Katharina Mommsen, Goethe und der Alte Fritz. Leipzig: Lehmstedt, 2012. 231 S.
Published online by Cambridge University Press: 27 May 2021
Summary
An Arbeiten über Goethe und Friedrich II. hat es bisher nicht gefehlt. Die Autorin führt nicht nur die wichtigsten der zwischen 1878 und 2004 erschienenen Titel im Anhang ihres Buches auf, sie setzt sich auch mit mehreren davon auseinander. Ihre “bescheidene” Absicht sei es, die Aufmerksamkeit “vor allem auf die Berührungspunkte und Reibungsflächen zwischen Goethe und dem preußischen König zu richten …, obwohl beide Männer einander nie begegnet sind” (10). Es handle sich um einen Aspekt, der bisher nicht detailliert genug untersucht worden sei. Katharina Mommsen analysiert den Prozess dieses ungewöhnlichen Verhältnisses, beginnend mit dem siebenjährigen Goethe, der sich anfangs als Verehrer Friedrichs ausgibt, über den Goethe der Straßburger und Weimarer Zeit, der sich zunehmend von Friedrich distanziert, bis zum 73-Jährigen, der mit Friedrich ins Reine gekommen ist und jetzt ohne Ironie vom “großen Todten” spricht.
Goethe widmet einen großen Teil des ersten Abschnitts von Dichtung und Wahrheit der Wirkung, die Friedrich auf seine Familienverhältnisse ausübte. Der Siebenjährige Krieg führte zu einem Konflikt zwischen Goethes Vater und Großvater, wobei sich der Vater auf die Seite Preußens und der Großvater auf die Österreichs schlug. Nach einem zeitgenössischen Bericht kam es sogar zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen beiden Familienmitgliedern. Aus einem zeitlichen Abstand von beinahe 60 Jahren bemerkt Goethe zu dieser für ihn formativen Zeit: “Und so war ich denn auch preußisch, oder um richtiger zu reden, Fritzisch gesinnt: denn was ging uns Preußen an” (14). Die Darstellung dieses frühen Kindheitserlebnisses zeugt deutlich von der später zu beobachtenden “Grundtendenz der Selbsthistorisierung” (Borchmeyer) Goethes. Das Vergangene lässt sich nur aus der Perspektive des sich erinnernden Subjektes erklären. Sollte das Erinnerungsvermögen versagen, so gelte es, sich auf das dichterische Vermögen zu verlassen und es werde daher klar, “daß man mehr die Resultate … als die Einzelheiten, wie sie sich damals ereigneten, aufstellen und hervorheben werde” (MA 16, 916). Goethe betont, dass die familiären Auseinandersetzungen über Friedrich II. zu seiner lebenslangen Abneigung, politisch Partei zu ergreifen, geführt hätten. Bereits hier ist aber auch seine Faszination für “Persönlichkeiten” erkennbar, selbst solche, “die seinem eigenen Wesen vollkommen entgegengesetzt waren” (181).
Im Kontext der Literaturpolitik Friedrichs, das heißt einerseits seiner Verachtung der deutschen und andererseits seiner Verehrung der französischen Literatur, tritt zwangsweise auch Voltaire in den Vordergrund.
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- Goethe Yearbook 22 , pp. 271 - 273Publisher: Boydell & BrewerPrint publication year: 2015