In der Bibliothek der Yale-Universität befindet sich eine wertvolle Sammlung lateinischer, skandinavischer und deutscher Handschriften, die zum Teil von der Bibliothek des Grafen Riant herrührt. Im ersten Teil des diese Bibliothek beschreibenden Katalogs wird auch des Codex 2472 Erwähnung getan, einer Handschrift, die anlässlich der Tagung der MLA 1932 zur Schau gestellt war. Sie besteht aus 401 nicht numerierten Blättern, ist zweispaltig geschrieben und enthält im Hauptteil die Revelationes Sanctae Birgittae. Der Schriftraum ist nicht liniert und enthält zwischen 25 und 38 Zeilen. Die Blattgrösse ist 33×26 cm. Die Anfangsbuchstaben der einzelnen Kapitel sind grosse, verzierte Initialen. Die ganze Hs. ist von einer einzigen Hand in gotischen, manchmal ins Kursive übergehenden Minuskeln sorgfältig und sauber geschrieben. Leider fehlen die ersten zwei Seiten, einschliesslich des Titelblattes. Gegen das Ende der Hs., nach dem Ende des letzten Kapitels (… emisit spiritum Explicit liber ultimus celestis revelationum dei btē Birgitte principesse Nerecie de regno Suedie … revelatus Deo graciacz:—) beginnt, von derselben Hand geschrieben, eine kurze Lebensgeschichte Birgittas in spätmhd. Sprache (2 Seiten), gefolgt von 2 lateinischen Gebeten (2 Seiten: inc. O amatissima x±i sponsa—expl. in celis; inc. Felix regnicola—exl. mentibus exequantur per d$nMm n$rMm i$hMm $xMm) und einem deutschen Gebet (2 Seiten). Auf der letzten Seite der Hs. steht ein lateinischer, gereimter Hymnus (Salue decus feminarum/Gemma lucens matronarum …), der jedoch nicht vollendet ist. Die dazugehörigen Seiten gingen wohl, wie so oft, beim Binden verloren. Diesem Hymnus liegt wohl der siebenteilige Plan zugrunde, mit dem er eingeleitet wird (Hec orō habet septem partes De ortu et origine eius De desponsacione eiucz De austeritate vite eius De viduitate eiucz De peregrinacione eius De infirmitate et morte De ipsius commendacione) und der auch auf den deutschen Teil Anwendung finden kann. Über die Klassifizierung dieser Handschrift und ihre Geschichte ist nichts bekannt. Man weiss nur, dass Graf Riant mit schwedischen Buchliebhabern in regem Verkehr stand und viele Handschriften aus Schweden kaufte. Bezüglich ihrer noch weiter zurückreichenden Geschichte kann man nur die allgemeine Vermutung aufstellen, dass sie, da ihr deutscher Ursprung durch vorliegende Arbeit als bewiesen gelten kann, während der Wirren des Dreissigjährigen Krieges durch die an ihrer Nationalheiligen interessierten schwedischen Krieger aus einem der zahlreichen Birgittenklöster nach Schweden kam. Man könnte dabei an das Schicksal des Codex Argenteus denken. Auch die Oxforder Benediktinerregel erfuhr ein ähnliches Schicksal und wanderte vom Rheinland nach England. Auch darüber werden wir vorläufig im Unklaren bleiben müssen, in welchem Zusammenhange diese Hs. mit den Übersetzungen des Matthias, Petrus Olavus von Skänninge und des Alfonsus steht. Jedenfalls besteht kein Zusammenhang zwischen unserer Hs. und den zahlreichen, bis jetzt erfassten und in Europa liegenden Handschriften. Ein Rückschluss vom lateinischen Teil auf den deutschen, der zur Lösung unserer Fragen viel beitragen könnte, ist also unmöglich. Wir werden die zwar seltene, aber gerade deshalb interessantere Aufgabe vor uns haben, vom deutschen Teil aus auf den lateinischen zu schliessen und damit auch zur Bestimmung der lateinischen Bestandteile beizutragen. So soll also die Dialektbestimmung nicht nur Selbstzweck sein, sondern auch Mittel zum Zweck.