Neuen Testaments (7 1977) 199Google Scholar; Spörlein, B., Leugnung der Auferstehung, 113–21Google Scholar; Conzelmann, gegen H., Der erste Brief an die Korinther KEK 5 (2 1981) 344 f.Google Scholar; Schottroff, L., Der Glaubende und die feindliche Welt WMANT 37 (1970) 136 f.Google Scholar; Schade, H. H., Apokalyptische Christologie 205 ff.Google Scholar
[63] Zur Auseinandersetzung mit Exegeten, die vor allem in 1 Kor 15. 44b-46 den Beleg für eine in Korinth herrschende ‘gnostische’ Auferstehungsleugnung sehen, vgl. Spörlein, B., Leugnung der Auferstehung, 103–8, 174–82.Google Scholar
[64] Christus ist seit der Auferstehung τνεṺμα ζωοτοιοṺν, vgl. Conzelmann, H., Brief an die Korinther, 353.Google Scholar Im Pneuma und als Pneuma (vgl. 2 Kor 3. 17; Röm 1. 3b-4a) wirkt er an den Seinen; vgl. Schnelle, dazu U., Gerechtigkeit und Christusgegenwart, 126 ff.Google Scholar
[65] Vgl. zur vorpaulinischen Vorstellung des κληρονομείν der βασιλεία θεοṺ 1 Kor 6. 9 f.; Gal 5. 21.
[66] Vgl. Lüdemann, G., Paulus, 268 ff.Google Scholar; Schade, H. H., Apokalyptische Christologie, 208.Google Scholar
[67] Paulus zählt sich sowohlin 1 Thess 4. 13–18 als auch in 1 Kor 15. 51 f. zu den bei der Parusie Lebenden, aber war das Erleben der Parusie z.Zt. des 1 Thess die Regel, so ist sie im 1 Kor die Ausnahme; vgl. Lüdemann, G., Paulus, 265 ff.Google Scholar
[68] Vgl. Paulsen, H., Art. ένςύω EWNT 103–5.Google Scholar
[69] Vgl. Bultmann, dazu R., Geschichte und Eschatologie (3 1979) 44 ff.Google Scholar
[70] Wiefel, W., Hauptrichtung des Wandels, 74Google Scholar, führt die anthropologische Argumentation des Paulus in 1 Kor 15 auf eine ‘Konzentration der Fragestellung’ zurück. ‘Es ist die immanente Dialektik der Gedanken, die Paulus vorantreibt.’ Dagegen ist zu betonen, daß es die veränderte geschichtliche Situation ist, die die neue Argumentation erfordert.
[71] Die nach wie vor beste Darstellung der Theologie der paulinischen Gegener in Korinth stammt von Soden, H. V., ‘Sakrament und Ethik bei Paulus’, in: Rengstorf, K. H. (Hg.), Das Paulusbild in der neueren deutschen Forschung (2 1969) 361Google Scholar, wonach die Korinther als ‘überspannte Enthusiasten des Pneumaglaubens’ zu bezeichnen sind, für die das Sakrament absolute Verwirklichung des Heils ist. Für diese These eines in der Taufe begründeten Vollendungsbewußtseins und Heilsperfektums sprechen 1 Kor 2. 6; 4. 8, 10; 5. 2; 6. 12; 10. 1 ff., 23; 15. 12. Das Spezifikum korinthischer Theologie besteht danach nicht in der Leugnung der Auferstehung, sondern in der Behauptung, daß diese bereits in der Taufe erfolgt sei, wodurch alle Aussagen über die Zukuünftigkeit des Auferstehungsgeschehens und die Beschaffenheit des Auferstehungsleibes gegenstandslos werden. Die Erlangung des ‘Lebens’ vollzog sich für die Korinther nicht als Überwindung des Todes bei der Parusie des Herm, sondern bereits bei der Pneumaverleihung in der Taufe. Mit dieser präsentischen Eschatologie war sehr wahrscheinlich eine dualistische Anthropologie verbunden, für die der Tod nur den ‘niederen Teil’ des Menschen betrifft, während der ‘höhere Teil’ das ‘Leben’ schon vorher erlangt hat; vgl. Schade, H. H., Apokalyptische Christologie, 192.Google Scholar Da die Position der Korinther eine eigen-ständige Lösung der Todesproblematik darstellt, ist zu vermuten, daß Paulus auch durch sie zur Ausarbeitung seiner Anthropologie gezwungen wurde.
[72] òλοτελής ist Hapaxlegomenon im NT und in LXX. Es ist ein verstärktes ὂλος und meint: ganz, vollständig, durch und durch im vorwiegend quantitativen Sinn. Zu òλόκληρος ist besonders ein Zauberpapyrus aufschlußreich: ‘ςιαφύλασσέ μου τò σ⋯μα, τ⋯ ψυχήν òλόκηρον’ (vgl. W. Bauer, WB 1118). Leib und Seele sollen vollständig und unversehrt bewahrt werden, wobei deutlich eine qualitative Bedeutung von òλόκληρος vorherrscht (vgl. auch Jak 1. 4): ‘in allen Teilen unversehrt, qualitativ vollständig, ein Korpus, das unverletzt ist‘ (P. A. van Stempvoort, ’Eine stilistische Lösung einer alten Schwierigkeit in 1 Thess 5. 23, NTS 7, 1961 [262–5] 263).
[73] Vgl. Dobschütz, E. v., Thessalonicher-Briefe, 229Google Scholar; Foerster, W., ThWNT III, 765 f.Google Scholar; Jewett, R., Paul's Anthropological Terms, AGSU 10 (1971) 176.Google Scholar Nur auf ὑμ⋯ν τò πνεṺμα beziehen òλόκληρς Schlier, H., Der Apostel und seine Gemeinde (1972) 104Google Scholar; Bauer, K. A., Leiblichkeit - das Ende der Werke Gottes, StNT 4 (1971) 67.Google Scholar
[74] Vgl. Gutbrod, W., Paulinische Anthropologie 91Google Scholar; Bultmann, R., Theologie 206Google Scholar; Marxsen, W., Der erste Brief an die Thessalonicher, 72 f.Google Scholar Abzulehnen ist die Annahme Jewett, von R., Anthropological Terms, 175–83Google Scholar, Paulus nehme in 1 Thess 5. 23 eine Wendung seiner libertinistischen Gegner in Thessalonich auf, weil sich eine Auseinandersetzung Pauli mit gnostischen Libertinisten im 1 Thess nicht nachweisen läßt.
[75] Vgl. Dobschütz, E. v., Thessalonicher-Briefe, 229.Google Scholar
[76] Gegen diese Annahme sprechen auch nicht die vorpaulinischen Traditionen der späteren Briefe, denn offensichtlich standen sie Paulus z.Zt. der Abfassung des 1 Thess noch nicht zur Verfügung.
[77] Zur Entwicklung der paulinischen Eschatologie, die sich paradigmatisch durch einen Ver-gleich von 1 Thess 4. 13–18; 1 Kor 15. 51b ff.; 2 Kor 5. 1–10; Phil 1. 21 ff. nachweisen läßt, vgl. Hunzinger, vor allem C. H., Die Hoffnung angesichts des Todes (FS H. Thielicke) (1968) 69–88Google Scholar; Wiefel, W., Hauptrichtung des Wandels, 65–81.Google Scholar
[78] Zur ausführlichen Begründung dieser These vgl. Schnelle, U., Gerechtigkeit und Christusgegenwart, 33–103.Google Scholar
[79] Sowohl die Parallelen Ez 13. 13; 2 Chr 12. 12 (vgl. auch TLev 6. 11) als auch der Aorist ἔφθασεν legen es nahe, εìς τέλος im Sinn einer völligen Vernichtung zu verstehen; vgl. Schade, H. H., Apokalyptische Christologie, 127.Google Scholar
[80] Vgl. a.a.O. 127. Zur Analyse von 1 Thess 2. 13–16 vgl. Lüdemann, G., Paulus und das Judentum, TEH 215 (1983) 22–7.Google Scholar
[81] Zu den hier nicht zu behandelnden zahlreichen Problemen von Röm 9–11 vgl. Luz, vor allem U., Das Geschichtsverständnis des Paulus, BEvTh 49 (1968)Google Scholar; Hübner, H., Gottes Ich und Israel, FRLANT 136 (1984).CrossRefGoogle Scholar
[82] In 9. 6 ff. präzisiert Paulus sein Erwählungsverständnis, wonach die Zugehörigkeit zum Volk Israel nicht durch Geburt erworben wird, sondern allein im Verheißungswort und freien Erwählungshandeln Gottes begründet ist. Dadurch entsteht eine Spannung zwischen den in 9. 1–5 hervorgehobenen Privilegien Israels und dem von Anfang an freien Erwählungshandeln Gottes; vgl. Wilckens, U., Der Brief an die Römer, EKK 6/2 (1980) 196.Google Scholar
[83] Käsemann, E., An die Römer, HNT 8a (3 1974), 295.Google Scholar
[84] Dieser fundamentale Unterschied darf nicht durch die Behauptung nivelliert werden, Paulus sei sich in 1 Thess 2. 14 ff. schon seiner Lösung in Röm 11. 25 ff. bewußt gewesen; so Dibelius, M., An die Thessalonicher, 12.Google Scholar