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Die Schranken der Vernunft in Gellerts Leben der Schwedischen Gräfin von G.: Ein Beitrag zur Geistesgeschichte der Aufklärung

Published online by Cambridge University Press:  02 December 2020

Von Robert H. Spaethling*
Affiliation:
Williams College, Williamstown, Mass.

Extract

Gellert beendet den ersten Teil seines Romans mit der Rückkehr des totgeglaubten Grafen von G. aus sibirischer Gefangenschaft. Das zufällige und glückliche Wiedersehen des Grafen mit seiner Gemahlin ruft jedoch einige “Bestürzung” hervor, denn die Gräfin hatte sich inzwischen mit dem Herrn R., dem besten Freund des Grafen, vermählt. Herr R. fühlt sich deshalb genötigt, dem zurückgekehrten Freund folgendes Bekenntnis zu machen: “Ich habe Sie durch die unschuldigste Liebe so sehr beleidigt, als ob ich Ihr Feind gewesen wäre. Ich habe Ihnen Ihre Gemahlin entzogen … Ihre Gegenwart aber verdammt nunmehr das sonst so tugendhafte Band.” Die Gräfin von G., nicht weniger bekümmert und verstört, eröffnet den zweiten Teil ihrer Lebensgeschichte mit einer ähnlich selbstquälerischen Reflexion: “und eben zu der Zeit, da er mich so brünstig geliebt und alles für mich gefühlt hat, was nur sein Elend hat vergrößern können, habe ich in den Armen eines andern Gemahls der Freuden der Liebe und des Lebens genossen. Wie viel tausend Thränen hat mich dieser Gedanke schon gekostet, und wie oft bin ich vor meiner unschuldigen Liebe zu dem Herrn R. als vor einem Verbrechen erröthet” (iv, 256 f.).

Type
Research Article
Copyright
Copyright © Modern Language Association of America, 1966

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References

1 C. F. Gellerts sämmtliche Schriften (Leipzig, 1839), iv, 251 f. Alle weiteren Zitate sind, wenn nicht anders vermerkt, dieser Ausgabe entnommen und erscheinen mit Angabe von Band und Seite im Text.

2 Hermann Hettner, Geschichte der deutschen Literatur im 18. Jahrhundert (Berlin, 1961), i, 302.

3 Daniel Defoe, The Fortunes and Misfortunes of the Famous Moll Flanders (New York: Modern Library, 1950), S. 81.

4 Geliert, Tagebuch aus dem Jahre 1761 (Leipzig, 1863), S. 9.

5 Kurt May fand diesen ungedruckten Brief in der Stuttgarter Hofbibliothek. Vgl. Kurt May, Das Weltbild in Gellerts Dichtung (Frankfurt a.M., 1928), S. 140.

6 Hans M. Wolff, Die Weltanschauung der deutschen Aufklärung (Bern, 1949), S. 185.

7 “Deutsche Aufklärung im Widerspiel zu Barock und ‘Neubarock’,” Germanisch-Romanische Monatsschrift, N.F. xii (1962), S. 163.

8 Günther Müller, Geschichte der deutschen Seele (Freiburg i. Br., 1939), S. 208.

9 Brief vom 16. Februar, 1752 (viii, 37).

10 Fritz Brüggemann, Gellerts schwedische Gräfin (Aachen, 1925), S. 36.

11 “Goethe und die Deutschen,” Monatshefte (Januar 1948), S. 1–16.

12 The Emergence of German as a Literary Language 1700–1775 (Cambridge: University Press, 1959) S. 208.

13 Fritz Brüggemann, S. 9.

14 Geliert litt anscheinend an einer Lähmung der Darmorgane und Entzündung des Unterleibs. Vgl. J. A. Cramer, x, 281 f.; vgl. auch Das Andenken des Herrn Christian Fürchtegott Geliert von Johann August Ernesti (Leipzig, 1770), S. 37: “Der Anblick seines geöffneten Körpers war traurig … Der Blind- und Mastdarm war über die Maaße ausgedehnt und aufgeschwollen …”

15 Kurt May, S. 51.

16 Februar 1756, S. 41–89.

17 Die Übersetzung war in der Tat so schlecht, daß sie Haller in den Göttingischen Gelehrten Anzeigen als eine nationale Schande rügte. G.G.A., 1754, S. 704.

18 vi, 231, 1752.

19 lv, 66, August 1776.

20 lv, 66, July 1776.

21 Briefwechsel zwischen Albrecht von Haller und Eberhard Friedrich von Gemmingen, hgb. von Hermann Fischer (Tübingen, 1899), S. 139.

22 G.G.A., 1775, clxiv f.

23 Frankfurt und Leipzig, 1771.

24 Die Unklarheit besteht vor allem in der Frage, wer den berühmten Artikel in den Frankfurter Gelehrten Anzeigen vom Jahre 1772 (Deutsche Lit. Denkmale d. 18. Jhds., Heilbronn, 1883, S. 98 ff.) geschrieben hat. Es scheint eine gemeinsame Arbeit von Goethe, Herder und Merck gewesen zu sein. Vgl. dazu Max Morris, Goethes und Herders Anteil an dem Jahrgang 1772 der Frankfurter Gelehrten Anzeigen (Berlin, 1909), S. 494 f.; vgl. auch Albert Leitzmann “Goethe und Geliert” in: Goethe. Viermonatsschrift der Goethe-Gesellschaft, viii, 1943, S. 115 ff.

25 Johann Georg Hamann. Sämtliche Werke, hgb. von Josef Nadler (Wien, 1952), rv, 27.

26 Briefe von Johann Heinrich Voß, hgb. von Abraham Voß (Leipzig, 1840), i, 185.

27 Robert Koenig, Deutsche Literaturgeschichte (Leipzig, 1886), 18. Aufl., S. 316. Für Zitate: Julian Schmidt. Geschichte der Deutschen Literatur von Leibniz bis auf unsere Zeit (Berlin, 1886), S. 221; Erich Schmidt, Allgemeine Deutsche Biographie (Leipzig, 1878), viii, S. 548; Adolf Schullerus, Gellerts Leben und Werke (o.O., 1891); Hermann Hettner (a.a.O.).

28 Richard Benz, Deutsches Barock (Stuttgart, 1949) S. 392; Günther Müller, Geschichte der deutschen Seele (Freiburg i. Br., 1939), S. 206 f.; Alessandro Pellegrini, “La crisi dell' ‘Aufklärung’: l'opera poetica di C. F. Geliert e la società del suo tempo,” in Dalla “Sensibilità” al Nichilismo (Milano, 1962), S. 65 ff.

29 Eric A. Blackall, S. 200 f.

30 Vgl. Walter Eiermanns ausführliche Untersuchung von Gellerts Briefstil (Leipzig, 1912), in Teutonia, Heft 23. Vgl. auch Untersuchungen von Gellerts Fabelstil: Fritz Helber, Der Stil Gellerts in den Fabeln und Gedichten (Würzburg, 1937).

31 Vgl. Erich Schmidts Rezension “August Lehmann Forschungen über Lessings Sprache,” in Zeitschrift für Dt. Altertum und Dt. Literatur, N.F., viii, 3.u. 4. Heft, S. 54 f.

32 Fritz Fleischhauer, Geliert (Bielefeld und Leipzig, 1923), S. 39. Hierher gehören die Arbeiten von Albert Leitzmann (a.a.O.); Fritz Brüggemann (a.a.O.); Kurt May (a.a.O.); vor allem der Aufsatz von Israel Stamm, “Gellert: Religion and Rationalism.” Germanic Review, xxviii (1953), S. 195 f. und die Hinweise auf Geliert und Prévost bei Newald in Die deutsche Literatur vom Späthumanismus zur Empfindsamkeit, 1570–1750 (München, 1951), S. 518 und bei Walter Mönch, Deutsche Kultur von der Aufklärung bis zur Gegenwart (München, 1962), S. 89. Vgl. auch Martin Greiner, Die Entstehung der modernen Unterhaltungsliteratur, hgb. von Therese Poser (Hamburg, 1964), S. 30: “er ist ebenso durch Prévost wie durch Richardson angeregt worden.”

33 Dazu die Bemerkung, daß der Familienroman bis ins 16. Jahrhundert, besonders in der spanischen Literatur, zurückreicht und daß “Einfluß” oft nicht mehr bedeuten kann, als eine Bestätigung der vorherrschenden Themen und des Zeitstils.

34 F. J. Schneider, Die deutsche Dichtung vom Ausgang des Barock bis zum Beginn des Klassizismus 1700–1785 (Stuttgart, 1924), S. 263.

35 Elisabeth Kretschmer, Geliert als Romanschriftsteller (Breslau, 1902), S. 33.

36 Beide Hinweise bei Kretschmer, S. 9 und S. 21 f.

57 F. C. Green, “Some Observations on Technique and Form in the French Seventeenth and Eighteenth Century Novel” in Stil- und Formprobleme in der Literatur (Heidelberg. 1959), S. 208 f.

38 Abbé Prévost in Deutschland (Heidelberg, 1929), S. 94.

39 Brief vom 30. Mai 1757 (viii, 219).

40 Obwohl Prévost im Gegensatz zu den Jansenisten an der ursprünglichen Güte im Menschen festhält. Vgl. Franz Paul, Die philosophischen Grundanschauungen in den Romanen des Abbé Prévost (Marburg, 1911), S. 51, 85 f.

41 L'Abbé Prévost, Histoire du Chevalier Des Grieux et de Manon Lescaut (Paris: Bibliothèque de Cluny, 1957), S. 110.

42 Brief vom 19. Dez. 1753. (viii, 60 f.).

43 Hermann Hettner, Geschichte der französischen Literatur im 18. Jhd. (Braunschweig, 1912), S. 96.

44 (A.a.O.), S. 261.

45 Daniel Defoe, Robinson Crusoe (New York: Signet Classics, 1961), S. 18.

46 Christian Thomasius, Von der Kunst Vernünftig und Tugendhaft zu lieben, Als dem eintzigen Mittel zu einem glückseligen / galanten und vergnügten Leben zu gelangen. Oder: Einleitung der Sitten Lehre. (Halle, 1720), 7. Auflage, “Vorrede”.

47 Ibid., S. 19.

48 Vgl. Hans M. Wolff, Die Weltanschauung der Aufklärung (a.a.O.), S. 42–43.

49 Christian Thomasius, ein deutscher Gelehrter ohne Misere (Berlin, 1953), S. 18.

50 Bonamy Dobrée, English Literature in the Early Eighteenth Century (Oxford, 1959), S. 16.

51 Versuch eines vollständigen grammatisch-kritischen Wörterbuches der hochdeutschen Mundart (Leipzig, 1777), iii, Sp. 1475.

52 Blankenburg, Versuch über den Roman (Leipzig und Liegnitz, 1774), S. 519.

53 “Romantheorie und Romantypus in der deutschen Aufklärung,” in Dt. Vierteljahrschrift f. Lit. mss. u. Geistesgesch., 4. Jahrgang, Heft 3, S. 187.

54 Neue Gesamtausgabe der Werke und Schriften, hgb. von Gerhart Baumann (Cotta; Stuttgart), iv, 720/722.

55 “Gellert: Religion and Rationalism,” Germanic Review, xxviii (1953), S. 196, 201.

56 Geliert, Tagebuch (a.a.O.), S. 53 f.