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Die alte Braut und Christi Leib. Zum ekklesiologischen Entwurf des Epheserbriefs*

Published online by Cambridge University Press:  12 March 2013

Christine Gerber*
Affiliation:
Institut für Neues Testament, Fachbereich Evangelische Theologie der Universität Hamburg, Sedanstraße 19, D-20146 Hamburg, Germany. email: [email protected].
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Abstract

That the ‘Church’ constitutes the main theme of the Epistle to the Ephesians is the opinio communis in exegesis. Going beyond the undisputed letters by Paul ἐκκλησία would thus no longer designate the local congregation but the universal Church instead. Yet it is still open to question whether ecclesiology becomes the theological centre, out of which Christology, too, enfolds, and the Church acquires a soteriological function. The paper argues for a re-examination of the term ἐκκλησία and the metaphors used in the epistle. It then emerges that Ephesians does indeed have an ecclesiological theme, but not yet the concept of one ‘Church’ as a transcendent entity. Of major importance are the various body metaphors, as they imply the unity of the assembled. Nevertheless, even the body metaphors do not presuppose an already developed concept of the ‘Church’ as the ‘realm of salvation’ or any other spatial metaphor. Instead, they demonstrate that soteriology and ecclesiology remain strictly related to Christology. With a view to the epistle's intention this means that Ephesians develops a vision of the unity and community of believers, not, however, as the theological construct of the Church, but rather as a paraenetic goal to integrate Christians of differing persuasions.

German abstract: Dass die “Kirche” das zentrale Thema des Epheserbriefs sei, ist opinio communis der Exegese. Anders als in den gemeinhin als authentisch geltenden Paulusbriefen bezeichne ἐκκλησία hier nicht mehr die Ortsgemeinde, sondern die universale Kirche. Umstritten ist nur, ob die Ekklesiologie theologisch so fundamental ist, dass von ihr aus die Christologie entfaltet wird, und die Kirche eine soteriologische Funktion erhält. Der Aufsatz greift diese Diskussion ausgehend von der Verwendung von ἐκκλησία im Epheserbrief auf und gelangt zu der These, dass ἐκκλησία noch kein Konzept einer Gesamtkirche bezeichnet, sondern auf die Versammlung der Glaubenden referiert, womit die einzelnen Glaubenden im Blick bleiben. Entfaltet wird die im Brief gleichwohl zentrale Ekklesiologie—die theologische Bedeutung der Gemeinschaft der Glaubenden—vor allem durch die verschiedenen Leibmetaphern. Auch diese setzen aber noch kein Konzept von “Kirche” als Heilsbereich voraus; die Ekklesiologie bleibt wie die Soteriologie der Christologie untergeordnet. Im Blick auf die Intention des Briefes bedeutet dies, dass dieser nicht ein theologisches Konzept der Universalkirche abruft, sondern erst eine Vision von der Zusammengehörigkeit der Glaubenden verschiedener Gemeinden und Traditionen entwirft.

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Copyright © Cambridge University Press 2013

1. Die alte Braut als Problemfall für Christus—und für die Exegese

Die Eheparänese im Epheserbrief, Eph 5.22–33, ist ein schwieriger Text, nicht nur wegen der heute anstößigen Forderung, dass die Ehefrauen sich ihren Ehemännern ‘in allem unterordnen sollen’ (5.24),Footnote 1 sondern auch wegen der Verhältnisbestimmung von ‘Christus und Kirche’. Dass die ‘Kirche’ das zentrale Thema des Epheserbriefs sei, ist Gemeingut der Auslegungen, und Eph 5.22–33 sei von besonderem Gewicht für die Ekklesiologie: Hier entfalte der Brief seine ‘Lehre über das Verhältnis zwischen Christus und Kirche’.Footnote 2 Die Ehe und die Beziehung von Christus und Kirche werden so eng verschränkt, dass sie sich gegenseitig erklären und es kaum zu entscheiden ist, ob es in erster Linie um die Ehe oder um die Kirche geht.Footnote 3 Die Vorstellung von der Kirche als Braut Christi hat nicht nur die Ikonographie inspiriert, sondern ist für viele Auslegerinnen und Ausleger auch Indiz dessen, dass die Kirche für den Epheserbrief eine himmlische Wesenheit ist, mehr als die empirische Kirche.

Ein genauer Blick auf den Text zeigt aber, dass die Analogie zwischen der wechselseitigen Beziehung von Ehemann und Ehefrau zueinander und der von Christus zur Kirche nicht einfach aufgeht. Unpassend scheint vor allem die Begründung der Forderung an die Männer, ihre Frauen zu lieben, in V.25–27. Dies sei genauer erläutert, denn es führt uns zum Thema dieses Aufsatzes, der Ekklesiologie des Epheserbriefs.

25 Οἱ ἄνδρες, ἀγαπᾶτε τὰς γυναῖκας,

καθὼς καὶ ὁ Χριστὸς ἠγάπησεν τὴν ἐκκλησίαν

καὶ ἑαυτὸν παρέδωκεν ὑπὲρ αὐτῆς,

26         ἵνα αὐτὴν ἁγιάσῃ καθαρίσας τῷ λουτρῷ τοῦ ὕδατος

ἐν ῥήματι,

27          ἵνα παραστήσῃ αὐτὸς ἑαυτῷ ἔνδοξον τὴν ἐκκλησίαν,

μὴ ἔχουσαν σπίλον ἢ ῥυτίδα ἤ τι τῶν τοιούτων,

ἀλλ᾽ ἵνα ᾖ ἁγία καὶ ἄμωμος.

Die Aufforderung an die Männer, ihre Frauen zu lieben, wird motiviert mit Christi Selbsthingabe (V.25). Solch eine Selbsthingabe kann allerdings auch vom idealen Ehemann nicht erwartet werden, es sei denn, nur ein toter Mann ist ein guter Ehemann.Footnote 4 Das Verhältnis Christi zur Kirche wird hier also nicht nach der Ehe modelliert, sondern von der Christusgeschichte her. In V.26–27 wird jedoch die Ehe wieder herangezogen, genauer Brautrituale,Footnote 5 wenn gesagt wird, Christus habe die Kirche durch das Wasserbad gereinigt und ehrbar bereitet, ohne Flecken und Runzeln. Doch eigentlich gibt der Ritus des Brautbades das Gesagte nicht her: Nicht der Bräutigam reinigt die Braut, sondern die Brautleute sich selbst.Footnote 6 Und kein Bräutigam vermag zu erwirken, was sich heute liest wie eine Verheißung der Anti-Aging-Industrie: ‘... damit sie nicht Flecken oder Runzeln oder dergleichen habe’.Footnote 7 Die Ehe wird hier also einerseits zum Bild für das Verhältnis von Christus und Kirche, andererseits werden Details des Bildes nur von der Christologie her verständlich.

Aber es bleibt eine Irritation, denn auch im Verhältnis von Christus und Kirche ist das Gesagte schwer zu verifizieren. Die Aoriste ἠγάπησεν und ἑαυτὸν παρέδωκεν ὑπὲρ αὐτῆς (V.25) sind am besten auf Jesu Tod als Selbsthingabe aus Liebe zu beziehen, wie in Eph 5.2 und der paulinischen Tradition.Footnote 8 Doch wenn Christus die Kirche durch seine Selbsthingabe gereinigt und geheiligt hat, dann muss die Kirche bereits vor dem Tode Jesu existiert haben, und zwar mit hässlichen Spuren des ‘Lebens’, diesen ‘σπίλος ἢ ῥυτίς’, bedarf doch die Kirche der Reinigung durch nichts Geringeres als den Lebenseinsatz Jesu. Schon im Zentrum der vorangegangenen Frauenparänese stand ein ähnlich irritierender Satz. In V.23 heißt es über Christus, das Haupt der Kirche, er sei Retter des Leibes.Footnote 9 Ist also die Kirche bereits bei Jesu Tod eine ‘alte Braut’? Ist sie schon vorher entstanden, ja vielleicht sogar, wie Heinrich Schlier meinte, als präexistent und himmlisch gedachtFootnote 10?

Dagegen steht die narrative Tradition des Neuen Testaments, wonach ‘die Kirche’ erst entstand mit Tod und Auferweckung Jesu.Footnote 11 Und auch der Epheserbrief legt eine solche Vorstellung nahe. Er spricht in 2.14–16 davon, dass Christus durch seinen Tod die Feindschaft zwischen Nichtjuden und Juden beseitigte und ‘die zwei erschuf zu einem neuen Menschen’ (2.15).Footnote 12

Was also versteht der Epheserbrief unter der ‘Kirche’? Diese Frage hat einige kontroverstheologische Brisanz, wie nicht nur die Biographie Schliers zeigt, der seine Konversion zum Katholizismus auch mit einer ekklesiologischen Interpretation des Epheserbriefes begründete.Footnote 13 Die Auffassung der Kirche im Epheserbrief ist bis heute umstritten.Footnote 14 Die Frage gilt besonders dem Verhältnis von Christologie und Soteriologie zur Ekklesiologie. Paulus entwickelte in den Homologumena nach allgemeinem Konsens die Ekklesiologie von der Christologie her. Wird nun im Epheserbrief in einer ‘kopernikanischen Wende ... die Kirche zum Ausgangspunkt, um das Christusereignis von ihr her zu interpretieren’Footnote 15? Die Kirche ist dann keine rein empirische Größe,Footnote 16 ja sie hat gar soteriologische Qualität: ‘Heil gibt es für den einzelnen nur durch die Kirche, die seine (sc. Christi) primäre Gründung ist’.Footnote 17 So könnte auch die präsentische Eschatologie des Epheserbriefes zu deuten sein als ‘Ontologie einer zeitlosen Kirche’.Footnote 18 Manch einer, dem dieser ‘ekklesiale Pantheismus’ nicht passt, sieht seine Rettung in Sachkritik.Footnote 19 Andere allerdings deuten die Soteriologie des Epheserbriefs in der Tradition des Paulus christozentrisch und damit auch die Kirche als Christus soteriologisch nachgeordnet.Footnote 20

Nur nebenbei kann erwähnt werden, dass diese Diskussion verbunden ist mit der über die religionsgeschichtlichen Vorgaben des Briefes.Footnote 21 Wer etwa wie Schlier eine gnostische Weltdeutung mit mythischen Spekulationen im Brief findet, dem steht die Kirche als eine ‘himmlische Syzygie’ des Erlösers vor Augen.Footnote 22 Doch auch da, wo das gnostische Paradigma verabschiedet ist und man davon ausgeht, dass der Epheserbrief nicht von Paulus verfasst wurde—beide Prämissen teile ich hierFootnote 23 –, bleibt das ekklesiologische Konzept des Epheserbriefs umstritten.

Jede Deutung findet ihre Textbelege. Wie kann die Diskussion vorankommen? Zwei unbedachte Vorgaben sind m.E. zu vermeiden.

  1. (1) Die Übersetzungen und Auslegungen sprechen immer von der ‘Kirche, church, église, kerk’ und meinen damit meist die ‘Universalkirche’ oder ‘Gesamtkirche’. Nie wird jedoch gesagt, was das sein soll, wohl in der Annahme, dass damit ja nur die Quellensprache wiedergegeben werde. Doch woher sollte eine derartige Vorstellung zu Zeiten des Epheserbriefs bei den Hörenden entstehen? Sie verbanden mit ἐκκλησία zunächst den sinnfälligen Gedanken an die Versammlung vor Ort. Das Konzept einer ‘Universalkirche’ hingegen wird für sie ohne jede Anschauung gewesen sein. Schon aus den wenigen erhaltenen Schriften jener Zeit gegen Ende des 1. Jh. können wir entnehmen, dass das Christentum theologisch wie organisatorisch plural war. Es gab konkurrierende Gruppierungen von Christusgläubigen, gerade auch in der Asia.Footnote 24 Woran sollten die Empfänger des Briefes bei ἐκκλησία denken? Die Begriffsverwendung ist also zu prüfen.

  2. (2) Für die Rekonstruktion der Ekklesiologie sollten nur die Aussagen herangezogen werden, die von einem Kollektiv sprechen, nicht von Einzelnen. Vor allem Eph 2.5–6 kann nicht als Beleg gelten, dass die Kirche eine ‘himmlische Größe’ sei zwischen Christus und Glaubenden, als sei hier von der ‘Aufnahme in die Kirchengemeinschaft’ die Rede.Footnote 25 2.1–10 spricht nicht von ἐκκλησία, sondern von der Errettung der einzelnen Menschen. Die dort verwendete Metaphorik von Tod und Leben bildet das individuelle Ergehen ab.Footnote 26

Ich beginne daher die Überlegungen zur Ekklesiologie des Epheserbriefs mit semantischen Beobachtungen zum Begriff ἐκκλησία (2.). Sie führen zur Erklärung der ‘alten Braut’ aus Eph 5 (3.). Deutlich wird weiter, dass die Leib-Metaphorik das zentrale Medium des ekklesiologischen Diskurses ist (4.). Die abschließend (5.) im Blick auf die Pragmatik des Briefes ausgewertete These des Aufsatzes ist, dass der Epheserbrief sprachlich und damit auch konzeptuell noch keinen prägnanten Begriff von ‘Kirche’ voraussetzt. ‘Die Kirche’ ist also keine den einzelnen Glaubenden gegenüberstehende Größe, schon gar nicht mit soteriologischer Qualität. Doch auch ohne Kirchenbegriff entwickelt der Brief eine Ekklesiologie, einen Sinn für die Gemeinschaft der Glaubenden. Es geht aber nicht um eine ‘Lehre von der Kirche’, sondern um Paränese: Der Brief will die Idee, dass die Glaubenden jenseits der Pluralität von einzelnen Gemeinschaften zusammengehören, metaphorisch entwerfen und begründen.

2. Was bedeutet ἐκκλησία? Zu Semantik und Gebrauch des Begriffs

2.1. Zur Semantik von ἐκκλησία im paulinischen Schrifttum

Auch wenn über die Herkunft und Semantik der frühchristlichen Redeweise von ἐκκλησία (τοῦ θεοῦ) gestritten wird,Footnote 27 gilt als sicher, dass wir in der paulinischen Literatur eine Entwicklung beobachten können von der ‘Ortsgemeinde’ zur ‘Kirche’: Paulus selbst bezeichnet mit ἐκκλησία vornehmlich ‘Ortsgemeinden’, gottesdienstliche VersammlungenFootnote 28 vor Ort oder im Haus.Footnote 29 Und auch in neben- oder nachpaulinischen Corpora hält sich dieser Sprachgebrauch.Footnote 30 Er ist vom profanen Sprachgebrauch her verständlich, von ἐκκλησία als Bezeichnung einer ‘Versammlung’.Footnote 31 So wird ἐκκλησία auch in jüdisch-hellenistischen Schriften und in der Septuaginta verwendet.Footnote 32 Zwar nennt Paulus zuweilen die nicht nur aktuell Versammelten ἐκκλησίαFootnote 33 aber auch dies ist als Metonymie aus der Bedeutung ‘Versammlung’ herzuleiten.Footnote 34

Anders ist dies nach allgemeiner Überzeugung jedoch im Kolosser- und Epheserbrief.Footnote 35 Im Kolosserbrief sei zum Teil (1.18, 24), im Epheserbrief dann durchgängig mit ἐκκλησία die ‘universale Kirche’ gemeint.Footnote 36 Im Deutschen hat sich etabliert, die Alternative durch die Übersetzung von einerseits ‘Gemeinde’, andererseits ‘Kirche’ wiederzugeben.Footnote 37 Vergleichbares geschieht in anderen Übersetzungssprachen (vgl. congregation vs. church; paroisse vs. église; parochie resp. gemeente vs. kerk). Doch diese Übersetzung ist auf problematische Weise implikationsreich. Denn die einfache Alternative von ‘Gemeinde’ versus ‘Kirche’ achtet nur auf die Begriffsextension, den Begriffsumfang. Zwar ist es sinnvoll zu unterscheiden zwischen der Referenz von ἐκκλησία einerseits auf die Versammlung an einem Ort, andererseits auf Christusglaubende, die sich nicht an nur einem Ort versammeln und dennoch als Gruppe erfasst werden sollen. Doch mit der Übersetzung ‘Kirche’ (und ‘church’, ‘église’, ‘kerk’) wird zugleich ein Sinn, eine Intension transportiert. Das Wort bezeichnet in allen Übersetzungssprachen eine Institution und Organisation und auch das Kirchgebäude. So bietet es die Möglichkeit, eine den einzelnen Menschen gegenüberstehende Größe zu bezeichnen. Verdrängt aber wird die Intension des griechischen Wortes, vor allem der Aspekt der ‘Versammlung’ von einzelnen Menschen. Unreflektiert folgen dieser Übersetzung Metaphern, die dem Epheserbrief fremd sind, vor allem das räumliche Bild von der Kirche als ‘Heilsbereich’, in den man ‘eintreten’ kann.Footnote 38 Der Epheserbrief selbst verwendet solche räumlichen Vorstellungen gar nicht.Footnote 39 Die Übersetzungen wirken also als petitio principii.

Um dieser Falle auszuweichen, werde ich im Folgenden nicht von ‘Kirche’ reden, sondern von ἐκκλησία und die Semantik des Wortes im Epheserbrief zunächst prüfen. ἐκκλησία wird abgesehen von 5.22–33 nur noch dreimal verwendet (1.22; 3.10; 3.21). Das ist auffallend wenig für eine Schrift, die von ‘der Kirche’ handeln soll. 1.22 bereitet terminologisch und metaphorisch 5.22–33 vor, bildet also eine gewisse Inklusion. Ich beginne mit 3.21, weil hier deutlich wird, dass ἐκκλησία noch immer den Aspekt der Versammlung denotiert.

2.2. Gott loben in der Versammlung (3.21)

Die Doxologie 3.20–21 schließt am Ende des ersten Briefteils Kap.1–3 den Bogen zur Eingangseulogie 1.3–14.Footnote 40 Gott sei Lob ἐν τῇ ἐκκλησίᾳ καὶ ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ εἰς πάσας τὰς γενεὰς τοῦ αἰῶνος τῶν αἰώνων. Anders als manche Auslegungen notieren,Footnote 41 ist die Formulierung αὐτῷ ἡ δόξα ἐν τῇ ἐκκλησίᾳ leicht verständlich, wenn wir hier die Bedeutung ‘Versammlung’ unterstellen: Eine wesentliche Aufgabe der Versammlungen war seit hellenistischer Zeit, das Lob auszusprechen, etwa für den Monarchen oder Wohltäter.Footnote 42 Nicht nur jüdische Texte spiegeln dies wider,Footnote 43 sondern auch die Septuaginta-Übersetzung des Psalters spricht analog vom Lob Gottes in der ἐκκλησία.Footnote 44

Allerdings überrascht die Parallelität von ἐν τῇ ἐκκλησίᾳ und ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ in V.21. Doch καί lässt sich explikativ deuten, so dass ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ die Versammlung spezifiziert: Gott ‘sei Ehre in der Versammlung, und zwar derjenigen in Christus Jesus’.

ἐκκλησία bezeichnet dann einfach die Glaubenden, die sich im christlichen Gottesdienst versammeln. Bestätigt wird dieses Verständnis durch die Eulogie. Dreifach spricht sie davon, dass die Menschen zum Lobe Gottes da sind (1.6, 12, 14). Dieses Lob wird nun in der Doxologie ausgesprochen.

An den Gottesdienst nur einer ‘Ortsgemeinde’ zu denken, ist durch die der DoxologieFootnote 45 formgemäß zugehörende Ewigkeitsformel ausgeschlossen. Doch wird damit nicht eine metaphysische, transzendente Größe heraufbeschworen. Vielmehr weist πᾶσαι γενεαί auf die unendliche Abfolge der Generationen von Menschen:Footnote 46 Es sind die Menschen aller Orte und Zeiten, die sich im Glauben an Christus versammeln und Gott loben, nicht zuletzt in ihren Gottesdiensten (vgl. 5.19).

2.3. Die ἐκκλησία als Medium der Einsicht in Gottes Schöpfung (3.10)

In 3.1–13 stellt der fiktive Autor Paulus mittels einer Verdopplung des ‘Revelationsschemas’ seine Rolle im Heilsgeschehen dar. Was bei Gott in Christus vor aller Zeit beschlossen war (V.11), wurde Paulus (V.3) bzw. Gottes ‘heiligen Aposteln und Prophetinnen durch den Geist’ offenbart (V.5). Paulus selbst hat das Mysterium verkündet, dass die Völker Miterben, Mit-Leib, Mitteilhaber sind (3.6). Ihm wurde die Gnade zuteil, den Völkern den Reichtum Christi zu offenbaren und das lange verborgene Geheimnis ans Licht zu bringen (V.8–9). Das Ziel nennt V.10–11: ἵνα γνωρισθῇ νῦν ταῖς ἀρχαῖς καὶ ταῖς ἐξουσίαις ἐν τοῖς ἐπουρανίοις διὰ τῆς ἐκκλησίας ἡ πολυποίκιλος σοϕία τοῦ θεοῦ, κατὰ πρόθεσιν τῶν αἰώνων …

Der Formulierung in V.10 folgen wiederum spekulative Deutungen der ‘Kirche’: Ist sie Offenbarungsmittlerin,Footnote 47 hat sie eine besondere Verkündigungsaufgabe gegenüber den Mächten,Footnote 48 oder ist sie gar Teil des Mysteriums selbstFootnote 49? Von alledem ist nicht die Rede. Denn der Text unterscheidet syntaktisch, semantisch und zeitlich fein: Paulus und die Apostel und Propheten sind Offenbarungsempfänger.Footnote 50 Paulus hat die Aufgabe, die Völker zu evangelisieren und das Geheimnis ans Licht zu bringen, das einst verborgen war (3.8–9). Den Mächten wird hingegen erst ‘jetzt’ (νῦν),Footnote 51 in Folge dessen, die ‘sehr bunte Weisheit’ kund διὰ τῆς ἐκκλησίας. Die ἐκκλησία ist also nicht Subjekt einer Offenbarung, sondern nur das Medium, das Instrument einer Kundgabe.Footnote 52

Der Ausdruck ἡ πολυποίκιλος σοϕία (V.10b) ist in weisheitlicher Tradition zu verstehen als Hinweis auf Gottes Schöpfung: Gottes Weisheit zeigt sich in der Fülle der Schöpfung, die im positiven Sinne bunt, mannigfaltig ist.Footnote 53 Den Mächten und Gewalten war das nicht bekannt. Sie sind tendenziell gottfeindlich (vgl. 6.12).Footnote 54 ‘In den Überhimmeln’ (ἐν τοῖς ἐπουρανίοις) spricht also nicht von ihrer Zugehörigkeit zur göttlichen Welt, sondern dient der Abstraktion von konkreten Mächten, ist Ausdruck für Überzeitlichkeit.Footnote 55

Wie aber können diese Mächte an der ἐκκλησία nun Gottes Schöpfungsplan erkennen? Einsicht in eine transzendent himmlische Größe wäre solchen Mächten kaum zugänglich. Aber dass sich nun, nach der Evangelisierung der Völker, jüdische und nichtjüdische Menschen im Christusglauben in der ἐκκλησία versammeln, das ist auch den Nichtglaubenden sichtbar. Niels Dahl sagt es pointiert: ‘Nicht nur für die Erben der Verheißung, sondern für die gesamte, bunte Menschenwelt ist die Gnade Gottes in Christus da. Darin zeigt sich die mannigfaltige Weisheit Gottes’.Footnote 56

2.4. Christus als Haupt, die ἐκκλησία als Leib (1.22–23)Footnote 57

Die Verse bilden den Übergang von der Fürbitte als Schluss der Danksagung 1.15–23 und der ‘Narratio’ 2.1–10.11–22. Für das Verständnis der Ekklesiologie sind sie zentral. Von ἐκκλησία wird hier zum ersten Mal überhaupt gesprochen, und sogleich wird sie mit der Haupt-Leib-Metaphorik und mit einer mehrdeutigen Pleroma-Aussage qualifiziert. In der Sicht vieler Ausleger wird bereits in diesen Sätzen gesagt, dass die Kirche Christi Herrschaft in der Welt durchsetzt und sich in der Welt ausbreitet.Footnote 58

Wichtig ist daher zunächst, die Funktion der Sätze im Kontext festzuhalten: Sie begründen die Fürbitte (V.17–20) um die Einsicht der Adressierten; diese mögen Gottes Wirkmächtigkeit an ‘uns, den Glaubenden’ erkennen (V.19). Denn die ἐνέργεια Gottes zeigt sich daran, dass Gott Christus erweckt und zu seiner Rechten eingesetzt hat (V.20). Damit ist er allen Mächten übergeordnet (V.21). Hier schließen die Aussagen über die ἐκκλησία an. Sie erläutern also weiterhin Gottes Heilshandeln an den Glaubenden.

Mehrere Aussagen sind in V.20–23 zu unterscheiden. Zunächst heißt es, Gott habe den auferweckten Christus in die Herrschaftsposition eingesetzt (V.20). Dies wird in V.21.22a in räumlicher Metaphorik mit Psalmensprache dargestellt: Er ist über allen Mächten, und alles ist unter seine Füße gelegt.Footnote 59 Mit der Rede von den Füßen Christi wird eine körperliche Vorstellung evoziert: Im Bild ist Christus als ganzer Mensch in königlicher Herrschaftsposition.Footnote 60 Zwar wird die ‘Körpersprache’ auch weitergeführt in V.22b.23—jedoch ist nun Christus ‘Haupt’ der ἐκκλησία als seines ‘Leibes’. Er ist also nicht mehr als ganzer Mensch ansichtig, sondern in leiblicher Einheit mit der ἐκκλησία. Folgen wir V.22a, müsste die ἐκκλησία eigentlich unter den Füßen Christi liegen, da sie doch Teil von allem (πάντα) ist. In V.23 ist sie nun selbst Leib, zu dem doch auch die Füße gehören. Kurz: Die Bilder passen nicht zusammen. Es liegen vielmehr zwei verschiedene Metaphern vor, die je eigene Bedeutung haben und nicht zu einem Bild zu fusionieren sind. Der Text bestimmt nicht das Verhältnis zwischen dem, was unter Christi Füßen liegt, und dem Leib. Das heißt: Er spricht nicht von der Rolle der Kirche, gar ihrer Herrschaft in der Welt.Footnote 61

Der Text spricht auch nicht davon, dass Christus sowohl Haupt des Alls wie der Kirche ist. Er wird zwar meist so verstanden, und tatsächlich liegt der Gedanke, dass Christus Haupt des Alls ist, im Kontext (und von ἀνακεϕαλαιώσασθαι in 1.10 her) nahe. Doch κεϕαλὴ ὑπὲρ πάντα (V.22) heißt nicht ‘Haupt über alles’.Footnote 62 ὑπέρ c. Acc. hat nicht lokale, sondern komparativische Bedeutung,Footnote 63 so dass zu übersetzen ist: ‘Er schenkte ihn als Haupt mehr als allem der ἐκκλησία’, oder ‘er gab ihn als alles überragendes Haupt der ἐκκλησία’. Der wesentliche Gehalt des Satzes ist also: Gott hat Christus der ἐκκλησία als Haupt geschenkt.Footnote 64 Damit ist diese und nicht der Rest des Alls sein Leib.

Was die ἐκκλησία ist, wird nicht erklärt, aber sie wird qualifiziert durch die Prädizierung als σῶμα des Hauptes Christus. Die Metapher verdeutlicht die enge Verbindung von Christus und ἐκκλησία, die Gott gewirkt hat. So wie ein Mensch nur einen Leib hat, so ist in der Metapher impliziert und durch die Determination τὸ σῶμα signalisiert, dass die ἐκκλησία in exklusiver Beziehung zu Christus steht. Damit präzisiert Eph 1 gewissermaßen 1 Kor 12 und macht klar: Eine Ortsgemeinde allein ist nicht der Leib Christi.

Es scheint, dass die ἐκκλησία so wie πάντα und die Mächte und Gewalten bereits vorhanden ist; von einer Erschaffung der ‘Kirche’ durch Christus ist jedenfalls nicht die Rede. Wir können ἐκκλησία daher weiterhin am besten verstehen als ‘komprehensive Sammelbezeichnung’Footnote 65 von Menschen, die schon waren, bevor Gott ihnen Christus als Haupt gab und sie so zum Leib Christi und zu einer besonderen Versammlung machte.

Der ‘Leib’ wird weiter qualifiziert durch die Schlussapposition V.23b τὸ πλήρωμα τοῦ τὰ πάντα ἐν πᾶσιν πληρουμένου. Aus der Leib-Metapher wird die Vorstellung vom ‘Leib’ als Gefäß für die Fülle entwickelt.Footnote 66 Die rhetorisch effektvolle Formulierung (Alliteration und Paronomasie) betont diese Fülle, geht aber auf Kosten der inhaltlichen EindeutigkeitFootnote 67 und gibt wiederum Anlass für hoch greifende ekklesiologische Spekulationen über das Verhältnis von Kirche und Welt: Ist die Kirche der Raum in der Welt, ‘in dem Christi Segenskräfte wirksam und mächtig werden’?Footnote 68 Das ist der Aussage m.E. nicht zu entnehmen, wie zumindest kurz zu begründen ist. Ausgangspunkt ist die morphologische und syntaktische Parallelität,Footnote 69 die nahe legt, dass πλήρωμα als Apposition σῶμα erläutert und die Partizipialphrase entsprechend (als gen. subjectivus) Christus. πλήρωμα ist angesichts der Parallelität zu V.23a am besten passivisch zu verstehen als das ‘Erfüllte’.Footnote 70 Die Apposition besagt so: Die ἐκκλησία ist als Leib Christi erfüllt von ihm, Christus; von diesem wird—je nach Deutung—gesagt, dass er selbst gänzlich erfüllt wird, nämlich von Gott, oder alles in allem erfüllt.Footnote 71 Die Haupt-Leib-Metapher stellt also die einzigartige Beziehung von Christus und ἐκκλησία dar. Sie und nicht das All ist das σῶμα des Christus, steht also in besonderer Beziehung zu ihm und ist seine Fülle.

Damit wird meines Erachtens aber nichts anderes gesagt, als dass die Glaubenden erfüllt sind. Denn so erbittet auch 3.19 die Fülle Gottes für die einzelnen Glaubenden. Die weitergehende Deutung, dass die Kirche der Ort der Präsenz Christi in der Welt seiFootnote 72 oder gar Christi Weltherrschaft durchsetzen solle, geht über das Gesagte hinaus und vermengt die Metaphern, die zu trennen sind: Die Raum-Metaphorik (oben, unter den Füßen) beschreibt die Herrschaft Christi über die Welt, die Haupt-Leib-Metapher die hierarchische Verbundenheit von Christus und der ἐκκλησία.

2.5. Die Braut Christi (5.22–33)

Kehren wir zurück zu dem Text, der das Nachdenken über den Kirchenbegriff auslöste. Er nimmt die Metapher der ἐκκλησία als Leib des Hauptes Christi aus 1.22–23 wieder auf. Diese Beziehung wird nun zum Vorbild der ehelichen Hierarchie. Der Analogie zur Ehe entspringt eine feminine Personifikation der ἐκκλησία, welche die auch aus dem Alten Testament geläufige Gepflogenheit aufnimmt, Menschengruppen oder Völker in Frauengestalten zu symbolisierenFootnote 73 und speziell die Metapher von Israel als JHWHs Ehefrau.Footnote 74 Allerdings ist die Personifikation hier nicht entfaltet: ἐκκλησία wird gar nicht als ‘Braut’ oder ‘Ehefrau’, sondern nur als σῶμα prädiziert;Footnote 75 sie wird kaum handelndes Subjekt, sondern bleibt Objekt.Footnote 76 Der ἐκκλησία bleibt wie der Ehefrau nichts zu tun, als sich unterzuordnen und lieben zu lassen.

Verstehen wir ἐκκλησία daher weiterhin als Sammelbezeichnung für die Glaubenden—so wie in der alttestamentlichen Ehe-Metaphorik die Ehefrau für das geschichtliche Israel steht—, lost sich die eingangs skizzierte Irritation über die ‘alte Braut’. Christus hat sich hingegeben für die, die wann auch immer glauben, und sie durch seine Selbsthingabe gereinigtFootnote 77 und damit geheiligt. Die Rede von der Hingabe für die ἐκκλησία beschreibt die Wirkung des Todes Jesu zeitübergreifend. Gemeint ist aber nicht mehr als die Rettung der Menschen, die sich wann und wo auch immer zur Versammlung zählen, also der Glaubenden.

Für diese Deutung sprechen mehrere Argumente,Footnote 78 vor allem, dass in V.29–30 die Individuen als Glieder ausdrücklich erwähnt werden in auffallender Brechung der kollektiven Metapher, und die Parallelität von 5.2 und 5.25 (s. Tabelle unten).

In Eph 5.22–33 liegt folglich keine neuartige ‘Lehre von der Kirche’ vor, sondern in 5.25–27 eine neue Metapher davon, dass Jesus sich aus Liebe selbst hingab und so die Glaubenden rettete. Plausibiliert wird diese These, wenn wir begründen können, warum Eph 5.22–33 nicht von den Einzelnen spricht, nicht von ‘uns’ wie in 5.2, sondern von der ἐκκλησία, dem σῶμα des Hauptes Christus. Bevor ich darauf eingehe, sei das Ergebnis der semantischen Untersuchungen bekräftigt.

2.6. Zwischenresümee: ἐκκλησία als Versammlung der Glaubenden

Die Rede von ἐκκλησία verweist im Epheserbrief noch nicht auf eine als bekannt geltende Größe, ‘die Gesamtkirche’ im Unterschied zur Ortsgemeinde. Das Wort bezeichnet zwar nicht die Ortsgemeinde, aber auch nicht—sicut tertium non daretur—die ‘Universalkirche’. Es referiert vielmehr auf die Versammlung der Glaubenden an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten. Die ἐκκλησία scheint schon vor Christus zu bestehen. Das passt auf die Versammlung von Menschen, die vor ihrer Rettung bereits durch Christus lebten. Nicht ausgeschlossen ist auch der Gedanke an die ἐκκλησία Israels. Das bleibt im Vagen. Wichtig ist vielmehr, dass Gott die ἐκκλησία zum σῶμα Christi macht, indem er ihr Christus als Haupt gibt. Diese Haupt-Leib-Metapher arbeitet die exklusive Bindung der ἐκκλησία an Christus heraus (1.22; 5.23).

‘Einzigkeit' verbindet sich mit σῶμα, nicht mit ἐκκλησία (ἓν σῶμα, 4.4; vgl. πᾶν σῶμα 4.16). Der ἐκκλησία hingegen wird eine gewisse ‘Evidenz’, eine Vorfindlichkeit unterstellt (3.10). Das Kollektiv bleibt dabei unterbestimmt. Weder ἐκκλησία noch σῶμα werden als geschichtlich handelndes Subjekt konzipiert. Bemerkenswert ist besonders die Beobachtung, dass die Gemeinschaft nirgends den einzelnen Glaubenden gegenübergestellt wird.

Die folgende Tabelle bekräftigt diese These, denn sie zeigt, dass alle Aussagen über ἐκκλησία variiert auch über die einzelnen Glaubenden bzw. Erwählten, über ‘uns’ oder ‘euch’, gemacht werden:

Tabelle 1.

3. Die Liebe in der Zeit, die bleibt: Eph 5.22–33 als Reaktion auf 1 Kor 7

Warum spricht Eph 5.25–27 nicht von den Einzelnen, von ‘uns’, wie 5.2, sondern von der ἐκκλησία, dem σῶμα? Weil es hier um die Verbindung von Menschen innerhalb der ἐκκλησία geht, nämlich um Ehepaare—mit dieser Annahme wird der Text innerhalb der paulinischen Literatur plausibel und pointiert erklärbar. Die Passage 5.22–23 ist dann sinnvoll an ihrem Ort, als Eingang der ‘Haustafel’, um in fiktiver Selbstreferenz Paulus mit ‘Paulus’ zu korrigieren und die Ehe als Lebensform der Christusglaubenden theologisch gegen eine asketische Paulustradition zu begründen.Footnote 79

Diese Textstrategie wird sichtbar durch eine Analyse der Argumentation im Vergleich mit Äußerungen des 1. Korintherbriefs.Footnote 80 Argumentiert wird nur kurz für die Unterordnung der Frau unter den Mann (5.22–24). Sie soll den Hörerinnen und Lesern vermutlich aus 1 Kor 11.3 geläufig sein. Aufwändig begründet wird hingegen die Forderung, dass der Mann seine Frau lieben soll. Dies gilt also nicht als selbstverständlich. Dreimal wird die Forderung wiederholt (V.25, 28, 33) und durch zwei Argumentationen gestützt. Diese verweisen jeweils auf Christi Verhalten zur ἐκκλησία: Erstens V.25–27, die uns bereits beschäftigt haben, und zweitens V.28–32.

Schauen wir zunächst auf diesen zweiten Argumentationsstrang. V.28 ist eine These zur Begründung, warum der Ehemann seine Frau lieben sollte. Sie ist sein eigener Leib, und insofern liebt, wer seine Frau liebt, eigentlich sich selbst—das Argument soll Männer offenbar motivieren. Diese These, dass die Ehefrau als Leib ihres Mannes zu verstehen ist, wird ihrerseits begründet durch das Schriftzitat aus Gen 2.24 (V.31). Christus ist Vorbild dafür, wie ein Mann seine Frau als seinen Leib lieben soll: So wie Christus die ἐκκλησία als seinen Leib ‘nährt und hegt’ (5.29). Die Metapher von der ἐκκλησία als Leib Christi wird also nun als Argument ‘ausgebeutet’. Sie steht wie in 1.22–23 für die unlösliche und hierarchische Zusammengehörigkeit von Christus und seinem σῶμα (bzw. hier synonym seiner σάρξ). Dies wird eigens aus der christologischen Deutung von Gen 2.24 hergeleitet (V.31–32): Dieses ‘große Geheimnis’ sei auf Christus und die ἐκκλησία zu beziehen. Sie werden also zu einem einzigen Fleisch.

Eine solch ‘intime’ Beziehung von Christus und ἐκκλησία ist aber nur unanstößig, wenn wir uns die ἐκκλησία als gereinigte und damit ‘heilige und fehlerlose’ (ἁγία καὶ ἄμωμος), also gewissermaßen als ‘jungfräuliche Braut’ vorstellen.Footnote 81 Eben dies aber begründet das erste Argument, V.25–27, wenn wir es ontologisch, nicht nur analogisch verstehen: Christus hat durch seine Selbsthingabe die ἐκκλησία für sich selbst in den Zustand der Reinheit und Heiligkeit versetzt, der diese Vereinigung von Christus und ἐκκλησία möglich macht (V.31).Footnote 82

Bei Reinheit und Heiligkeit der ἐκκλησία geht es aber um nichts anderes als um die Reinheit und Heiligkeit der dort versammelten Menschen, und zwar, um die Ehe zu begründen. Dass die Legitimität der Ehe in Eph 5.22–33 nicht einfach als selbstverständlich gilt, sondern Ziel der Argumentation ist, zeigt sich, wenn wir den Text als Reaktion auf 1 Kor 7 lesen. Dort hatte Paulus gesagt, dass die Ehe nur die zweitbeste Lebensform ist für die, die ‘brennen’ (1 Kor 7.9), in der kurzen Zeit, die bleibt (7.29). Der Nachteil der Ehe liegt für Paulus in der Zerrissenheit, der fehlenden Aufmerksamkeit für Christus (7.32–35). Weil der verheiratete Mensch zwischen Christusbeziehung und Ehepartner gespalten ist, sei Ehefreiheit die bessere Möglichkeit. Eph 5 aber korrigiert dies, denn für die Ehepartner als Glieder des von Christus geretteten Leibes (5.23, 29) ist beides möglich, Eheleben und Reinheit und Heiligkeit in Unterordnung unter Christus.

Durch die doppelt verwendete Haupt-Leib-Metaphorik in Eph 5.22-33 kann der Brief die Konkurrenz, die nach 1 Kor 7.32-35 besteht zwischen der Hingabe an Christus einerseits, den Partner andererseits, auflösen. Denn was sich nach 1 Kor 7 als exklusive Alternative darstellt, ist nach dem hierarchischen Konzept von Eph 5 gleichzeitig möglich: Wer in einer patriarchalen Ehe lebt, kann seine Rolle als Haupt (Ehemann) bzw. Leib (Ehefrau) innerhalb seiner Ehe einnehmen und sich unbenommen dessen zugleich als Teil der ἐκκλησία als Glied am Leib, dem Christus als seinem Haupt unterordnen.

So erklärt sich die Veränderung von Eph 5 gegenüber 1 Kor 11.3, nämlich dass Christus Haupt der ἐκκλησία ist, während doch nach 1 Kor 11.3 Christus Haupt nur des Mannes ist. Und wir verstehen, warum die Soteriologie hier nicht individuell (wie in Eph 5.2 oder 2.5–6), sondern kollektiv formuliert ist: Der Epheserbrief will zeigen, dass Mann und Frau zugleich zueinander wie zu Christus in exklusiver Beziehung stehen können. Darum können sie als Teil der ἐκκλησία ihrer geschlechtsspezifischen Ehepflicht gerecht werden und dennoch in aller Reinheit die adäquate Christusbeziehung leben. In erster Linie an Männer richtet sich der Appell, sich der liebenden Fürsorge für ihre ihnen untertane Ehefrau nicht zu entziehen Der Grund liegt in dem ontologischen, d.h. soteriologischen Argument 5.25–27: Mann und Frau sind als Teil der ἐκκλησία durch Christi Selbsthingabe heilig und fehlerlos; sie sind gerettet (5.23c), da er sich ihnen zuwendet als Gliedern seines Leibes (5.30).

Eph 5.22–33 ist also ein paränetischer Text über die Ehe, nicht eine ‘Lehre von der Kirche’. Er korrigiert auf subtile Weise die Eheauffassung des 1. Korintherbriefes, nämlich die aus der Naherwartung folgende Relativierung der Ehe und Sexualität. Er widerspricht auch der Aussage, dass die Mischehe zur ‘Rettung’ des ungläubigen Partners werden könne (1 Kor 7.16),Footnote 83 und auch paritätische Ehevorstellungen, wie sie in 1 Kor 7 zum Ausdruck kommen und auch in der Fluchtlinie von Gal 3.28 liegen, werden ausgeblendet.Footnote 84

Wir dürfen dieserart Eheideale hier ignorieren, da das Augenmerk der Ekklesiologie gilt. Die Haupt-Leib-Metaphorik dient zur Beschreibung der soteriologischen Wirkung des Todes Jesu. Das erinnert an die partizipative Soteriologie von Gal 2.20 oder Eph 2.4–8. Aber in Eph 5 wird der einzelne Mensch dem Ganzen zugeordnet, die Soteriologie kollektiv ausgedrückt. Das ist neu gegenüber den Homologumena. Und dennoch: Das Argument von der durch Christi Tod erwirkten Reinheit charakterisiert nicht die Kirche als ‘Heilsraum’, den man zur Rettung ‘betreten’ müsste. Es begründet vielmehr die Reinheit und Heiligkeit derer, die sich als ἐκκλησία versammeln. Die ἐκκλησία ist nicht heilsvermittelnde Instanz zwischen Glaubenden und Christus, sondern nichts anderes als die Glaubenden selbst.

4. Ein Leib, der Mit-Leib, und die Glieder: Die Leib-Metaphorik als Integral

Bleibt ἐκκλησία also semantisch blass, so ist die Leib-Metaphorik zentrales Mittel zur Entfaltung der Ekklesiologie.Footnote 85 Das Wort σῶμα fällt im Epheserbrief einschließlich des Neologismus σύσσωμα (3.6)Footnote 86 zehn Mal. Mit—gemessen an der filigranen Diskussion der ExegeseFootnote 87—groben Strichen sei der Beitrag dieser Begriffsverwendung skizziert, um ein Doppeltes zu zeigen: Das Leibmotiv wird einerseits sehr divergent verwendet. Andererseits wird durch den Gebrauch die bekannte Metaphorik vitalisiert. Sie erhält dadurch die Funktion, verschiedene Aspekte der Ekklesiologie zu integrieren, ohne diese begrifflich-systematisch in ein Verhältnis zu setzen.

Bereits die Divergenz ist Folge eines Integrationsprozesses. Auch wenn die Metaphern insgesamt dem großen Pool der politischen Leib-Metaphorik entspringen,Footnote 88 ist die Verwendung im Epheserbrief selbst durch verschiedene Traditionen bestimmt. Aus 1 Kor 12 und Röm 12 stammt das Motiv von der Einheit des Leibes und die ‘horizontale’ Dialektik von Leib und Gliedern (Eph 4.25; 5.30). Dem Kolosserbrief verdankt sich die ‘vertikale’ Kombination der Haupt- und Leib-Metapher (Kol 1.18; 2.19). Horizontale und vertikale Leib-Metapher sind (im Gefolge von Kol 2.19) in 4.15–16 verbunden zu einem Bild von der Vitalität des Organismus: Der Leib wächst auf Christus hin und erhält von diesem her seine innere Verbindung und Versorgung ‘nach der Kraft, die jedem Teil zugemessen ist—der Leib vollzieht sein Wachstum zu seiner Erbauung in Liebe’ (4.16).Footnote 89 Die Reifung manifestiert sich in ‘Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes’ (4.13). Die Appelle richten sich aber nicht an ein abstraktes Ganzes, sondern an den einzelnen Menschen (4.16). Entworfen wird hier wie eingangs der Paränese in 4.1–4 nicht das Ethos einer Universalkirche, denn ‘“Liebe” und “Gemeinschaft” der Gemeindeglieder untereinander gibt es in dem vollen und konkreten Sinn, den diese Worte im Neuen Testament haben, nur mit den konkreten Menschen “vor Ort”’.Footnote 90

Neu ist hingegen die Verwendung des Leibmotivs, um die Zusammengehörigkeit der beiden ehedem Getrennten, der Völker und Israels zu beschreiben (2.14–16): Der Frieden, den Christus bringt, hatte das Ziel, ‘die beiden’ zu versöhnen mit Gott ‘in einem einzigen Leib’ (ἐν ἑνὶ σώματι) durch das Kreuz (2.16).Footnote 91 Hier stehen dem einen Leib nicht viele Individuen gegenüber, sondern οἱ ἀμϕότεροι, die beiden Gruppen, in die die Menschheit nach 2.11–12 entzweit ist. Die Pointe liegt im Kontrast von der negativ bewerteten Zweiheit zu dem einen einzigen Neuen,Footnote 92 das nur metaphorisch ins Wort gebracht werden kann: als neu erschaffener Mensch, ἐν ἑνὶ σώματι (2.15–16). Dieser Gedanke wird hervorgehoben durch die ungewöhnliche Formulierung, dass die Völker ‘Mit-Leib’ (σύσσωμα) sind, als Mitteilhaber an Israels Verheißung (3.6).

Diese kurzen Hinweise mögen genügen, um zu zeigen: Auch diese Bilder passen nicht zusammen. Man kann nicht gleichzeitig den Leib als Organon aus Gliedern und aus zwei Völkern darstellen, unter einem Haupt, dabei wachsend auf das Haupt hin—ohne inhaltliche Verluste zu erleiden. Das Bild ist auch nicht zu retten, indem wir eine kosmische Größe wie den ‘Makroanthropos’ unterlegen.Footnote 93 Vielmehr sind die Aussagen als verschiedene Metaphern zu lesen. Das impliziert zwei Forderungen: Sie sind je für sich zu interpretieren, und dies als Metaphern. Gern werden die Metaphern aufgelöst als Aussagen über ‘die Kirche’.Footnote 94 Doch die Sprachbilder sind hier nicht hübsche Einkleidung eines Gedankens, sondern elementar und unverzichtbar, weil sie etwas vorstellbar und kommunizierbar machen, für das es keine ausgehandelte Begrifflichkeit gibt.

Gleichwohl lädt die Rekurrenz des Wortes σῶμα ein, die Metaphern in der Lektüre zu vernetzen. Die Gemeinsamkeiten liegen aber nicht auf der semantischen Ebene, sondern in der Pragmatik. Drei Aspekte möchte ich benennen:

  1. (1) Die Leib-Metapher kann, anders als ἐκκλησία, die Zusammengehörigkeit des Organon beschreiben, Einheit und Einzigkeit. So steht ἓν σῶμα in 4.4 als erstes in der Liste von ‘Einheitsmarkern’, welche die zu erstrebende Einheit des Geistes (ἑνότηςFootnote 95 τοῦ πνεύματος) begründen.

  2. (2) Die Leib-Metaphorik ist strikt christologisch bezogen, viel deutlicher als in den Homologumena. Denn durch die Verbindung mit der Christus-Haupt-Metapher wird der exklusive Bezug auf Christus deutlich—und vice versa die exklusiv dem Leib geltende Rettung durch Christus. Dies ist etwa anders in der bekannten Bau-Metapher Eph 2.19–22, in der zwar Christus mit Aposteln und Prophetinnen als Fundament seinen Platz findet, aber letztlich Gott der Hausherr ist.

  3. (3) Der Leib- und dieser Bau-Metapher gemeinsam ist die Dynamisierung der Bilder, gerade auch durch die ‘Kreuzung’ der Bildspender: Der Bau muss wachsen (2.12), der Leib muss erbaut werden (4.12, 16).Footnote 96 Das σῶμα ist zwar einerseits etwas Gegebenes, aber es muss auf Christus hin wachsen (4.15–16). Das Wachstum wird im Kontext der Paränese als Vervollkommnung der einzelnen dargestellt. Denn Zunahme in Erkenntnis und Liebe ist nur durch die einzelnen zu vollziehen.Footnote 97 Beim ‘Wachstum’ geht es also nicht um eine missionarische Ausbreitung der ‘Kirche’.

Damit sind wir schließlich bei der wichtigen Feststellung, was mit der Leib-Metaphorik nicht erfasst wird: Eine Verhältnisbestimmung von σῶμα und Welt fehlt. Das ist auch nicht überraschend, denn dieses Potenzial ist weder im Bildspender angelegt—der Leib ist das Ganze—noch in der metaphorischen Tradition. Machtfragen werden nicht durch die ἐκκλησία, nicht durch den ‘Leib Christi’ entschieden, sondern durch Gott und Christus (1.10; 1.20–22).

5. Ekklesiologie ohne einen Kirchenbegriff. Zum Schluss

In vier Thesen möchte ich die Beobachtungen zusammenfassen und dann für die Frage nach der ekklesiologischen Intention des Briefes auswerten.

1. Zur Sprache: Es ist das natürliche Schicksal der neutestamentlichen Texte, namentlich der Metaphern, dass sie ihre innovative Kraft durch den kirchlichen Gebrauch verlieren. Doch tun wir gut daran, wenn wir die Texte nicht unter kontroverstheologisch gefüllten Begriffen, sondern als schöpferische Anfänge zu lesen versuchen.

Im Falle der Ekklesiologie des Epheserbriefes zeigt sich dann: Er spricht nicht mehr nur von der konkreten Ortsgemeinde. Und doch hat er keinen Begriff von der ‘Gesamtkirche’, sondern arbeitet mit um das Stichwort σῶμα gruppierten Metaphern. Mittels dieser Metaphern kann er Aspekte der Ekklesiologie integrieren, die nicht in ein Konzept zu fassen sind: die Zuordnung der Gemeinschaft zu Christus, die Zusammengehörigkeit der Glieder und die Einheit von Juden und Heiden. So entwickelt er seine doppelte Vision von ‘Eins-heit’,Footnote 98 der Einheit der jüdischen und nichtjüdischen Menschen und der im Alltag erfahrbaren Einheit der Glaubenden (4.1–16).

Aber wussten wir das nicht schon immer über den Epheserbrief? Aus meiner Sicht macht es einen Unterschied, wenn man das Schreiben als dynamischen Prozess versteht, der nicht ein vorgegebenes Kirchen-Konzept abbildet bzw. erinnert, sondern erst erschafft: Es soll die Vorstellung von einer einzigen Gemeinschaft der Glaubenden jenseits der Versammlungen in Ortsgemeinden erst mittels Metaphern kommunikabel machen—und so performativ in die Welt setzen.

2. Zum soteriologischen Konzept: Anders als oft behauptet, ist die Ekklesiologie im Epheserbrief noch nicht selbständig gegenüber der Christologie. Vielmehr stellt die Metapher von Christus als Haupt der ἐκκλησία, der den Leib erfüllt, gerade die christologische Rückbindung der Gemeinschaft dar. Wie in den Homologumena ist mit der ‘Leib-Metapher’ auch der Gedanke an die Vielheit der Glieder verbunden. Der ‘Leib’ muss wachsen, indem die einzelnen Glieder reifen und in Liebe verbunden bleiben.

Die These, dass der Epheserbrief ‘der Kirche’ den soteriologischen Vorrang vor Christus einräumt, setzt somit anachronistisch eine Unterscheidung zwischen Gläubigen und ‘der Kirche’ voraus, die im Epheserbrief noch nicht aussagbar und, so möchte ich behaupten, noch nicht einmal denkbar ist. Die Soteriologie ist auch im Epheserbrief auf den einzelnen Menschen gerichtet, nicht auf ‘die Kirche’. Die ‘alte Braut’ ist niemand anders als die Menschen, die, wann und wo auch immer, ihre Rettung durch Christi Lebenshingabe erfahren.

3. Zur Rolle der ‘Kirche’ in der Welt: Dem entspricht, dass zwar die ἐκκλησία gegenüber dem Rest des Alls ausgezeichnet ist als σῶμα, als πλήρωμα Christi, aber nicht als gegenüber der Welt handelnde Organisation erscheint. ἐκκλησία und σῶμα-Metapher qualifizieren die Gemeinschaft positiv von innen. Grenzen der Gemeinschaft markieren sie nicht. Auch wenn der Brief die Welt als feindlich darstellt, so schildert er doch mit der ‘Waffenrüstung Gottes’ (6.10–17) nicht die ‘Schweizer Garde’ der Kirche, sondern die Zurüstung der einzelnen Glaubenden für den Kampf gegen das Böse.

4. Zur Intention des Briefes: Auch ohne ein Konzept von ‘Kirche’ betreibt der Brief Ekklesiologie, entwickelt er einen Sinn dafür, dass die Einheit christologisch begründet ist. Dies tut er gerade auch über die Rhetorik und die fiktive Briefsituation. Der Brief zeichnet sich im Corpus Paulinum durch seinen affirmativen, unpolemischen Charakter aus. Er kritisiert nicht ‘Irrlehren’, er moniert nicht mangelnde Einheit. Auch die heute oft vertretene These, dass der Brief die Glaubenden aus den Völkern an ihre Verwurzelung im Judentum erinnern wolle, weil sie judenfeindlich gesonnen seien, hat im Text keinen direkten Anhalt.Footnote 99 Sein Anliegen kann daher nicht darin liegen, zur Einheit zurück zu rufen,Footnote 100 sondern nur, überhaupt eine Idee von der Einheit der im Glauben je und je, hier und dort Versammelten zu schaffen.

Auf dieser Linie kann auch die Verfasserfiktion und Adressierung des Briefes als ‘Konvergenzschreibens’ interpretiert werden. Der Brief richtet sich ja vermutlich nicht an eine bestimmte Gemeinde. Auch Paulus wird nicht als alleinige Autorität intoniert.Footnote 101 Er, der Völkerapostel, ist einer unter vielen Aposteln und Prophetinnen (2.20; 3.5; 4.11). Das Schreiben adressiert also nicht allein ein ‘paulinisches Christentum’.Footnote 102 Auch will es sicher nicht nur von den ‘frisch’ bekehrten Glaubenden aus den Völkern gelesen werden, an die es sich in der Fiktion richtet. Schon die Haustafel setzt ja familiär gelebtes und tradiertes Christentum voraus. Und nichts spricht dagegen, dass auch Gläubige der jüdischen Tradition das Schreiben lasen und sich mit der Perspektive des Paulus identifizierten. Die Adressierung an nichtjüdische Konvertitinnen und Konvertiten ist darum nicht als historisch zu interpretieren, sondern als Teil der Briefstrategie: Sie bietet die Möglichkeit, eine klare Grenze zu den nichtjüdischen Menschen zu ziehen und so die innere Gemeinschaft durch Grenzmarkierungen zu profilieren.Footnote 103 Die fiktive Kommunikation des Juden Paulus mit den Glaubenden aus den Völkern ist selbst eine Versinnbildlichung der Einheitsvision.

Gewiss, nicht alle Richtungen der Christusnachfolge werden inkludiert. Der Brief marginalisiert ein gesetzestreues ChristentumFootnote 104 und überschreibt, wie wir sahen, eine egalitäre und asketische Paulusrezeption (5.22–33). Eine ‘universale Kirche’ sähe nach meiner Vision anders aus. Doch lesen wir den Brief positiv: Dann bietet er einer pluralen Leserschaft, die in unterschiedlich geprägten Ortsgemeinden lebt—nicht die Vision einer empirisch-institutionell vereinigten ‘Kirche’, sondern einen kleinsten gemeinsamen Nenner: ‘Ein Leib, ein Geist, eine Berufung zur Hoffnung, ein Herr, ein Glaube, eine Taufe—und über allem und in allem der eine Gott’ (4.4–6), diese Liste nennt wichtige ‘identity markers’.Footnote 105 Aber in dieser Kürze eröffnet sie die Möglichkeit, dass sich mit ihr ganz unterschiedliche Gemeinden identifizieren, die in Organisation und Traditionen divergieren, damit diese ‘die Einheit des Geistes in dem Band des Friedens’ finden (4.3).Footnote 106

Auch der Briefschluss unterstreicht diese inklusive Rhetorik, denn er variiert vielsagend die Paulusbriefe. Während diese sonst um ‘Gnade mit euch allen’ bitten, schließt der Epheserbrief mit dem Wunsch: ἡ χάρις μετὰ πάντων τῶν ἀγαπώντων τὸν κύριον ἡμῶν Ἰησοῦν Χριστὸν ἐν ἀϕθαρσίᾳ (6.24). Jenseits der Eigenheiten oder Differenzen wird so das christologische Bekenntnis als Verbindendes betont.

Für heute mag das nicht mehr genügen. Die Fragen nach der großen Ökumene, nach der Gemeinschaft mit denen, die ‘Christus nicht lieben’, mit Menschen aus dem Judentum, aus anderen Religionen wie Atheisten, stehen an. Dennoch kann der Epheserbrief auch jenseits seiner historischen Auslegung, um die sich unser Fach bemüht, bemerkenswert sein: Lesen wir ihn als Sprachhandlung, die sich weder auf empirisch Gegebenes bezieht noch die ‘eine Kirche’ konstruiert, sondern mit den Mitteln der Sprache eine im Brief reale Gemeinschaftsvision erschafft.

Footnotes

*

Überarbeitete Fassung eines Mainpapers, gehalten auf dem SNTS Meeting in Leuven 2012. Ich danke herzlich für die Einladung und Diskussion. Für Gespräche und Lektüren von Vorfassungen bin ich Prof. Dr. Cilliers Breytenbach herzlich verbunden. Auch seinem Kolloquium in Berlin und dem Forschungskolloquium sowie der Neutestamentlichen Sozietät in Hamburg danke ich für hilfreiche Diskussionen. Dr. Ulrike Kaiser, Konrad Schwarz, Axel Horstmann und Ricarda Heymann sei überdies gedankt für Korrekturen.—Die Widmung möge meinen herzlichen Dank und Respekt für den Hamburger Kollegen und Erforscher des Epheserbriefs übermitteln.

References

1 Viele Aspekte des Textes müssen hier undiskutiert und Literaturhinweise auf das Nötigste beschränkt bleiben. Zur Gattung Haustafel und deren apologetischen oder subversiven Aspekten in der patriarchalen Struktur vgl. MacDonald, M. Y., ‘Beyond Identification of the Topos of Household Management: Reading the Household Codes in Light of Recent Methodologies and Theoretical Perspectives in the Study of the New Testament’, NTS 57 (2011) 6590CrossRefGoogle Scholar; zu Details der Auslegung vgl. die Kommentare Sellin, von G., Der Brief an die Epheser (KEK 8; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2008)Google Scholar und Lincoln, A. T., Ephesians (WBC 42; Dallas: Word, 1990)Google Scholar sowie die Analyse Zimmermanns, R., Geschlechtermetaphorik und Gottesverhältnis. Traditionsgeschichte und Theologie eines Bildfelds in Urchristentum und antiker Umwelt (WUNT 2/122; Tübingen: Mohr Siebeck, 2001) 327–89Google Scholar. Die Auslegungsgeschichte als Eheparänese skizziert Fleckenstein, K.-H., Ordnet euch einander unter in der Furcht Christi. Die Eheperikope in Eph 5,21–33. Geschichte der Interpretation, Analyse und Aktualisierung des Textes (FzB 73; Würzburg: Echter, 1994)Google Scholar.

2 Roloff, J., Art. ἐκκλησία, EWNT2 1 (1992) 9981011Google Scholar, 1008.

3 Vgl. die Gegenüberstellung beider Ebenen bei Sellin, Eph, 435–6; für Sellin sind die ethische wie die ‘allegorische’ Ebene gleichermaßen Anliegen des Textes (vgl. bes. 455–6). Dass die paränetische Aussage primär ist, vertreten Schnackenburg, z.B. R., Der Brief an die Epheser (EKK 10; Zürich: Benziger; Neukirchen–Vluyn: Neukirchener, 1982) 248–9Google Scholar; Theobald, M., ‘Heilige Hochzeit. Motive des Mythos im Horizont von Eph 5,21–33’, Metaphorik und Mythos im Neuen Testament (ed. Kertelge, K.; QD 126; Freiburg u.a.: Herder, 1990) 220–54Google Scholar, 232–3; Lincoln, Eph, 352–3, 363–5; Zimmermann, Geschlechtermetaphorik, 327. Hingegen ist die Ekklesiologie das eigentliche Thema für Best, E., A Critical and Exegetical Commentary on Ephesians (ICC; Edinburgh: T. & T. Clark, 1998) 530–1Google Scholar; Gese, M., Das Vermächtnis des Apostels. Die Rezeption der paulinischen Theologie im Epheserbrief (WUNT 2/99; Tübingen: Mohr Siebeck, 1997) 207–10Google Scholar.

4 Während das Motiv der Selbsthingabe aus Liebe fast topisch in der griechischen und lateinischen Literatur ist (s. C. Eschner, Gestorben und hingeben ‘für’ die Sünder. Die griechische Konzeption des Unheil abwendenden Sterbens und deren paulinische Aufnahme für die Deutung des Todes Jesu [2 Bde., WMANT 122/1.2; Neukirchen–Vluyn: Neukirchener, 2010] 2.207–9), gibt es ausweislich des durch Eschner gesammelten Materials kein männliches Pendant zur Alkestis, sondern nur das Motiv vom Ehemann, der sein Leben wagen will für seine Gattin, letztlich aber nicht stirbt (Menelaos für Helena und Achill für Iphigenie; vgl. Eschner, Gestorben, 2.65–7). Falls gilt, dass ein Männerleben mehr zählt als eine Myriade Frauenleben, weshalb Iphigenie nach Eur Iph Aul 1392–4 Achills Ansinnen zurückweist, dann ist das auch plausibel. Eph 5 könnte vor diesem Hintergrund die Größe des Selbstopfers Christi darstellen (vgl. Röm 5.6–8). Näher liegt m.E., dass die weibliche Figuration der ἐκκλησία zurücktritt und wie in Eph 5.2 an die Menschen zu denken ist, für die Christus sich hingab (s. unten 2.5).

5 Vgl. genauer Zimmermann, Geschlechtermetaphorik, 341–3.—ἵνα παραστήσῃ αὐτὸς ἑαυτῷ ἔνδοξον τὴν ἐκκλησίαν (5.27) meint nicht die öffentliche Präsentation der ἐκκλησία als Braut (so z.B. Sellin, Eph, 448 unter Hinweis auf diese Bedeutung von 2 Kor 11.2–4, wo παριστάναι jedoch syntaktisch anders fungiert), sondern ‘für sich bereiten’ (mit BAA s.v. 1268). Die Deutung als ‘Präsentation der Braut’ blendet aus, dass diese zuvor bemakelt und befleckt ist.

6 Zum Brautbad λουτρὸν νυμϕικόν, einer in Griechenland üblichen kultischen Selbstreinigung von Braut und Bräutigam, s. R. Oswald, Art. Hochzeitsbräuche und -ritual, DNP 5 (1998) 649–56, 649. Muddiman, J. (‘The So-Called Bridal Bath at Ezekiel 16:9 and Ephesians 6:9’, The Book of Ezekiel and its Influence [ed. de Jonge, H. and Tromp, J.; Aldershot u.a.: Ashgate, 2007] 137–45)Google Scholar kritisiert den Bezug auf das Brautbad und überhaupt Brautrituale, da ein Brautbad als jüdisches Ritual nicht belegt sei. Der Gedanke an die pagane Praxis ist damit jedoch nicht ausgeschlossen.

7 Woran bei σπίλος (LSJ 1628 s.v.: ‘spot, fleck blemish’) ἢ ῥυτίς (LSJ 1578 s.v.: ‘pucker, wrinkle’, oft im Kontext von Hautrunzeln) zu denken ist, ist nicht präzisiert. Die Worte sind negativ belegt und beschreiben äußerlich sichtbare Befleckung (so steht ἄσπιλος in 1 Petr 1.19 parallel zu ἄμωμος). Da als ‘Therapie’ ein reinigendes Bad durchgeführt wird, ist trotz ‘Runzeln’ nicht an Alterserscheinungen, sondern an eine Hauterkrankung zu denken, die nach antiker Medizin mit Bädern behandelt werden konnte (vgl. auch Lev 13–14). Das korreliert der Rettungsmetaphorik V.23c, wo Christus als σωτὴρ τοῦ σώματος bezeichnet wird. Ich danke Reinhard von Bendemann für den Hinweis auf den medizinischen Hintergrund dieser Metaphorik.

8 Vgl. bes. Gal 2.20; vgl. weiter Röm 4.25; 8.32 sowie 1 Thess 5.10; Gal 1.4; Tit 2.14. Nicht bei Paulus belegt ist die Verbindung der Selbsthingabe bzw. des ‘Sterbens für’ mit dem Ziel der Reinigung und Heiligung. Diese entspricht aber der in 5.2 explizierten opfermetaphorischen Konzeption. Der im Kompositum παραδιδόναι implizierte Gedanke der ‘Selbstauslieferung’ an eine überlegene Macht (s. Eschner, Gestorben, 2.197–201) tritt hingegen zurück.—Dass auf den Tod Jesu angespielt wird, bestreitet Zimmermann, Geschlechtermetaphorik, 366–8. Aus der Urbildfunktion der Relation sei darauf zu schließen, dass hier nicht die opfernde Selbsthingabe Christi gemeint sei. Doch die Parallele zu 5.2 ist signifikant, und dass die Ekklesiologie Urbildfunktion habe, wird hier bestritten (s. 3.).

9 Die Struktur von V.23–24 ist mit Sellin, Eph, 441 als ringförmig um die im NT einmalige Retteraussage αὐτὸς σωτὴρ τοῦ σώματος zu rekonstruieren (gerahmt durch Aussagen über die Beziehung von Frau und Mann und von Christus und Kirche). Das entbindet davon, analog eine rettende Rolle des Ehemannes für die Ehefrau zu erschließen; vgl. zur Diskussion Lincoln, Eph, 370–1; Walter, M., Gemeinde als Leib Christi. Untersuchungen zum Corpus Paulinum und zu den ‘Apostolischen Vätern’ (NTOA 49; Freiburg, Schweiz: Universitätsverlag; Göttingen: Vandenhock & Ruprecht, 2002) 236–7CrossRefGoogle Scholar; gerade an 5.23 knüpfte die Gnosis-Interpretation an. Unten wird vorgeschlagen, 5.23 wie 5.25–27 allgemein soteriologisch zu deuten (s. 3).

10 ‘So bleibt, wenn man nicht eine uneigentliche Redeweise annehmen ... will, nur die Auskunft, dass es die kraft der vorzeitigen Erwählung und Bestimmung Gottes in ihm prä-existierende [Kirche] ist, die in ihren Gliedern der Rettung und Hingabe Christi bedurfte, weil diese ihre Erwählung preisgegeben hatten’ (Schlier, H., Der Brief an die Epheser. Ein Kommentar [Düsseldorf: Patmos, 1957, 7th ed. 1971] 255Google Scholar; vgl. ähnlich Fischer, K.-M., Tendenz und Absicht des Epheserbriefes [FRLANT 111; Göttingen: Vandenhock & Ruprecht, 1973] 176–7CrossRefGoogle Scholar). Schlier nimmt die ‘Seltsamkeit des Ganzen’ (ders., Eph, 259) deutlicher wahr als die Exegese sonst.

11 ἐκκλησία fehlt in den Evangelien abgesehen von Mt 16.18; 18.17. Die Begründung einer bleibenden Gemeinschaft ist den Evangelien ein nachösterliches Ereignis, analog der Geistgabe; vgl. explizit Apg 20.28.

12 Gegen die These von der Präexistenz der Kirche votieren z.B. auch Schnackenburg, Eph, 253–4, 309, Lincoln, Eph, 374–5. Doch der Widerspruch gegen die Annahme, dass nach 5.25–27 die Kirche bereits vor Jesu Tod existiert, ist meist mit einer Nivellierung der Textaussage bzw. zirkulären Argumenten erkauft.

13 Vgl. zu Schliers Interpretation der Ekklesiologie des Epheserbriefes Bendemann, R. v., Heinrich Schlier. Eine kritische Analyse seiner Interpretation paulinischer Theologie (BEvTh 115; Gütersloh: Kaiser/Gütersloher Verl., 1995) 184203Google Scholar; zu den Gründen seiner Konversion genauer 57–64. Zumindest in der deutschen Exegese hat Schliers Interpretation die Diskussion angefacht; einen Eindruck davon gibt die pointierte Rezension seines Kommentars durch Käsemann, E., ‘Das Interpretationsproblem des Epheserbriefes’, ThLZ 86 (1961) 18Google Scholar.

14 Eine neuere Monographie zum Thema ist m.W. ein Desiderat ebenso wie eine genaue Aufarbeitung der Diskussion, die nach Schlier vor allem bestimmt war durch H. Merkleins Arbeiten, die ebenfalls eine hohe Ekklesiologie des Eph vertraten (Merklein, H., Das kirchliche Amt nach dem Epheserbrief [StANT 33; München: Kösel, 1973]Google Scholar). Mayer, A. C. (Sprache der Einheit im Epheserbrief und in der Ökumene [WUNT 2/150; Tübingen: Mohr Siebeck, 2002])Google Scholar ist exegetisch rezeptiv und würdigt die Divergenz der Metaphorik, setzt aber den Begriff der ‘Kirche’ ungeprüft voraus, obwohl ἐκκλησία als politische Metapher erkannt ist (183). Aletti, J.-N. (Essai sur l’écclesiologie des lettres de Saint-Paul [Études bibliques 60; Pendé: Gabalda, 2009] 129–87)Google Scholar stellt in seiner Untersuchung der Ekklesiologie der Paulusbriefe den Eph den Textaussagen nach dar ohne pointiertes Ergebnis; vgl. weiter Exkurse bei Schnackenburg, Eph, 299–319; Best, Eph, 622–41.

15 So Roloff, J., Die Kirche im Neuen Testament (GNT 10; Göttingen: Vandenhock & Ruprecht, 1993) 231–2CrossRefGoogle Scholar.

16 Schnackenburg, Eph, 318: ‘Die Kirche ist mehr als eine Vereinigung der an Jesus Christus glaubenden, durch Taufe … zusammengeschlossenen Menschen; sie ist eine mit ihrem fortlebenden Herrn verbundene Gemeinschaft, die durch ihn zugleich der transzendenten Welt Gottes angehört’.

17 Schenk, W., ‘Die ältesten Selbstverständnisse christlicher Gruppen im ersten Jahrhundert’, ANRW II.26.2 (1995) 1357–467Google Scholar, 1416–7. Eine soteriologische Bedeutung der Kirche vertraten vor allem Merklein (die Kirche könne aus sich heraus nicht Heil gewähren, aber ‘Kirche ist der Raum, in dem und durch den Christus das Heil schafft’, ders., Christus, 68) und Roloff, Kirche, 237.

18 Lindemann, A., Die Aufhebung der Zeit. Geschichtsverständnis und Eschatologie im Epheserbrief (Gütersloh: Gütersloher Verl., 1975)Google Scholar 248, vgl. 250: ‘Das Sein ἐν Χριστῷ bestimmt völlig die menschliche Existenz: “In Christus” hat für den Christen objektiv die Zeit ihr Ende gefunden—objektiv, d.h. nicht in mystischem Aufschwung oder in zeitweiligem ekstatischem Erleben, sondern “in” der Kirche’.

19 So Schenk, Selbstverständnisse, 1432, im Anschluss an die Kritik Ernst Käsemanns an der Selbstkanonisierung der Kirche im Epheserbrief (Käsemann, E., Der Ruf der Freiheit [Tübingen: Mohr Siebeck, 5. Aufl. 1972] 170–1Google Scholar).

20 Vorsichtig ist etwa Schnackenburg, der die ‘alleinige Mittlerfunktion Christi’ festgehalten sieht (Eph, 305, hier in Bezug auf das ‘Eckstein’-Motiv in 2.20b). Luz, Nach U. (‘Der Brief an die Epheser. Der Brief an die Kolosser’, Die Briefe an die Galater, Epheser und Kolosser [ders. und J. Becker; NTD 8/1; Göttingen: Vandenhock & Ruprecht, 1998] 105244Google Scholar, 125) denkt der Eph dennoch theozentrisch und christozentrisch, und die Paränese stellt ein Gegengewicht zur hohen Ekklesiologie dar. Für Gese, Vermächtnis, 210–11 ist die Soteriologie ekklesiologisch zugespitzt, nicht umgekehrt, und damit die paulinische Theologie konsequent fortgeschrieben. Dezidiert gegen Roloff votiert Wolter, M. (‘Der Epheserbrief als nachpaulinischer Paulusbrief’, Ethik als angewandte Ekklesiologie. Der Brief an die Epheser [SMBen.BE 17; Rom: Benedictina, 2005] 189210Google Scholar, 202) mit ähnlichen Ergebnissen wie den hier entfalteten. Auch er versteht ἐκκλησία nur als ‘komprehensiven Sammelbegriff’ (s.u.), argumentiert aber nicht semantisch, sondern von der Frage nach Identitätsentwurf und Ethos aus.

21 Vgl. zur Forschungslage Merkel, H., ‘Der Epheserbrief in der neueren exegetischen Diskussion’, ANRW II.25.4 (1987) 3156–246Google Scholar, 3176–212; Schwindt, R., Das Weltbild des Epheserbriefes. Eine religionsgeschichtlich-exegetische Studie (WUNT 148; Tübingen: Mohr Siebeck, 2002) 746Google Scholar.

22 So die Überschrift Schlier, von H., Christus und die Kirche im Epheserbrief (BHTh 6; Tübingen: Mohr, 1930) 55Google Scholar. Namentlich fügt sich die Vorstellung von der Präexistenz der Kirche in die gnostische Ableitung.

23 Die ‘gnostische’ Auslegung des Briefes in der Bultmannschule (Schlier, Käsemann) argumentierte auch damit, dass sich nur so die mythische Vorstellung der Kirche als Repräsentantin des Erlösers erfassen ließe. Vgl. zu diesen Thesen wie deren Widerlegung Merkel, Epheserbrief, 3176–212. Die jüngeren Auslegungen (Faust, Schwindt, Sellin, Lincoln) haben gezeigt, dass die Vorstellungen des Eph religionsgeschichtlich innerhalb eines jüdisch-hellenistischen Denkens, wie es Philo repräsentiert, zu verstehen sind.—Zur nicht-paulinischen Autorschaft, die zwar gelegentlich bestritten wird (von Schlier zu Zeiten seines Kommentars, aber auch in jüngeren englischsprachigen Arbeiten), s. Sellin, Eph, 5–6 (Lit.). Ich setze voraus, dass Eph literarisch von Kol abhängig ist. Für die hier diskutierten Fragen spielt dies jedoch keine Rolle, da der Eph keine intertextuelle Lektüre vom Kol aus fordert.

24 Auch wenn die Frage, ob es ‘paulinische Gemeinden’ gab, schwierig zu entscheiden ist (vgl. dazu Horrell, D. G., ‘Pauline Churches or Early Christian Churches? Unity, Disagreement, and the Eucharist’, Einheit der Kirche im Neuen Testament [ed. Alexeev, A. A. u.a.; WUNT 218; Tübingen: Mohr Siebeck, 2008] 185203)Google Scholar, gibt es doch genug Hinweise auf unterschiedliche Organisationsformen und theologische Diversität im Christentum gegen Ende des 1. Jh. Man denke nur an die von den Schriften jeweils als Abweichler Dargestellten, die ‘kolossische Philosophie’ (Kol 2.8–23), die Nikolaiten (Offb 2.6, 15) oder die in 1 Tim 4.1–4; 6.20–1; 2 Tim 2.16–18; Tit 1.10–17; 1 Joh 2.18–22; 2 Joh 7 Kritisierten; vgl. auch Apg 20.29–30. Die Pluralität lässt sich exemplarisch rekonstruieren für Ephesus, dessen Christusanhänger zum Adressatenkreis des ‘Rundschreibens’ gehört haben könnten; vgl. nur Tellbe, M., Christ-Believers in Ephesus. A Textual Analysis of Early Christian Identity Formation in a Local Perspective (WUNT 242; Tübingen: Mohr Siebeck, 2009)Google Scholar (Lit.!).

25 Vgl. so Roloff, Kirche, 237 in Aufnahme einer Formulierung P. Stuhlmachers.

26 Die Tot-lebendig-Metaphorik zielt wie ihr Bildspendebereich auf die Individuen. Die Rede von der Einsetzung in die ‘Überhimmel’ kann nur als hoch greifender metaphorischer Ausdruck der Errettung aus dem Sündentod verstanden werden, da sie nicht von der Bewährung des Lebens unter Gefährdung durch Böses (s. bes. 6.1–10) und dem drohenden Gericht (5.5–6) dispensiert; vgl. dazu genauer Gerber, C., ‘Leben allein aus Gnade. Eph 2.1–10 und die paulinische Rechtfertigungsbotschaft’, NTS 57 (2011) 366–91CrossRefGoogle Scholar.

27 Diese Diskussion wurde jüngst in dieser Zeitschrift aufgenommen, und es mag hinreichen, exemplarisch darauf zu verweisen, vgl. einerseits Trebilco, P., ‘Why Did the Early Christians Call Themselves ἡ ἐκκλησία?’, NTS 57 (2011) 440–60CrossRefGoogle Scholar und gegen die dort vertretene Herleitung von ἐκκλησία aus dem Sprachgebrauch der Hellenisten andererseits van Kooten, G. H., ‘’Εκκλησία τοῦ θεοῦ: The “Church of God” and the Civic Assemblies of the Greek Cities (ἐκκλησίαι) in the Roman Empire: A Response to Paul Trebilco and Richard A. Horsley’, NTS 58 (2012) 522–48CrossRefGoogle Scholar. Umstritten ist, ob in der Paulus wohl schon vorgegebenen Verwendung von ἐκκλησία τοῦ θεοῦ zur Selbstbezeichnung der ersten christlichen Gemeinden in Judäa der LXX-Sprachgebrauch (ἐκκλησία als Übersetzung von קהל) theologisch prononciert aufgenommen wurde oder die Redeweise erst von den ‘Hellenisten’ geprägt wurde (Trebilco, Why, 443; vgl. dort ausführlich zur Diskussion). Weiter ist umstritten, ob Paulus diesen Sprachgebrauch kennt (vgl. ἐκκλησία τοῦ θεοῦ Gal 1.13, 23; 1 Kor 15.9; Phil 3.6) und ἐκκλησία theologisch prägnant verwendet, um die ‘örtliche Versammlung der Christen … als theologisch relevante Größe herauszustellen’ und die heilsgeschichtliche Konnotation des älteren Sprachgebrauchs zurückzustellen (Roloff, Kirche, 96–9, Zitat 96, im Orig. z.T. hervorgehoben). Noch pointierter erscheint der Sprachgebrauch des Paulus nach Hainz, J., Ekklesia. Strukturen paulinischer Gemeinde-Theologie und Gemeinde-Ordnung (BU 9; Regensburg: Pustet, 1972) 239–50Google Scholar: Paulus habe bewusst in Konkurrenz zum Jerusalemer Sprachgebrauch, der einen ‘gesamtkirchlichen’ Anspruch vertritt, von ἐκκλησία in Bezug auf die Ortsgemeinde gesprochen. Nach van Kooten, Ἐκκλησία, hingegen rekurriert der Sprachgebrauch auf die Bezeichnung von Versammlungen in griechischen und römischen Poleis. Nur dies ist—unbenommen der Herkunftsfrage—m.E. relevant für das Verständnis der paulinischen Literatur, haben doch die Lesenden ἐκκλησία zunächst entsprechend ihrem Kontext verstanden.

28 Vgl. bes. 1 Kor 11.17–18, 20; 14.23.

29 Vgl. 1 Thess 1.1; 2.14; Gal 1.2; Röm 16.1.

30 Vgl. beispielhaft für Ortsgemeinden an verschiedenen Orten Apg 5.11; 11.26; 16.5; die Sendschreiben Offb 1–3; 1 Clem 1.1; IgnEph 1.1; Trall 1.1; 3.1 u.ö.; vgl. weiter Roloff, ἐκκλησία, 1005–11. Auch 2 Thess und die Pastoralbriefe lassen keinen prägnanten Gebrauch von ἐκκλησία im Sinne einer ‘Universalkirche’ erkennen. Im Corpus Pastorale begegnet das Nomen nur dreimal. 1 Tim 3.5; 5.16 beziehen es auf die Ortsgemeinde; ἐκκλησία tritt zurück hinter die Haushaltsmetapher οἶκος τοῦ θεοῦ. Die allgemeine Bedeutung von ἐκκλησία in 1 Tim 3.15 wird über die Hausmetapher abgeleitet. IgnSmyr 8.2 lässt in der Analogie von Bischof und Ortsgemeinde zu Christus und καθολικὴ ἐκκλησία erkennen, dass das Konzept der ‘allgemeinen Kirche’ noch nicht in ἐκκλησία impliziert ist.

31 Zur Bedeutung von ἐκκλησία im klassischen und hellenistischen Griechisch zur Bezeichnung der Volksversammlung, die in den griechischen Stadtstaaten regelmäßig der Meinungsfindung diente, vgl. C. G. Brandis, Art. ἐκκλησία, PRE 5/2 (1905) 2163–200. Die Bedeutung ‘Ansammlung’ ist noch erkennbar in Apg 19.32, 39, 40 (synonym mit ὄχλος). Dass dies im Hintergrund der paulinischen Verwendung steht, zeigen Berger, K., ‘Volksversammlung und Gemeinde Gottes. Zu den Anfängen der urchristlichen Verwendung von “ekklesia” (1976)’, Tradition und Offenbarung. Studien zum frühen Christentum (ed. Klinghart, M. u.a., Tübingen: Francke, 2006) 173206Google Scholar; van Kooten, Ἐκκλησία.

32 Vgl. z.B. Ri 20.2LXX; 1 Sam 17.47LXX; 1 Chron 13.2LXX.

33 Vgl. 1 Kor 15.9; Gal 1.13; Phil 3.6; 1 Kor 10.32.

34 Mit Wolter, M., Paulus. Ein Grundriss seiner Theologie (Neukirchen–Vluyn: Neukirchener, 2011)Google Scholar 267.

35 Meist nimmt man an, dass ἐκκλησία auch in Mt 16.18 auf die ‘universale Kirche’ referiert; vgl. dazu aber kritisch Konradt, M., Israel, Kirche und die Völker im Matthäusevangelium (WUNT 215; Tübingen: Mohr Siebeck 2007) 354–60Google Scholar.

36 Damit entspricht der Epheserbrief nach Überzeugung vieler (s. Roloff, Kirche, 96–7) der Vorgabe des Paulus, dessen Wortwahl zum Ausdruck bringe, dass jede Einzelgemeinde die Universalkirche repräsentiere, die Universalkirche die Einzelgemeinden. Merklein, Nach H., ‘Die Ekklesia Gottes. Der Kirchenbegriff bei Paulus und in Jerusalem’, BZ NF 23 (1979) 4870CrossRefGoogle Scholar (= Studien zu Jesus und Paulus [WUNT 43; Tübingen: Mohr Siebeck, 1987] 296318Google Scholar, 317) ist das Verständnis von der einen Ekklesia Gottes gar ein ‘unverzichtbares Postulat christlichen Selbstverständnisses …, dem Paulus keineswegs widerspricht’. In Kol und Eph habe es konsequent seinen Ausdruck gefunden und sei letztlich Anliegen eines ‘katholischen, universal ausgerichteten Kirchenverständnisses’, so dass auch die verschiedenen Konfessionen sich als die eine Ekklesia Gottes verstehen könnten.

37 Vgl. Roloff, ἐκκλησία, 999–1000. Die Lutherübersetzung gibt ἐκκλησία allerdings aus kontroverstheologischen Gründen konkordant mit ‘Gemeinde’ wieder.

38 Vgl. etwa Roloff, wonach im Epheserbrief ‘Kirche als Bereich der Gegenwart des Christusheils dargestellt’ wird (Kirche, 234, z.T. hervorgehoben), ähnlich Merklein, H., Christus und die Kirche. Die theologische Grundstruktur des Epheserbriefs nach Eph 2,11–18 (SBS 66; Stuttgart: KBW, 1973)Google Scholar 68. Nach Gese ist das ‘räumliche Element der Ekklesiologie stark betont’; die Kirche sei ‘ein am Kreuz geschaffener Raum, in dem das Heil für die Glaubenden präsent ist’ (Vermächtnis, 210, z.T. hervorgehoben). Neben diese beliebig erweiterbaren Beispiele treten solche, die auf eine Institution abheben, wie die wohl pejorativ gemeinte Rede von der Kirche als ‘Heilsanstalt’ (Schenk, Selbstverständnisse, 1417).

39 Auch in der Baumetaphorik in 2.19–22 geht es nicht um einen Raum, sondern um ein Gebäude, dessen Fundament und Mauern die Gemeinschaft bilden.

40 In der ringförmigen Gliederung, die Sellin, Eph, 52 für beide Briefteile erhoben hat, entsprechen sich Eulogie 1.3–14 und Doxologie 3.20–21.

41 So weist etwa Schnackenburg, Eph, 302 darauf hin, dass ‘die Einbeziehung der Ekklesia in die Verherrlichung Gottes … im ganzen NT einmalig’ sei; vgl. Lincoln, A. T., ‘The Theology of Ephesians’, The Theology of the Later Pauline Letters (ed. ders. and Wedderburn, A. J. M.; Cambridge: Cambridge University, 1993) 73166CrossRefGoogle Scholar, 92–3: ‘In this striking formulation the Church is seen as the place of God's glorification …’

42 Vgl. dazu ausführlicher Berger, Volksversammlung, 179 mit zahlreichen Belegen (daher auch die meisten der hier angegebenen Stellen), so die Verbindung von ἐκκλησία und ἔπαινος in Inschriften aus Athen, Ditt. Syll. (1915/24) 4298.21; 299; vgl. die Inschrift 348 aus Philippi bei Pilhofer, P., Katalog der Inschriften in Philippi (WUNT 119; Tübingen: Mohr Siebeck, 2000) 353–4Google Scholar.

43 Vgl. Jdt 6.14–20; Sir 24.1–2; 39.10; 44.15; 2 Chr 29.31; PsSal 10.5–6; vgl. LibAnt 11.8: Am Sabbat ist nur das Gotteslob in der Gemeinde zulässige Betätigung.

44 Vgl. Ps 21.23, 26LXX: ἐν μέσῳ ἐκκλησίας ὑμνήσω σε … παρὰ σοῦ ὁ ἔπαινός μου ἐν ἐκκλησίᾳ μεγάλῃ; vgl. Ps 88.6LXX; Ps 34.18LXX; 106.32LXX; 149.1LXX; Sir 15.5.

45 Zur Doxologie und der frühjüdischen Form, die im Hintergrund von Eph 3.20–1 steht, vgl. Sellin, Eph, 293–4 (Lit!). Eine Entsprechung für ἐν τῇ ἐκκλησίᾳ fehlt in den ntl. Doxologien.

46 Die Ewigkeitsformel πᾶσαι γενεαὶ τοῦ αἰῶνος τῶν αἰώνων ist ohne direkte Entsprechung im NT; der Hinweis auf die Menschengenerationen entgrenzt die Zeit zur Ewigkeit, vgl. Rantzow, S., Christus Victor Temporis. Zeitkonzeptionen im Epheserbrief (WMANT 123; Neukirchen–Vluyn: Neukirchener, 2008) 152Google Scholar.

47 Vgl. so z.B. Schwindt, Weltbild, 463. Vgl. dagegen schon Dahl, N. A., ‘Das Geheimnis der Kirche nach Epheser 3,8–10 (1965)’, Studies in Ephesians (WUNT 131; Tübingen: Mohr Siebeck, 2000) 349–63Google Scholar, 359: ‘Ebensowenig gibt der Text [3.10] einen direkten Schriftbeleg dafür, daß es eine Aufgabe der Kirche sei, die politischen Gewalten durch Hirtenbriefe und Stellungnahmen über den Willen Gottes zu belehren’.

48 So bes. Wink, W., Naming the Powers. The Language of Power in the New Testament (Philadelphia: Fortress, 1984) 8996Google Scholar.

49 So z.B. Schlier, Eph, 157: ‘Sie, die Kirche, läßt an sich und in sich und durch sich die Mächte und Gewalten die Weisheit Gottes erfahren, deren “himmlisches” Geschöpf und “Himmels”-bau sie ja auch selbst ist. So ist sie das öffentliche Geheimnis des Kosmos’. Vgl. ähnlich Schnackenburg, Eph, 142.

50 Vgl. κατὰ ἀποκάλυψιν 3.3 von Paulus; ἀπεκαλύϕθη 3.5 von den ‘heiligen Aposteln und Prophetinnen’.

51 Dieses ‘Jetzt’ ist die Gegenwart des Schreibens, nach der Offenbarung an Paulus bzw. Apostel und Propheten (mit Sellin, Eph, 265).

52 γνωρίζειν ist nicht im engeren Sinne ein Offenbarungsterminus (vgl. 6.21). In 1.9; 3.3; 6.19 ist der Charakter der Offenbarung nicht schon durch γνωρίζειν, sondern durch das Stichwort μυστήριον indiziert. Hier geht es also nicht um die Offenbarung von etwas Verborgenen, sondern um die Behebung von Nichtwissen.

53 πολυποίκιλος ist ntl. hapax legomenon. Vgl. zur weisheitlichen Semantik und Tradition Dahl, Geheimnis, 352–7; zur positiven Konnotation der ‘Buntheit’ in Bezug auf die Schöpfung Sellin, Eph, 266–8.

54 Das Unwissen der Mächte spricht m.E. dagegen, in diesen positive, etwa im Gottesdienst anwesende englische Mächte zu sehen. Vgl. aber Wink, Naming, 89–96 einerseits, Schwindt, Weltbild, 367–9 andererseits für ausgefeilte Thesen zum Verständnis der Mächte. Sie gehen allerdings davon aus, dass ‘die Kirche’ selbst den Mächten verkündigt.

55 Der Ausdruck ἐν τοῖς ἐπουρανίοις, der hier die Mächte charakterisiert, dient auch zur Beschreibung des ‘Ortes’ der Erhöhung Christi (1.20) und der mit ihm Geretteten (2.6). Er markiert also nicht einen bestimmten Himmelsort, sondern ist eine räumliche Metapher zur Bezeichnung von Jenseitigkeit, Entzogenheit, eschatologischem Geschehen bzw. Überzeitlichkeit (mit Rantzow, Christus, 103–4).

56 Dahl, Geheimnis, 360; vgl. ähnlich Lincoln, Theology, 95.

57 Die Auslegung von 1.22–23, die aufgrund der syntaktischen und semantischen Uneindeutigkeit umstritten ist, kann hier nicht im einzelnen diskutiert werden. Vgl. für die Details Lincoln, Eph, 66–78, der in syntaktischen und semantischen Fragen meist so entscheidet wie hier, allerdings andere Schlüsse für die Ekklesiologie zieht.

58 So Lincoln, Eph, 77: ‘The Church appears, then, to be the focus for and the medium of Christ's presence and rule in the cosmos’; vgl. auch Schlier, Eph, 99; Luz, Eph, 125.

59 Die Nähe zu 1 Kor 15.24–25 wird oft bemerkt und darauf hingewiesen, dass in Eph 1 das, was nach 1 Kor 15 am Ende der Zeiten geschehen wird, als gegenwärtig ausgesagt wird. Anders als in 1 Kor 15.24 spricht Eph 1 jedoch nicht von der Vernichtung der Mächte. Die Herrschaftsstellung Christi schließt also nicht aus, dass die Mächte noch zur widergöttlichen Selbsttätigkeit imstande sind, wie es auch die Forderung zum Kampf gegen das Böse 6.10–17 voraussetzt.

60 Vgl. Schroer, S. und Staubli, T., Die Körpersymbolik der Bibel (Gütersloh: Gütersloher Verl., 2. Aufl. 2005) 147–50Google Scholar.

61 So aber in vielen Auslegungen, vgl. bes. die Zeichnung P. Pokornýs, die ins Bild setzt, wie Christus zugleich Haupt der Welt wie der Kirche ist, der seine Herrschaft in der Welt durch die Kirche aus(übt)’ (ders., Der Brief des Paulus an die Epheser [ThHK 10/2; Leipzig: eva, 1992] 92–3, Zitat 93)Google Scholar; vgl. auch Walter, Gemeinde, 211–3; Roose, H., ‘Die Hierarchisierung der Leib-Metapher im Kolosser- und Epheserbrief als “Paulinisierung”. Ein Beitrag zur Rezeption paulinischer Tradition in pseudo-paulinischen Briefen’, NT 47 (2005) 117–41CrossRefGoogle Scholar, 138–9: ‘Die Welt liegt unter den Füßen des Hauptes Jesu Christi…, die auferweckte Gemeinde hingegen ist sein Leib. Die Gemeinde als der Leib rückt damit in eine Herrschaftsstellung über die Welt ein’.

62 So etwa Schlier, Eph, 89; Luz, Eph, 124; Lincoln, Eph, 46 (‘head over all things’).

63 Mit Sellin, Eph, 145–6; vgl. auch Aletti, Essai, 131; vgl. BDR § 230; LSJ 1858 s.v.; BAA s.v. 2., Sp.1672 z.St. Für komparatives ὑπὲρ πάντα vgl. auch 3.20.

64 Es geht hier auch nicht um eine ‘Einsetzung’ Christi in die Hauptposition (so die meisten Kommentatoren), sondern um eine Gabe; der einfache Dativ τῇ ἐκκλησίᾳ bezeichnet den Empfänger. Im Blick auf 4.11 ergibt sich so eine ‘Sukzession’: Gott gab Christus als Haupt der ἐκκλησία, Christus gab die Apostel etc. zur Aufrichtung der Heiligen.

65 Wolter, Eph, 202.

66 πλήρωμα ist schon in profanem Gebrauch ein ‘gefülltes’ Wort und kann an diverse religiöse und philosophische Traditionen erinnern, vgl. Ernst, J., Pleroma und Pleroma Christi. Geschichte und Deutung eines Begriffs der paulinischen Antilegomena (BU 5; Regensburg: Pustet, 1970)Google Scholar, insbesondere 105–20 zur Deutung von 1.22. Die Vorstellung, dass Gott die Welt erfüllt, ist hier transformiert zur Würdigung der ἐκκλησία als σῶμα. Hintergrund dieses Textes müssen, wie Jer 23.24LXX zeigt, nicht kosmologische Spekulationen sein. Die Vorstellung vom Leib als gefülltem Gefäß liegt auch der nicht ganz ernsten Aufforderung 5.18 zugrunde.

67 Zu den Interpretationsmöglichkeiten Sellin, Eph, 154–9 z.St. Diskutiert wird der syntaktische Anschluss der Apposition, die Genetivverbindung und die Frage, wie das Partizip zu verstehen ist.

68 Vgl. so Schnackenburg, Eph, 314–5, der hier auf die Kirche als dynamisch konzipierten Raum abhebt.

69 τὸ σῶμα αὐτοῦ,

τὸ πλήρωμα τοῦ τὰ πάντα ἐν πᾶσιν πληρουμένου.

70 Eine aktivische Deutung liest den Genetiv als obiectivus und interpretiert, dass die Kirche als Vollendung bzw. Ergänzung Christi wirkt (vgl. genauer Ernst, Pleroma, 108–18), ist aber ohne sonstigen Anhalt am Text. Die passivische Bedeutung von πλήρωμα ist zwar selten, aber belegt (s. Lincoln, Eph, 75).

71 Das Partizip kann medial wie passivisch gedeutet werden. Es benennt das Erfülltsein durch Christus als den, der (passivisch) seinerseits gänzlich (πάντα als acc. Graecus) angefüllt wird, sc. von Gott, oder (medial) von dem, der alles in allem erfüllt (vgl. 4.10; so z.B. Lincoln, Eph, 76f; Sellin, Eph, 156f). Im letzteren Fall wird die ekklesiologische Aussage verschränkt mit dem Hinweis auf die kosmologische Wirkung Christi. Dennoch ist damit nichts gesagt über die kosmologische Funktion der Kirche (so aber Lincoln; Sellin).

72 Vgl. so Luz, Eph, 125: ‘Die Kirche ist gleichsam der Ort der Realpräsenz Christi und Gottes in der Welt’; Lincoln, Eph, 77 (s.o. Anm. 58). Gnilka, Nach J., Der Epheserbrief (HThK 10/2; Freiburg: Herder, 1971)Google Scholar 105 ‘übt (die Kirche) eine Zwischenstellung oder Mittlerposition zwischen Christus und der Welt aus’.

73 Vgl. dazu M. C. Reheußer, Feminine Gemeindemetaphorik im Neuen Testament (Diss. Univ. Passau 2006; url: http://www.opus-bayern.de/uni-passau/volltexte/2006/82/) 31–41 und 114–27 zu Eph 5.

74 Ohne andere Assoziationsmöglichkeiten ausschließen zu wollen, sind zwei Traditionen als Intertexte relevant: die Vorstellung von der Ehe JHWHs mit Israel und die Homologumena, denn 2 Kor 11.2–4 wird für die Ekklesiologie, 1 Kor 11.3 für die Ehe rezipiert; vgl. zur Forschungsdiskussion und weiteren Assoziationen des Textes Theobald, Hochzeit, 244–8; Zimmermann, Geschlechtermetaphorik, 343–63. Interessant ist die heilsgeschichtliche Interpretation Dahls, N. A., Das Volk Gottes. Eine Untersuchung zum Kirchenbewusstsein des Urchristentums (Oslo 1941, Nachdr. Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft, 1963) 259–60Google Scholar, wonach ἐκκλησία in Eph 5 (wie in LXX) Israel bezeichnet. Sie könnte das Problem der ‘präexistenten Kirche’ lösen. Jedoch ist ein Bezug von ἐκκλησία auf Israel wegen V.30 und der Inkongruenz zu 2.14–18 nicht sinnvoll.

75 Dies wird aufgrund der Wirkungsgeschichte, auf die auch der Titel dieses Aufsatzes anspielt, leicht übersehen. Doch auch ohne derartige Nominalmetaphern wird die Vorstellung von der Braut- und Eherelation per analogiam und verbal evoziert; ihr wesentlicher Gehalt liegt in der mit dieser Beziehung implizierten asymmetrischen Exklusivität der Partnerschaft von Christus und ἐκκλησία.

76 Anders etwa urteilt Roloff, im Epheserbrief sei ‘eine neue Qualität der ekklesiologischen Aussage’ erreicht, da ‘die Kirche als handelndes Subjekt, als unmittelbares partnerschaftliches Gegenüber zu Christus und als Mittlerin des Heils erscheint’ (Kirche, 235–6, z.T. hervorgehoben, insbes. auf 5.22–33 bezogen).

77 Die in den Homologumena nicht belegte Verbindung von Tod Jesu und ‘Reinigung’ begegnet in Tit 2.14; Hebr 9.14 und 1 Joh 1.7, 9. In Eph 5 ist das Reinheitsmotiv auch durch den Bildspender motiviert, assoziiert es doch die sexuelle Reinheit einerseits, die Heilung von Hautkrankheit als Unreinheit (Lev 13–14) andererseits.

78 Diese Deutung passt besser in den Kontext der stets die einzelnen adressierenden Paränese. Auch ist Unreinheit (ἀκαθαρσία) eine sexuell konnotierte individuelle Verfehlung, typisch für die ‘Heiden’ (4.19; 5.3). Schließlich ermöglicht eine individuelle Deutung, 5.26 (wie 1 Kor 6.11) als Anspielung auf die Taufe des/der einzelnen zu verstehen; vgl. zur Frage Sellin, Eph, 448–9 (Lit!).

79 Dass die Funktion von Eph 5.22–33 als Korrektur der korinthischen Korrespondenz zu deuten ist, zeigt A. Merz im Detail (Warum die reine Braut Christi [2 Kor 11,2] zur Ehefrau wurde [Eph 5,22–33]. Thesen zur intertextuellen Transformation einer ekklesiologischen Metapher’, Paulus. Umstrittene Traditionen—lebendige Theologie. Eine feministische Lektüre [ed. Janssen, C. u.a.; Gütersloh: Kaiser/Gütersloher Verl., 2001] 148–65Google Scholar). Die Veränderung von der ‘reinen Braut Christi’ in 2 Kor 11.2–4 zur Ehefrau in Eph 5 diene zur ‘antiasketisch ausgerichtete(n) Apologie der Ehe’ (149) gegen eine asketische Paulus-Rezeption, wie sie z.B. ActPaul 5–6 positiv, 1 Tim 4.3 negativ bezeugen.

80 Zur Analyse der Argumentation in Eph 5.22–33 vgl. genauer Gerber, C., ‘Möglichst ohne Runzeln. Die Frau in der Ehe nach Eph 5’, Unbeschreiblich weiblich. Neue Fragen zur Geschlechterdifferenz in den Religionen (ed. dies. u.a.; Theologische Frauenforschung in Europa 26; Münster u.a.: LIT, 2011) 91115Google Scholar.

81 Vgl. 5.3, 5 zur Opposition von πορνεία und ἀκαθαρσία und Heiligkeit. Die Virginität der Braut ist auch durch das Bildfeld, die prophetische Ehemetaphorik, assoziiert, die Israel als untreue Ehefrau zeichnet (bes. Hos 1–3; Ez 16). Auch 2 Kor 11.2–4 spielt auf die Verführbarkeit der Frau an.

82 Im Duktus des Briefes ist hier an die Sündenvergebung zu denken (1.7; 2.1–3). Der Brief setzt die erlösende Bedeutung des Todes Jesu (ἀπολύτρωσις 1.7, 14; vgl. auch 5.2) mit der Tradition voraus, offenbar ohne Erklärungsbedarf zu sehen. Bezeichnend ist, dass die originelle Interpretation des Kreuzestodes Jesu als Tötung der Feindschaft (2.16) sich damit nicht ausschließt.

83 Während Paulus damit in 1 Kor 7.16 motiviert, bei seinem nichtglaubenden Ehepartner zu bleiben, ist für Eph 5.22–33 eine ‘Mischehe’ außerhalb des Möglichen; erst recht kann ihr kein ‘rettendes’ Potenzial zugewiesen werden. Vgl. 1 Kor 7.16 (τί γὰρ οἶδας, γύναι, εἰ τὸν ἄνδρα σώσεις; ἢ τί οἶδας, ἄνερ, εἰ τὴν γυναῖκα σώσεις;) mit Eph 5.23 (αὐτὸς [sc. Χριστὸς] σωτὴρ τοῦ σώματος).

84 Von den drei in Gal 3.28 angesprochenen Differenzen ist also nach Eph nur die von jüdischen und nichtjüdischen Menschen egalitär aufgehoben, während Sklavinnen, Sklaven und Frauen trotz Christuszugehörigkeit sozial subordiniert bleiben (5.22–33; 6.5–8).

85 Vgl. zum hier vorausgesetzten Metaphernverständnis Gerber, Leben, 373–4 (Lit.!); zur performativen Bedeutung von Metaphern für die Begründung kollektiver Identität vgl. Reinmuth, E., ‘Metaphorische Kommunikation des Politischen im Neuen Testament—der Epheserbrief’, Metaphern in Wissenskulturen (ed. Junge, M.; Wiesbaden: VS, 2010) 5370CrossRefGoogle Scholar.

86 Das Adjektiv σύσσωμος ist sonst nicht belegt; vgl. genauer Sellin, Eph, 258 mit Anm. 106.

87 Vgl. zur Diskussion nur aus jüngerer Zeit Walter, Gemeinde; Lindemann, A., ‘Die Kirche als Leib. Beobachtungen zur “demokratischen” Ekklesiologie bei Paulus’, ZThK 92 (1995) 140–65Google Scholar; Tuckett, C., ‘The Church as the Body of Christ’, Paul et l'unité des Chrétiens (ed. Schlosser, J.; SMBen.BE 19; Leuven: Peeters, 2010) 161–91Google Scholar. Gerade die Deutung der Leibmetapher war lange durch religionsgeschichtliche Ableitungen präjudiziert (vgl. Walter, Gemeinde, 8–37 zur Forschungsgeschichte). Doch leitet nicht zunächst die traditionelle Verwendung einer Metapher, sondern der Kontext der einzelnen Aussage das Verstehen derselben.

88 Zum Bildfeld vgl. Walter, Gemeinde, 70–104, 313–17. Mit ihm können die älteren Thesen, dass die Redeweise des corpus Paulinum das Konzept der corporate personality oder eines ‘Makroanthropos’ voraussetze (vgl. Walter, Gemeinde, 8–37), als obsolet gelten, da die paulinische Leibmetaphorik die politische Metaphorik aufnimmt, in welcher die Gemeinschaft und deren Struktur mit unterschiedlichen Pointen als dem menschlichen Organismus analog konzipiert werden.

89 Die komplexe Aussage ist hier nicht genau zu analysieren. Mit Sellin, Eph, 349–51 geht es bei der metaphorisierten Verbindung nicht nur um Zusammenhalt, sondern um Unterstützung durch das Haupt (ἐπιχορηγία). Die Vorstellung vom Wachstum ‘auf ihn hin, der das Haupt ist, Christus’ (4.15) ist hier also analog zu 2.21 nicht einfach im Sinne einer linearen Vergrößerung in die Höhe gemeint, sondern als qualitative Orientierung an Christus, d.h. ethisches Wachsen sowohl in der Liebe, die Christus nach 5.2 vorlebt, wie in der Wahrhaftigkeit, für die nach 4.21 Jesus steht.

90 Luz, U., ‘Ortsgemeinde und Gemeinschaft im Neuen Testament’, EvTh 70 (2010) 404–15Google Scholar, 406, vgl. 413–4 zu 4.1–16. Vom Kontext her, dem Ruf zur Wahrhaftigkeit und Standhaftigkeit, meint auch die metaphorische Zielformulierung εἰς ἄνδρα τέλειον (4.13) die individuelle Reifung, nicht das Wachsen des Kollektivs; darauf deutet auch die 1. Pers. Pl.

91 Vgl. zur hier vorausgesetzten Deutung Sellin, Eph, 217–18. Faust, Nach E., Pax Christi et pax Caesaris. Religionsgeschichtliche, traditionsgeschichtliche und sozialgeschichtliche Studien zum Epheserbrief (NTOA 24; Freiburg, Schweiz: Universitätsverlag; Göttingen: Vandenhock & Ruprecht, 1993) 290306CrossRefGoogle Scholar liegt darin auch eine implizite Kritik an entsprechender imperialer Verherrlichung der Friedensherrschaft des Augustus als Haupt des Staatsleibs.

92 So der vierfache numerische Kontrast, V.14, 15, 16, 18. Zur hier vorausgesetzten negativen Bewertung der Zweiheit und dem Einheitsideal vgl. Faust, Pax, 129–37 (Belege aus dem hellenistischen Judentum); Sellin, Eph, 220–1. οἱ ἀμϕότεροι spielt nach Faust, Pax, 137–8 spezifisch auf Konflikte zwischen Juden und Heiden in der Kaiserzeit an.

93 So etwa meint Fischer, dass die Leibmetapher eine christliche Variante der Vorstellung des ‘Allgott als Makroanthropos’ sei (Tendenz, 68–78, Zitat 76); vgl. Walter, Gemeinde, 22–4 zur Forschungsgeschichte.

94 So reproduzieren viele Auslegungen ἓν σῶμα in 4.4 oder ἐν ἑνὶ σώματι 2.16 als Aussage über ‘die eine Kirche’ (vgl. z.B. Schnackenburg, Eph, 117; Gnilka, Eph, 143–4, 201).

95 ἑνότης (4.3, 13) ist im NT nur im Eph gebraucht. Die philosophische Kategorie (s. Sellin, Eph, 313–5, 319) ist im Eph auffällig, da nur hier ‘begrifflich’ gesprochen wird (so Mayer, Sprache, 52–71). Dennoch bleibt die Rede von der Einheit hier nicht abstrakt, sondern wird durch Genetive (Geist, 4.3; Glaube und Erkenntnis) sowie die Einheitsmarker 4.4–6 inhaltlich gefüllt.

96 Nur hier findet sich ein Aspekt von ‘kirchlicher Organisation’: In 4.11 werden Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer aufgezählt als die Gaben Christi, ‘um die Heiligen für das Werk des Dienstes zuzurüsten, für die Erbauung des Leibes Christi…’ (4.12). Das genaue Verständnis der Funktionen bleibt unklar, doch sind sie mehrheitlich auf die Verkündigung bezogen. Nur das Hirtenamt könnte gemeindeleitend sein.

97 Vgl. 4.16 ἐν μέτρῳ ἑνὸς ἑκάστου μέρους. Bereits in 4.7 ist (Röm 12.3–8 vergleichbar) von der Begnadung ‘jedes/jeder von uns’ die Rede. Das ist nicht allein auf die in 4.11 aufgelisteten ‘Amtsträger’ zu beziehen, als sei von deren Amtsgnade die Rede (so z.B. Merklein, Amt, 59–64). Denn erstens spricht der Verfasser sonst nie in der 1. Pers. Pl. exklusiv von ‘uns Amtsträgern’, und zweitens geht es im ganzen Kontext um den konstruktiven Umgang aller innerhalb der Gemeinde, dem auch die ‘Gabe’ von ‘Aposteln, Prophetinnen’ etc. dient (4.11; vgl. auch Sellin, Eph, 328–9).

98 So Sellin, G., ‘Adresse und Intention des Epheserbriefs (1998)’, Studien zu Paulus und zum Epheserbrief (ed. Sänger, D.; FRLANT 229; Göttingen: Vandenhock & Ruprecht, 2009) 164–79CrossRefGoogle Scholar, 176 unter Aufnahme der Rede von ἑνότης.

99 Diese These hatte Fischer, Tendenz, 79–94 entwickelt, wobei er 3.6 als Kritik deutet: Die Völker seien ‘nur Miterben’ (a.a.O., 93). Nach Faust, Pax, 221–430 reagiert 2.14–18 auf Antijudaismus in der Asia.

100 Vgl. Walter, Gemeinde, 214, wonach der Eph die ‘Einheit der Kirche’ wahren will; konkreter meint Fischer, Tendenz, 39, die Kircheneinheit sei bedroht durch Einführung der Episkopalverfassung. 4.3 setzt nicht Kircheneinheit voraus, sondern die Einheit des Geistes.

101 Ein ‘Monapostolat’ des Paulus wird nicht entworfen; schon 3.5 macht deutlich, dass das Wissen des Paulus exquisit, aber nicht exklusiv ist.

102 Die fiktive Briefsituation ist am ehesten der des Römerbriefes vergleichbar, die Legitimation von Eph 3.1–13 steht Röm 15.15–21 am nächsten. Bezeichnend ist etwa die Differenz der Nachahmungsaufforderung: Nennt 1 Kor 4.16; 11.1 (vgl. Gal 4.12) Paulus als Vorbild, so Eph 5.1–2 in einer 1 Kor 4.16 vergleichbaren Vater-Metaphorik Gott (und Christus).

103 Während die Abgrenzung zu nichtjüdischen Menschen herausgearbeitet wird (s. 4.17–24), lässt die Frage nach dem Verhältnis zu Israel verschiedene Deutungen zu; vgl. Roitto, R., Behaving as a Christ-Believer. A Cognitive Perspective on Identity and Behavior Norms in Ephesians (CoBNT 46; Winona Lake, Ind.: Eisenbrauns, 2011) 190204Google Scholar.

104 Auch wenn aus 2.14–16 nicht hervorgeht, dass die Tora generell nicht mehr gilt (zur Diskussion vgl. Roitto, Behaving, 274–9), so ist wird doch implizit eine gesetzestreue christliche Theologie kritisiert, insofern sie die ‘Feindschaft’ zwischen jüdischen und nichtjüdischen Menschen aufrechterhält.

105 Vgl. entsprechend Wolter, M., ‘Die Entwicklung des paulinischen Christentums von einer Bekehrungsreligion zu einer Traditionsreligion’, Early Christianity 1 (2010) 1540CrossRefGoogle Scholar: Eph 4.1–6 kann vor dem Hintergrund von Ortsgemeinden individueller Gestalt als ein erster Versuch verstanden werden, ‘ökumenische “identity markers” zu bestimmen, die die Einheit der Christenheit markieren’. Damit entwickele Eph die paulinische Theologie fort für eine Zeit, in der das Christentum von der Bekehrungs- zur Traditionsreligion geworden sei (31–4, Zitat 34).

106 Bemerkenswert ist zumindest aus heutiger Sicht, dass ein Hinweis auf die Mahlgemeinschaft (vgl. 1 Kor 10.16–17) hier fehlt.

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Tabelle 1.