Jacob Eyferth. Frauenarbeit und die Politik des Selbstgewebten im sozialistischen China, 1949–1980.
Jahrzehnte nach der sozialistischen Revolution trugen Menschen im ländlichen China weiterhin Selbstgewebtes, und Millionen ländlicher Frauen verbrachten nach wie vor einen Großteil ihrer Tageszeit damit, Tücher und Kleider zu fertigen. Das ist rätselhaft, denn der Staat kritisierte die Handarbeit als Verschwendung von Arbeitskraft und Rohstoffen; außerdem hätten Staatsmonopole eigentlich die Verfügung des Staates über sämtliche Baumwollvorräte und die Versorgung der gesamten Landbevölkerung mit rationiertem, maschinengefertigtem Stoff gewährleisten sollen. Dieser Beitrag untersucht die Gründe dafür, dass sich der am Handwebstuhl gefertigte Stoff so lange hielt. Dazu gehören die Art und Weise, auf die sich die Handfertigung von Stoff in ländliche Geschlechternormen einfügte, eine Schenkökonomie, die für einschneidende Lebensereignisse den Tausch von Stoff vorsah, sowie ein Komplex des Mangels (an Getreide, Bargeld, Baumwolle und Stoff), der Menschen auf dem Land zwang, ihre Stoffrationen zu verkaufen, um dann aus mühsam zusammengetragenen Baumwollresten eigene Textilien zu fertigen.
Jeremy Krikler. Eine Kette des Mordes im Sklavenhandel. Der breitere Kontext des Zong-Massakers.
Dieser Beitrag untersucht das Massaker auf dem Sklavenschiff Zong – die 1781 auf See erfolgte Ermordung von etwa 130 Sklaven – aus einem neuem Blickwinkel. Bislang ist das Massaker vor allem in Hinblick auf rechtliche und insbesondere versicherungsrechtliche Fragen untersucht und zur kommerziellen Logik des britischen Sklavenhandels in Beziehung gesetzt worden. Übergeordnete kommerzielle Anliegen werden in diesem Beitrag zwar gebührend gewichtet, doch wird das Massaker auch kulturell sowie aus dem Kontext jener Prozedur erklärt, durch die Gefangene als zu verschiffende Sklaven ausgewählt wurden. Schiffsärzte spielten dabei eine wichtige Rolle. Es wird die These vertreten, dass Ärzte und Kapitäne – die Zong wurde von einem Mann befehligt, der beide Ämter ausübte – durch diese Prozedur gegenüber dem (durch afrikanische Prüfer verschuldeten) Tod derjenigen Gefangenen abstumpften, die als untauglich für den atlantischen Sklavenhandel eingestuft wurden. Des Weiteren wird argumentiert, dass sich medizinisches Expertenwissen im Sklavenhandel mit der schicksalsträchtigen Entscheidung darüber verband, ob einem Gefangenen Warenwert zuzuschreiben sei oder nicht. Wenn die Ärzte sich entschlossen, einem zur Verschiffung als Sklaven Gefangengenommenen keinen Warenwert zuzuschreiben, dann erlitt diese Person den “kommerziellen Tod”, auf den allzu oft der tatsächliche Tod folgte.
Juuso Marttila. Die Monopolisierung der Kunstfertigkeit. Prosopographische Analyse einer finnischen Eisenwerksgemeinde.
Dieser Beitrag untersucht den Fortbestand von Facharbeiterstrukturen sowie der mit ihnen verbundenen Kunstfertigkeit in einem Fall, in dem weder eine Gilde noch eine Gewerkschaft vorhanden waren. Durch die prosopographische Analyse einer finnischen Eisenwerksgemeinde verfolgt der Beitrag die Entwicklung eines lokalen Fertigkeitsmonopols von 1880 bis 1950. Dieses Monopol beruhte auf einem informellen System der Berufslehre sowie auf der Verfügung über Humankapital, außerdem war es eng mit dem geschlossenen Netzwerk der Schmiede und ihrer Familien verbunden. Es konnte auch ohne die Unterstützung formeller Institutionen uneingeschränkt funktionieren, so lange die lokalen Umstände günstig und die Mittel und der Wille zu seinem Erhalt vorhanden waren. Die Familienbeziehungen und die sozialen Netzwerke der Schmiede ersetzten, neben der Akzeptanz der Protektion, Gewerkschaften und Gilden als wichtigste strategische Ressource der Schmiedehaushalte.
Vera Parham. “Diesen Indianern geht es offenbar gut”: Der Mythos des Kapitalismus und die Arbeit der amerikanischen Ureinwohner.
In vielen Historiographien der amerikanischen Ureinwohner hat es den Anschein, als würde deren Geschichte von der nationalen Mythologie der Kolonisierung verschleiert. Menschen, die sich nicht in liberal-kapitalistische Vorstellungen von Individualismus und wirtschaftlicher Entwicklung fügen, werden schlichtweg aus der Geschichte getilgt. Selbst in historischen Werken, die auf die amerikanischen Ureinwohner fokussieren, wird kaum auf deren Reaktionen auf die kapitalistische Entwicklung eingegangen. Im pazifischen Nordwesten lässt sich die Geschichte jedoch nicht so einfach erzählen: Die amerikanischen Ureinwohner reagierten kreativ und bereitwillig auf neue Wirtschaftssysteme, in dem sie sich an der Lohnarbeit und der Entwicklung unternehmerischer Vorhaben beteiligten. Diese Reaktion ermöglichte es den Indigenen der Region, zu prosperieren und dabei zugleich ihre Kultur und ihre Tradition zu bewahren.