Book contents
- Frontmatter
- Officers of the International Brecht Society
- Contents
- Editorial
- List of Abbreviations
- Critical Edition of Die Ausnahme Und Die Regel
- Helmut Heißenbüttel on Brecht
- Brecht and Gisela Elsner
- Brecht, Affect, Empathy
- Recycling Brecht: Part 2
- New Brecht Research
- Interview
- Book Reviews
- Notes on the Contributors
Reinigung Der Gefühle? Brecht, Chaplin Und Empathie in Film und Theater
Published online by Cambridge University Press: 28 October 2020
- Frontmatter
- Officers of the International Brecht Society
- Contents
- Editorial
- List of Abbreviations
- Critical Edition of Die Ausnahme Und Die Regel
- Helmut Heißenbüttel on Brecht
- Brecht and Gisela Elsner
- Brecht, Affect, Empathy
- Recycling Brecht: Part 2
- New Brecht Research
- Interview
- Book Reviews
- Notes on the Contributors
Summary
Die Forschung hat dem Tagebucheintrag (BFA 26, 256–57) und dem Gedicht (BFA 15, 115) Brechts über den Film Charlie Chaplins The Face on the Barroom Floor (Keystone Film, 1914) viel Beachtung geschenkt, da die beiden Texte Brechts ausführlichste Äußerungen über einen Film Chaplins darstellen. Niemand hat dabei gemerkt, dass Brecht den Film falsch verstanden hat. Brecht geht davon aus, dass Madeleine, die ehemalige Geliebte des Künstlers (Charlie Chaplin), ihren Mann, den von Jess Dandy gespielten “reichen Fettwanst” (BFA 26, 256), erst nach ihrem Treffen im Studio des Künstlers geheiratet hat. Ebenso heißt es im Gedicht, dass die “einstmalige Geliebte” nun Gattin eines “wohlhabenden Fleischhauers” ist (BFA 15, 115). Er trifft allerdings die Geliebte “entschwundener Tage” genau zwei Monate später wieder, so steht es zumindest auf der Texttafel des Originalfilms zwischen Abschiedsszene im Studio und Wiedersehen im Park. Unterstrichen wird die zeitliche Kontinuität durch den deutlich sichtbaren Farbfleck auf den Kleidern des Künstlers beim Wiedersehen. Diesen hatte er sich kurz nach Madeleines Abschied zugezogen, als er sich zum Lesen des Abschiedsbriefs in die Farbe setzte (7:40). Das älteste ihrer Kinder ist etwa zehn Jahre alt, geht man davon aus, dass der Fettwanst auch der biologische Vater der Kinder ist, so war Madeleine schon Jahre vor dem Treffen mit dem Künstler mit dem Fettwanst liiert. Es handelt sich demnach nicht um eine tragische Liebesgeschichte: Madeleine und der Fettwanst haben den Künstler bewusst an der Nase herumgeführt, unter Umständen sogar, um darum herumzukommen, das Portrait des Fettwansts zu bezahlen. Auch einige andere Details hat Brecht in seiner Version der Geschichte übersehen: Madeleine ist nicht gerade begeistert von den Annäherungsversuchen des Künstlers, es sieht nicht nach gegenseitiger Liebe aus, und Madeleine macht sich zudem noch in ihrem Abschiedsbrief über den Künstler lustig—sie nennt ihn “great big hunk of man”—der sich allerdings daran erinnern solle, nicht über seine Füße zu stolpern (6:57). Sinnigerweise klebt sie den Brief in die nasse Farbe des Portraits ihres Mannes, worauf beide dann kichernd abziehen. Auch dass Chaplins Gesicht “wie gewachst” (BFA 26, 257) sei, also wie gewohnt ohne sichtbaren Gefühlsausdruck bleibt, stimmt hier nicht, Chaplin rauft sich die Haare und weint vor laufender Kamera.
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- Chapter
- Information
- The Brecht Yearbook / Das Brecht-Jahrbuch 43 , pp. 138 - 153Publisher: Boydell & BrewerPrint publication year: 2018