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Der Verzicht Auf Die Beschneidung im Frühen Christentum
Published online by Cambridge University Press: 05 February 2009
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Die neutestamentlichen Schriften blicken mehrheitlich mit erheblichem zeitlichem Abstand auf die Anfänge des frühen Christentums zurück. Dieser Blick ist in keinem Fall von einem ausschlieβlich historischen Interesse geleitet, er dient vielmehr durchgehend der Selbstvergewisserung der eigenen Gegenwart. So erscheint die Verhältnisbestimmung zum Judentum in fast alien Schriften durch eine klare Abgrenzung gekennzeichnet. Der weitgehend negative Verlauf der christlichen Mission an Juden einerseits und der Fall Jerusalems im Jahr 70 n.Chr. andererseits haben diese neutestamentliche Sicht im wesentlichen geprägt.
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- Copyright © Cambridge University Press 1996
References
1 Dieser Ausdruck im Anschluß an die mehrfache Verwendung in dem Werk von Dunn, J. G. D., Jesus, Paul and the Law. Studies in Mark and Galatians (London: SCM, 1990).Google Scholar
2 Hengel, M., Judentum und Hellenismus. Studien zu ihrer Begegnung unter besonderer Berücksichtigung Palästinas bis zur Mitte des 2. Jh.s v.Chr (WUNT 10; Tübingen: J. C. B. Mohr, 3. Auflage 1988) 561.Google Scholar
3 Betz, O., ‘Beschneidung V’, TRE 2 (1978) 718:Google Scholar ‘In den Qumranschriften ist die Beschneidung als etwas Selbstverständliches vorausgesetzt und deshalb nur in bildlichem Sinne erwähnt.’ Positive Zeugnisse für die Selbstverständlichkeit des Beschneidungsbrauches stellen auch Lk 2.21; Joh 7.22; Phil 3.5 dar.
4 Der Rechtsstreit Joh 7.14–24 geht wohl auf die Auseinandersetzung der johanneischen Gemeinde mit dem Judentum zurück. Will man allerdings in V. 22–3 darüber hinaus ein Wort Jesu finden, so würde es rabbinischen Grundsätzen (Shab 18.3; 19.2; Ned 3.3_legacy1), daβ die Beschneidung über dem Sabbatgebot steht, entsprechen und insofern Jesu Verankerung im Judentum in dieser Hinsicht nur bestätigen.
Der Dialog zwischen Jesus und den Jüngern über den Nutzen der Beschneidung in Log 53 des EvThom greift in dem Motiv der ‘Beschneidung im Geist’ zwar auf jüdische Voraussetzungen zurück, aber die schroffe Entgegensetzung zur realen Beschneidung ist doch wohl nur als christliche Interpretation zu begreifen. Insofern muβ Log 53 des EvThom für die Rekonstruktion der Verkündigung Jesu ausfallen (Übersetzung bei Schneemelcher, W., Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung 1:Google ScholarEvangelien (Tübingen: J. C. B. Mohr, 6. Auflage 1990) 107–8:Google Scholar Seine Jünger sagten zu ihm: Ist die Beschneidung nützlich oder nicht? Er sagte zu ihnen: Wenn sie nützlich wäre, würde ihr Vater sie schon beschnitten in ihrer Mutter zeugen. Aber die wahre Beschneidung im Geist hat vollen Nutzen gehabt); vgl. zu Log 53 des EvThom: Fieger, M., Das Thomasevangelium. Einleitung, Kommentar und Systematik (NTA.NF 22; Münster: Aschendorff, 1991) 162–3.Google Scholar
5 In Gal 2.4–5 ist diese Forderung nicht explizit genannt. Der direkte Kontext, nämlich die Erwähnung des unbeschnittenen Heidenchristen Titus (V. 3) und der Verweis auf die Diskussion mit den Falschbrüdern (V. 5b), die letztlich den unbeschnittenen Galatern zugute kam (V. 6b), legen diese Schluβfolgerung nahe.
6 So mit Recht Lüdemann, G., Paulus, der Heidenapostel 1:Google ScholarStudien zur Chronologie (FRLANT 123; Göttingen: V & R, 1980) 99.Google Scholar In ders., Das frühe Christentum nach den Traditionen der Apostelgeschichte. Ein Kommentar (Göttingen: V & R, 1987) 178Google Scholar, allerdings: ‘Der Anlaβ der Konferenz waren ähnliche Forderungen wie die auf der Konferenz erhobenen …’ Wenn jedoch (von Lüdemann, , Paulus 1, 101–5Google Scholar) der antiochenische Zwischenfall als dem Apostelkonzil vorausgehend datiert wird und hierin für Paulus der eigentliche Anlaβ, nach Jerusalem zu gehen, gelegen haben soil, dann wäre Paulus im vollen Bewuβtsein, die Reichweite des Zeremonialgesetzes zu diskutieren, zum Konvent gegangen. Nur unter dieser Voraussetzung könnte die Mitnahme des unbeschnittenen Titus zweifelsfrei als ‘Testfall’ (Muβner, F., Der Galaterbrief [HThK 9; Freiburg: Herder, 4. Auflage 1981] 106Google Scholar) angesehen werden (vgl. zu dieser problematischen These: Horn, F. W., Das Angeld des Geistes. Studien zur paulinischen Pneumatologie [FRLANT 154; Göttingen: V & R, 1992] 367–8 Anm. 75Google Scholar). Die sog. erste Missionsreise (Apg 13–14), die in Gal 1.21 angesprochen zu sein scheint, gehört wohl auch zu den Voraussetzungen des Apostelkonvents (mit Recht Roloff, J., Die Apostelgeschichte [NTD 5; Göttingen: V & R, 1981] 195Google Scholar).
7 Im strengen Sinn bezieht sich Apg 15.5b ‘man muβ sie beschneiden’ auf die Mitreisenden aus Antiochia (15.2). Der in Gal 2.3 erwähnte Titus war demnach nicht der einzige unbeschnittene Heidenchrist auf dem Konvent.
8 Hahn, F., Das Verständnis der Mission im Neuen Testament (WMANT 13; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 1963) 66Google Scholar, vermutet (mit Apg 15.1–2), daβ dem Apostelkonvent eine Auseinandersetzung mit Judaisten wegen der Frage der Beschneidung in Antiochia vorausgegangen sein muβ. Gegen Lüdemann, G., Paulus, der Heidenapostel. Band 2: Antipaulinismus im frühen Christentum (FRLANT 130; Göttingen: V & R, 1983) 60Google Scholar, sagt Gal 2.4 nicht, die falschen Brüder hätten sich in die Gemeinde Antiochias eingeschlichen. Hier scheint Apg 15.1–2 in den paulinischen Bericht eingelesen zu sein. Allerdings verbindet Lk in Apg 15 vermutlich den Bericht vom Apostelkonvent mit demjenigen vom (nicht eigens erwähnten) antiochenischen Zwischenfall, so daβ er bereits den Anlaβ zum Apostelkonvent - ganz analog zu dem des antiochenischen Zwischenfalls in der paulinischen Darstellung - in der Intervention judäischer Christen in die antiochenische Gemeinde sieht.
9 Zur lukanischen Stilisierung der Beschreibung in Apg 15.5: Weiser, A., Die Apostelgeschichte. Kapitel 13–28 (ÖTK 5/2; Gütersloh: Götersloher, 1985) 369–70.Google Scholar
10 Die Vorordnung des antiochenischen Streits vor den Apostelkonvent vertritt jetzt auch Böcher, O., ‘Das sogenannte Aposteldekret’, Vom Urchristentum zu Jesus. FS J. Gnilka (H. Frankemölle und K. Kertelge, Hg.; Freiburg-Basel-Wien: Herder, 1989) 325–36, 331.Google Scholar
11 Der Angriff der Jakobusleute kann sich a) auf das Essen unreiner Speisen b) auf die Tischgemeinschaft mit (ehemaligen) Heiden c) auf beides beziehen; vgl. hierzu Sevenster, J. N., The Roots of Pagan Antisemitism in the Ancient World (NT.S 41; Leiden: Brill, 1975) 139.CrossRefGoogle Scholar
12 Nach KP 1, 1194 setzte Hadrian die Beschneidung mit der castratio gleich und stellte sie unter Strafe. Er folgte hierin wahrscheinlich einer Praxis Domitians. Ausführlicher dazu Schürer, E., Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi 1 (Leipzig: Hinrichs, 5. Auflage 1920) 677–8;Google Scholar ders., The History of the Jewish People in the Age of Jesus Christ 1 (revised and edited by Vermes, G. & Millar, F.; Edinburgh: T. & T. Clark, 1973) 538–9;Google ScholarSmallwood, E. M., ‘The Legislation of Hadrian and Antoninus Pius against Circumcision’, Latomus 18 (1959) 334–47;Google ScholarHengel, M., ‘Hadrians Politik gegenüber Juden und Christen’, Janes 16/17 (1984/1985 [Ancient Studies in Memory of E. Bickerman]) 153–82.Google Scholar
13 Lüdemann, , Christentum, 144Google Scholar zu Apg 11.19–26. Gegenüber ders., Paulus 1, 168Google Scholar ist loc. cit. auch die These (im Anschluβ an Conzelmann, H., Die Apostelgeschichte [HNT 7; Tübingen: J. C. B. Mohr, 2. Auflage 1972] 80Google Scholar), Apg 13–14 stelle die Ik Konstruktion einer ‘Modellreise’ dar, aufgegeben.
14 Unbeschadet der lk stereotypen Stilisierung zu einem Anknüpfungsschema (Apg 9.20; 13.3_legacy4; 14.1; 16.13; 17.1–2; 17.10, 17; 18.4, 19; 19.8) wird ein historisch zutreffender Sachverhalt zugrundeliegen (Weiser, dazu, Apostelgeschichte 2.330Google Scholar). M.E. wird (gegen Lüdemann, , Paulus 1, 96 Anm. 85Google Scholar) die These einer ausschlieβlichen Heidenmission Pauli dem gemischten Charakter der paulinischen Gemeinden nicht gerecht.
15 So Hengel, M., Zur urchristlichen Geschichtsschreibung (Stuttgart: Calwer, 2. Auflage 1984) 70;Google Scholar zustimmend Riesner, R., Die Frühzeit des Apostels Paulus. Studien zur Chronologie, Missionsstrategie und Theologie (WUNT 71; Tübingen: J. C. B. Mohr, 1994) 97Google Scholar. Freilich ist aus der Philippus-Mission diesbezüglich nichts bekannt. Doch setzt die Bekehrungsgeschichte des äthiopischen Eunuchen (Apg 8.26–40) einen vergleichbaren Akzent: der Eunuch ist - wie der Heide - von der Endzeitgemeinde nicht mehr ausgeschlossen. Sänger, D., Die Verkündigung des Gekreuzigten und Israel. Studien zum Verhältnis von Kirche und Israel bei Paulus und im frühen Christentum (WUNT 75; Tübingen: J. C. B. Mohr, 1994) 238Google Scholar Anm. 252 vermutet in einem Umkehrschluβ der Argumente aus Gal 5.11; 6.12, daβ bereits der Stephanuskreis auf die Beschneidung verzichtet habe, und daβ dies der Anlaβ der Strafsanktion gewesen sei.
16 Bauer-Aland 1198: ‘nichts wert, nichtig, ungültig’. Merklein, H., ‘Der paulinische Leib-Christi-Gedanke’, in ders., Studien zu Jesus und Paulus (WUNT 43; Tübingen: J. C. B. Mohr, 1987) 325Google Scholar Anm. 34 betont zu Recht, daβ Beschneidung und Unbeschnittenheit ‘keine Rolle mehr spielen, faktisch (sarkisch) aber noch vorhanden sind’.
17 Bauer-Aland 778: nichts ‘gelten, bedeuten’.
18 Schlier, H., Der Brief an die Galater (KEK 7; Göttingen: V & R, 5. Auflage 1971) 283Google Scholar Anm. 1: ‘In 1 Kor 7.19 könnte ein jüdischer Satz übernommen sein …’ Ähnlich zuvor bereits Weiβ, J., Der erste Korintherbrief (KEK 5; Göttingen: V & R, 9. Auflage 1910) 187Google Scholar; Bultmann, R., ‘Paulus’, RGG 2 4 (1930) 1029.Google Scholar Dem ist insoweit zuzustimmen, als der Satz in seinen einzelnen Elementen den Rahmen jüdischer Theologie nicht verläβt. Allerdings ist die in ihm zum Ausdruck kommende Antithese nur unter christlichen Voraussetzungen möglich; so mit Recht Stuhlmacher, P., ‘Erwägungen zum ontologischen Charakter der καινὴ κτίσις bei Paulus’, EvTh 27 (1967) 1–35, 3.Google Scholar
19 Ob die Formeln über die Missionstätigkeit hinaus spezifisch antiochenische Gemeindeerfahrungen verarbeiten, kann angefragt werden. Hengel, M., Paulus und das antike Judentum (ders. und U. Heckel, Hg.; WUNT 58; Tübingen: J. C. B. Mohr, 1991) 329Google Scholar, hat in einem Diskussionsbeitrag die These vertreten, daβ durch das Verhalten des Petrus in Antiochia, welches Paulus als ἰουδαΐζειν kennzeichnet, die Heidenchristen zur Beschneidung verführt worden wären, auch wenn das Verb nicht notwendig diese Bedeutung impliziert. In Jos. Bell 2.454 ist die Beschneidung als letzte Maβnahme des ἰουδαΐζειν eigens genannt.
20 U. Heckel, ‘Das Bild der Heiden und die Identität der Christen bei Paulus’, Feldmeier, R. und Heckel, U., Hg., Die Heiden. Juden, Christen und das Problem des Fremden (WUNT 70; Tübingen: J. C. B. Mohr, 1994) 269–96Google Scholar weist darauf hin, daβ hierbei - auch wenn Juden und Griechen genannt sind - nur an Judenchristen und Heidenchristen zu denken sei (280–1). Allerdings wird so die mögliche rhetorische Disposition unterbewertet, die - wie bei den Parallelbeispielen Opposita - benennt.
21 Weiβ, , Der erste Korintherbrief, 185Google Scholar hat die Frage, ob eine aktuelle Herausforderung vorliegt, ausführlich diskutiert. Der Epispasmos war gewiβ für das hellenistische Diasporajudentum im Kontext antiker Ironisierung der circumcisio und aufklärter Lebenshaltung ein Ausweg, allein ist dies in den Quellen selten angesprochen: 1 Makk 1.15; Jos. Ant 12.241; AssMos 8.3. Ob die Enthusiasten in Korinth, sofern sie aus dem Judentum kommen, dem Epispasmos zugesprochen haben, bleibt reine Spekulation.
22 Conzelmann, , Apostelgeschichte, 97Google Scholar. Der Übergang vom jüdischen Erbe zum Heidenchristentum muβ sozusagen korrekt vollzogen werden: Timotheus kann als Sohn einer jüdischen Mutter nicht Heidenchrist werden, sondern Judenchrist. Auch berichtet allein Lukas von der Beschneidung Jesu (Lk 2.21).
23 Theiβen, G., ‘Judentum und Christentum bei Paulus. Sozialgeschichtliche Überlegungen zu einem beginnenden Schisma’, Paulus und das antike Judentum (M. Hengel und U. Heckel, Hg.; WUNT 58; Tübingen: J. C. B. Mohr, 1991) 331–56 (339 Anm. 17)Google Scholar. M.E. schlieβt ein dictum wie 1 Kor 7.17 in seiner adiaphoristischen Ausrichtung diese Unterscheidung aus. Praktisch würde diese Unterscheidung das Zusammenleben in gemischten Gemeinden - etwa in Speisefragen - unmöglich machen.
24 Lüdemann, Nach, Christentum, 183Google Scholar hat man vielleicht ‘auf der Konferenz unter Hinweis auf Timotheus die Beschneidung des Titus’ verlangt. Auch Roloff, , Apostelgeschichte, 240Google Scholar u.a. verlegen den ersten Kontakt des Paulus zu Timotheus und dessen Taufe (in 1 Kor 4.17 eventuell vorausgesetzt) auf die erste Missionsreise, nehmen aber die Beschneidung aus dieser Begegnung aus.
25 Zum Verbot der Mischehe: W. Bousset-H. Greβmann, , Die Religion des Judentums im späthellenistischen Zeitalter (HNT 21; Tübingen: J. C. B. Mohr, 4. Auflage 1966) 93Google Scholar.
26 Die rabbinische Rechtsauffassung hat wohl Voraussetzungen vor dem 2 Jhd.; so Schiffman, L. H., ‘At the Crossroads: Tannaitic Perspectives on the Jewish-Christian Schism’, Jewish and Christian Self-Definition 2 (E. P. Sanders u.a, ed., Philadelphia/London: SCM, 1981), 115–56, 338–52Google Scholar; anders Cohen, S. J. D., ‘Was Timothy Jewish (Acts 16.1–3)?’, JBL 105 (1986) 251–68Google Scholar; auβerdem Bryan, C., ‘A Further Look at Acts 16.1–3’, JBL 107 (1988) 292–4Google Scholar. In Qid 3.12 wird diese Rechtsauffassung für den Fall, daβ die Mutter Heidin und der Vater Jude ist, begründet; dazu Bill 2.741 und 4/1.378–9. Conzelmann, H., Der erste Brief an die Korinther (KEK 5, Göttingen: V & R, 1969) 148Google Scholar zeigt zu 1 Kor 7.14, daβ Paulus sich von dieser Rechtsauffassung in Hinblick auf christliche Mischehen leiten läβt. Innerhalb des rabbinischen Judentums hat es jedoch auch Schwankungen zwischen patrilinearer und matrilinearer Folge gegeben; dazu Falk, Z. W., ‘Mischehe’, TRE 23 (1994) 3–7Google Scholar.
27 Sowohl das Faktum der Mischehe als auch die unterlassene Beschneidung des Timotheus könnten nahelegen, ‘that Timothy, living in the Diaspora, did not grow up in a pious or strictly observant Jewish home’ (Gillman, J., ‘Timothy’, ABD 5 [1992] 558–50Google Scholar). Aber schon Bill 4/1. 379 bemerkte: ‘Die Praxis wird den Vorschriften gewiβ vielfach nicht entsprochen haben.’ Man muβ hinzufügen, daβ alle näheren Umstände unbekannt sind. Denkbar ist auch, daβ die Mutter des Timotheus ursprünglich Heidin war, sodann jüdische Proselytin wurde und jetzt Christin ist. Dafür spricht, daβ a) erst im Stand einer Proselytin ihre Ehe als ungesetzlich erscheint, daβ b) so die unterlassene Beschneidung erklärlich wäre und daβ c) in der neutestamentlichen Überlieferung (2 Tim 1.5) die Mutter des Timotheus den durch und durch heidnischen Namen Εὐνίκη hat: dazu Bauer-Aland 654; sowie den Anhang ‘Prosopographie’ bei Mayer, G., Die jüdische Frau in der hellenistisch-römischen Antike (Stuttgart: Kohlhammer, 1987) 103–27Google Scholar, wo dieser Name nicht verzeichnet ist.
28 Daβ die Beschneidung ‘nicht nachträglich an dem Christen Timotheus vollzogen wurde, sondern an dem Neubekehrten (vor der Taufe?)’, so Lüdemann, , Christentum, 183Google Scholar, ist spekulativ, auch wenn diese Abfolge rabbinischem Recht entspricht (Yev 47). Denkbar, wenngleich ebenfalls nicht nachweisbar ist die Vermutung von Roloff, J., Der erste Brief an Timotheus (EKK 15; Zürich: Benziger/Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 1988) 21Google Scholar, Paulus habe Timotheus auf der ersten Missionsreise (Apg 14.6–20) kennengelernt und bekehrt.
29 Diese Erklärung sollte immer der kritischen Anfrage von Overbeck, F., Kurze Erklärung der Apostelgeschichte (Leipzig: Hirzel, 4. Auflage 1870) 250Google Scholar eingedenk bleiben: ‘Beschneidung ohne religiöse Bedeutung ist ein Ding, das zur Zeit des Paulus dem Judentum gegenüber schlechthin sinnlos war und an welches in der Wirklichkeit des Lebens nie gedacht werden konnte.’ Haenchen, E., Die Apostelgeschichte (KEK 3; Göttingen: V & R, 6. Auflage 1968) 421Google Scholar, vermerkt zusätzlich: ‘Der Gedanke, daβ man die Beschneidung an sich vollziehen läβt, um Schwierigkeiten der Mission zu vermeiden (…), wäre für ihn (Paulus; F. W. H.) Lüge und Blasphemie Gottes in einem gewesen.’ Man muβ freilich sehen, daβ Lukas dies explizit anders verstanden hat.
30 Da Timotheus ja Jude von Geburt her ist, liegt der Fall anders als bei dem Heidenchristen Titus, der nach Gal 2.3 nicht beschnitten wurde.
31 Weiβ, Bereits, Der erste Korintherbrief, 185Google Scholar vermerkte, daβ Paulus in der Beschneidungsfrage in 1 Kor 7 ‘eine ganz andere Betrachtungsweise’ als im Galaterbrief vortrage, die im Hinblick auf die gewöhnlich angenommene Chronologie (Datierung des Gal vor die Kor) verwunderlich sei.
32 Weiser, , Apostelgeschichte, 402Google Scholar stellt Befürworter und Gegner dieser These zusammen.
33 Vgl. Borgen, P., ‘Paul Preaches Circumcision and Pleases Men’, Paul and Paulinism. FS C. K. Barrett (M. D. Hooker/S. G. Wilson, ed.; London: SPCK, 1982) 37–46Google Scholar; ders., ‘Observations on the Theme “Paul and Philo”. Paul's Preaching of Circumcision in Galatia (Gal 5.11) and Debates on Circumcision in Philo’, , Die Paulinische Literatur und Theologie (S. Pedersen, Hg.; Göttingen: V & R, 1980) 85–102Google Scholar.
34 So Bauer-Aland 639 zu Gal 5.11.
35 Nach Bornkamm, G., Paulus (Stuttgart: Kohlhammer, 2. Auflage 1969) 35Google Scholar, haben die ‘späteren judaistischen Gegner in Galatien bei ihrem Eintreten für die Beschneidung die frühere Praxis des Apostels gegen ihn ausgespielt’. In dieser vorchristlichen Zeit habe Paulus ‘jüdische Heidenmission nach den strengsten Grundsätzen’ betrieben. M. Hengel, ‘Der vorchristliche Paulus’, in: ders. und Heckel, U., Paulus und das antike Judentum (177–291) 262Google Scholar, bezieht Gal 5.11 auf die Beschneidungspredigt des vorchristlichen Paulus vor Diasporapilgern in Jerusalem; vgl. zu dieser These auβerdem die bei Niebuhr, K.-W., Heidenapostel aus Israel (WUNT 62; Tübingen: J. C. B. Mohr, 1992) 56 AnmGoogle Scholar. 247 Genannten.
36 So Pfleiderer, O., Das Urchristenthum, seine Schriften und Lehren im geschichtlichen Zusammenhang (Berlin: Reimer, 2. Auflage 1902) 43Google Scholar. Wenn allerdings die erste Verkündigung keine beschneidungsfreie Mission impliziert hätte, wären Anlaβ und Verlauf des Apostelkonvents völlig unklar.
37 Diese These wird erwogen von: Bousset, W., Der Brief an die Galater (SNT 2; Göttingen: V & R, 3. Auflage 1917) 67Google Scholar; Haenchen, , Apostelgeschichte, 422Google Scholar; Lüdemann, , Christentum, 183Google Scholar.
38 Maier, J., Jüdische Auseinandersetzung mit dem Christentum in der Antike (EdF 177; Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1982) 190Google Scholar: ‘Die Angriffe gegen die Beschneidung gehörten für jüdisches Bewuβtsein schon längst zu den Hauptmerkmalen der Infragestellung durch die feindliche Umwelt …’
39 Interessant ist das Zeugnis der Papyri, . CPJ 1.4Google Scholar (3. Jh. v.Chr.) erwähnt im Zusammenhang des jüdischen Sklavenhandels von Palästina nach Ägypten die Übermittlung von vier Knaben als Sklaven, von denen zwei nicht beschnitten sind. Nach Gen 17.13, 27 unterlag der Sklave jüdischem Recht und hätte beschnitten sein müssen. Allerdings ist wahrscheinlich die Anwendung der alttestamentlichen Gesetzgebung in der Sklavenfrage unterschiedlich ausgelegt worden; vgl. Stemberger, G., Juden und Christen im Heiligen Land (München: Beck, 1987) 38–42Google Scholar. Schelkle, K. H., Israel im Neuen Testament (Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1985) 11Google Scholar fragt mit Recht, ‘ob nicht innerjüdische und heidnische Kritik voneinander wuβten, ja sich vielleicht irgendwie gegenseitig bestärkten’.
Das synkretistische Diasporajudentum der nachneutestamentlichen Zeit bedürfte hier gleichfalls einer sorgfältigen Untersuchung. Die kleinasiatische Sekte der Hypsistarier (4. Jh. n.Chr.) etwa weiβ sich der Beachtung des Sabbatgebotes und der Speisevorschriften verpflichtet, sie verwirft jedoch das Beschneidungsgebot; dazu Bornkamm, G., ‘Die Häresie des Kolosserbriefs’, in: ders., Das Ende des Gesetzes (GAufs 1; BEvTh 16; München: Kaiser, 3. Auflage 1961 [139–56]) 153–5Google Scholar.
40 Hecht, R., ‘The Exegetical Contexts of Philo's Interpretation of Circumcision’, Nourished with Peace. FS S. Sandmel (Greenspahn, F. E. u.a., ed.; Chico: Scholars, 1984) 51–79Google Scholar. Zu SpecLeg 1: Daniel, S., De Specialibus Legibus I et II (Œuvres de Philon 24; Paris: Cerf, 1975) 14–15Google Scholar.
41 In diesem Zusammenhang bedürfte auch der Befund, daβ eine Reihe jüdischhellenistischer Schriften die Beschneidung nicht oder kaum thematisiert, einer Erklärung. Der die alttestamentliche Geschichte von der Urgeschichte bis Saul nacherzählende Liber Antiquitatum Biblicarum hat wahrscheinlich nur eine Anspielung auf den ‘Beschneidungsbund’ in 9.3 (dazu Reinmuth, E., Pseudo-Philo und Lukas. Studien zum Liber Antiquitatum Biblicarum und seiner Bedeutung für die Interpretation des lukanischen Doppelwerks [WUNT 74; Tübungen: J. C. B. Mohr, 1994] 193Google Scholar). Auch die Übersetzung der LXX gibt ופ in Dtn 30.6 mit περικαθαρίζω, in Jos 5.4 mit περικαθαίρω anstelle von περιτέμνω wieder. Sie interpretiert damit möglicherweise in Anlehnung an ägyptische Vorstellungen (Herodot, Hist 2.37Google Scholar; Philo SpecLeg 1.5) die Beschneidung als Bedingung für kultische Reinheit; dazu Mayer, G., ‘פ’, ThWAT 4 (1984) 734–8Google Scholar.
42 So Meyer, R., ‘περιτέμνω’, ThWNT 6 (1959) 78Google Scholar. Auch Sib 4.163–70 erwähnen im Zusammenhang der Bekehrungspredigt Tauchbad und Umkehr, nicht aber die Beschneidung.
43 So Brandenburger, E., ‘Himmelfahrt Moses’, JSHRZ 5/2 (1976) 60Google Scholar: ‘… ist eine Abfassung nur wenig nach 6 n.Chr höchst wahrscheinlich’; ebenso Stemberger, G., Geschichte der jüdischen Literatur. Eine Einführung (München: Beck, 1977) 32Google Scholar.
44 Der Text ist abgedruckt und also leicht zugänglich bei Kippenberg, H. G. und Wevers, G. A., Hg., Textbuch zur neutestamentlichen Zeitgeschichte (GNT 8; Göttingen: V & R, 1979) 153CrossRefGoogle Scholar; Der Babylonische Talmud (ausgewählt, übersetzt und erklärt von R. Mayer; München: Goldmann, 1963) 206–8Google Scholar.
45 Vgl. dazu Schiffman, L. H., ‘The Conversion of the Royal House of Adiabene in Josephus and Rabbinical Sources’, Josephus, Judaism, and Christianity (Schiffman, L. H./Hata, G., ed.; Detroit/Leiden: Brill, 1987) 293–312Google Scholar; Neusner, J., ‘The Conversion of Adiabene to Judaism’, JBL 83 (1964) 60–6Google Scholar. Marinkovic, P., ‘“Geh in Frieden” (2 Kön 5.19). Sonderformen legitimer JHWHverehrung durch “Heiden” in “heidnischer” Mitwelt’, in: Die Heiden. Juden, Christen und das Problem des Fremden (R. Feldmeier und U. Heckel, Hg.; WUNT 70; Tübingen: J. C. B. Mohr, 1994) 3–21Google Scholar, weist auf die Auffälligkeit hin, daβ die offenere Antwort in der Beschneidungsfrage durch den Diasporajuden Ananias gegeben wird, die rigorosere hingegen durch den Galiläer Eleazar. Hierin erkennt Marinkovic einen Beleg für unterschiedliche Auffassungen innerhalb des Judentums über die vom heidnischen JHWHverehrer zu erfüllenden religiösen Pflichten.
46 Schürer, , Geschichte, 3.173Google Scholar: ‘Es war schon viel gewonnen, wenn jemand sich zur bildlosen Verehrung des allein wahren Gottes bekehrte. Hinsichtlich des Zeremonialgesetzes hat man zunächst nur gewisse Hauptpunkte gefordert.’ Garland, D. E., The Intention of Matthew 23 (NT.S 51; Leiden: Brill, 1979) 129–30CrossRefGoogle Scholar: ‘These Diaspora missionaries seemed to have been less concerned that Gentile adherents keep the cultic commandments, including circumcision, than that they should believe in the one God of Israel and live according to basic ethical requirements.’ McEleney, N. J., ‘Conversion, Circumcision and the Law’, NTS 20 (1974) 319–41CrossRefGoogle Scholar, nennt die einschlägigen Texte und folgert (328): ‘But there is some small evidence that the precept of circumcision was not always insisted upon if formerly Gentile adherents otherwise practised the Law fully. In other words, the rabbinic insistence on fulfillment of the precept seems to have been a reaction against a tendency that was already present in Judaism apart from Christianity.’ Hall, R. G., ‘Circumcision’, ABD 1 (1992) 1029Google Scholar: ‘Every religious or cultural tradition has its dropouts.’ Grundsätzlich zur Frage der jüdischen Mission in der Diaspora: McKnight, S., A Light among the Gentiles: Jewish Missionary Activity in the Second Temple Period (Minneapolis: Fortress, 1991)Google Scholar.
In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, daβ selbst auf dem Apostelkonvent nach dem Bericht des Paulus und des Lukas nicht das Judenchristentum insgesamt, sondern nur die ‘falschen Brüder’ die beschneidungsfreie Mission thematisierten.
47 Vgl. den Exkurs, ‘Das Beschneidungsgebot’ bei Bill 4/1, 23–40; Snowman, L. W., ‘Circumcision’, EJ 5 (1971) 567–76Google Scholar.
48 Die Sonderstellung der ‘Gottesfürchtigen’ ist durch die sog. Aphrodisiasinschrift, die Proselyten und Gottesfürchtige (θεοσεβεῖς) voneinander abhebt, wohl gesichert; dazu: Reynolds, J./Tannenbaum, R., Jews and Godfearers at Aphrodisias. Greek Inscriptions with Commentary (Cambridge: Trinity Hall, 1987)Google Scholar; Feldman, L. H., ‘Proselytes and “Sympathizers” in the Light of the New Inscriptions from Aphrodisias’, REJ 148 (1989) 265–305Google Scholar. In Übersetzung findet sich der Text bei Barrett, C. K./Thornton, C.-J., Hg., Texte zur Umwelt des Neuen Testaments (Tübingen: J. C. B. Mohr, 2. Auflage 1991) 66–7Google Scholar.
49 Dazu Kuhn, K. G. und Stegemann, H., ‘Proselyten’, PRE.S 9 (1962) (1248–83) 1266Google Scholar; Kuhn, K. G., ‘προσήλυτος’, ThWNT 6 (1959) 727–45Google Scholar; Bousset-Greβmann, , Religion, 81Google Scholar; Schürer, Geschichte, 168. Die frühchristliche Mission profitiert ganz analog zu der jüdischen Synagoge von der groβeren Aufgeschlossenheit der Frauen; ausführlich dazu: Harnack, A. v., Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten (Leipzig: Hinrichs, 4. Auflage 1924) 589–611Google Scholar. Die jüdische ‘Missionsschrift’ JosAs thematisiert die Konversion am Beispiel einer Frau, umgeht damit eine Stellungnahme zur Beschneidungsfrage.
50 Hengel, , Paulus, 286Google Scholar.
51 Bornkamm, Paulus, 34: ‘Wir ersehen daraus, daβ schon auf dem Feld der jüdischen Heidenmission zwei in der Frage der Beschneidung differierende Richtungen miteinander stritten, eine von der Diaspora und eine von Jerusalem ausgehende.’ Ähnlich bereits Bousset, W., Kyrios Christos (FRLANT 21; Göttingen: V & R, 3. Auflage 1926) 291Google Scholar; Kuhn, K. G., ThWNT 6 (1959) 731Google Scholar: ‘Dem hellenistischen Judentum lag also bei seiner Missionstätigkeit gar nicht so sehr an der Annahme der Beschneidung durch die Heiden und der Wahrung der kultischen Vorschriften …’; Becker, J., Paulus. Der Apostel der Völker (Tübingen: J. C. B. Mohr, 1989) 90–1Google Scholar; Heckel, , Bild der Heiden, 293Google Scholar.
52 Zu den Aufnahmebedingungen: Kuhn-Stegemann, , ‘Proselyten’, 1274–6Google Scholar; Delling, G., Die Bewältigung der Diasporasituation durch das hellenistische Judentum (Göttingen: V & R, 1987) 79–83Google Scholar. Strittig ist vor allem die zeitliche Ansetzung des Tauchbades; Kuhn-Stegemann, dazu, ‘Proselyten’, 1274–5Google Scholar.
53 Die Kollekte ist eine wirtschaftliche Unterstützung der Jerusalemer Gemeinde im Zusammenhang einer Hungersnot in Palästina (ausführlich dazu Lüdemann, , Paulus 1, 108–9Google Scholar). Dieser wirtschaftliche Aspekt steht aber doch nicht notwendig in einer Spannung zu einem Verständnis, demzufolge die Heidenchristen ‘den traditionellen Status der Gruppe der “Gottesfürchtigen” einnehmen können’; darauf weist hin Berger, K., ‘Almosen für Israel’, NTS 23 (1977) 200CrossRefGoogle Scholar. Schroffe Ablehnung dieser These jetzt wieder durch Becker, , Paulus, 273Google Scholar.
54 Vgl. dazu Horn, , Angeld, 369–72Google Scholar; ders., “Wandel im Geist. Zur pneumatologischen Begründung der Ethik bei Paulus’, KuD 38 (1992) 149–70Google Scholar.
55 So Becker, J., Das Urchristentum als gegliederte Epoche (SBS 155; Stuttgart: KBW, 1993) 82Google Scholar. Dem Verzicht auf die Beschneidung gehen andere Entscheidungen, etwa die Speisegemeinschaft von Judenchristen mit Heidenchristen unter Miβachtung des Zeremonialgesetzes, parallel. Feldtkeller, A., Identitätssuche des syrischen Urchristentums. Mission, Inkulturation und Pluralität im ältesten Heidenchristentum (NTOA 25; Freiburg/Göttingen: V & R, 1993) 80–1CrossRefGoogle Scholar, beschreibt diesen Weg sachgemäβ zunächst als Entäuβerung jüdischer Elemente, ohne zugleich eine Ersetzung durch fremdreligiöse Elemente vorzunehmen.
56 Mell, U., Neue Schöpfung. Eine traditionsgeschichtliche und exegetische Studie zu einem soteriologischen Grundsatz paulinischer Theologie (BZNW 56; Berlin/New York: de Gruyter, 1989)CrossRefGoogle Scholar. Mell spricht sich im übrigen für eine Verwendung des Begriffs bereits in der vor- bzw. nebenpaulinischen Tradition aus, reserviert dieser Frage aber ausschlieβlich eine kurze Anmerkung (302 Anm. 82).
57 Mell hat das Material umfassend gesichtet (9–257) und kommt zu dem Ergebnis, daβ der Begriff in der jüdischen Theologie nicht einseitig festgelegt, sondern offen für eine soteriologische Füllung war. In dem Vergleich (302–3) bezieht er sich auf Belege des ‘asidäisch geprägten Frühjudentums’ (Jub 1.29; 4.26; 11QTemple 29.9; äthHen 72.1; 1QS 4.25; 1QH 13.11–12).
58 Paulus scheint in Röm 4.11 solche Diskussionen vorauszusetzen. Nach Wilckens, U., Der Brief an die Römer (EKK 6/1; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 1978) 264Google Scholar, folgt Paulus hier rabbinischer Lehrtradition. Schäfer, P., ‘Beschneidung’, EKL 3 1 (1986) 441–2Google Scholar erwähnt diesbezügliche Diskussionen im rabbinischen Judentum; vgl. auch Bill 3.203.
59 Stuhlmacher, P., Biblische Theologie des Neuen Testaments 1 (Göttingen: V & R, 1992) 215Google Scholar, erkennt speziell in Jesu Heilstod für die Vielen das ‘theologische Recht’ zur beschneidungsfreien Heidenmission. Man muβ freilich sehen, daβ diese soteriologische Interpretation des Todes Jesu nicht notwendig, wie für 1 Kor 7.19 gezeigt, eine durchgehende Torakritik impliziert hat.
60 Maier, , Auseinandersetzung, 190Google Scholar.
61 Dazu Alexander, P. S., ‘“The Parting of the Ways” from the Perspective of Rabbinic Judaism’, Jews and Christians. The Parting of the Ways A.D. 70 to 135 (J. D. G. Dunn, Hg.; WUNT 66; Tübingen: J. C. B. Mohr, 1992) 1–25 (4–6)Google Scholar.
62 Nach Jewett, R., ‘The Agitators and the Galatian Congregation’, NTS 17 (1970/1971) 198–212CrossRefGoogle Scholar, stehen die judaistischen Gegner das Paulus in Galatien unter einem auf sie ausgeübten zelotischen Druck (6.12–13), der sie die Beschneidungspredigt vortragen läβt, jetzt auch Riesner, , Frühzeit, 248–50Google Scholar. Bezieht man Gal 4.29 - οὕτως καὶ νῦν - auf Juden und nicht auf Judenchristen, dann würde Paulus diese gegenwärtige Pression im Licht der alttestamentlichen Geschichte deuten.
63 Die hinter der Logienquelle stehende Gemeinde wird mit Mt 5.18/Lk 16.17 fraglos an dem Brauch der Beschneidung festgehalten haben, ihre Mission wird anfänglich den palästinischen Raum nicht überschritten haben. Ob dies allerdings für die späte Redaktionsstufe, die eine Öffnung zu den Heiden impliziert, noch vorausgesetzt werden kann, ist nicht sicher (vgl. zur Literarkritik: Horn, F. W., ‘Christentum und Judentum in der Logienquelle’, EvTh 51 [1991] 344–64Google Scholar). Jedenfalls erwähnen Mt 8.5–13/Lk 7.1–10 in der Begegnung des römischen Hauptmanns mit Jesus allein die Wohltätigkeit und den Glauben. Es scheint die Quelle Q als wesentliche Tradition für Lk in dieser Hinsicht nicht sperrig gewesen zu sein.
64 Luz, U., Das Evangelium nach Matthäus (EKK 1/1; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 1985) 68Google Scholar. Eine hiervon abweichende Sicht haben vorgelegt: Stegemann, H., ‘“Die des Uria.” Zur Bedeutung der Frauennamen in der Genealogie von Matthäus 1.1–17’, Tradition und Glaube. FS K.-G. Kuhn (G. Jeremias u.a., Hg.; Göttingen: V & R, 1971) (246–76) 273Google Scholar; Strecker, G., Der Weg der Gerechtigkeit. Untersuchung zur Theologie des Matthäus (FRLANT 82; Göttingen: V & R, 3. Auflage 1971) 34 AnmGoogle Scholar. 3. Auch Stegemann vermutet, daβ der Verzicht auf die Beschneidung in der Gemeinde, des Matthäus ‘Indiz einer Auffassung der Sache (ist), die bereits im hellenistischen Diaspora-Judentum verbreitet war’ (273)Google Scholar.
65 Zur Analyse des Textes Lüdemann, , Paulus 2, 206–8Google Scholar.
66 Wiederum Lüdemann, , Paulus 2, 258–60Google Scholar. Auβerdem Lichtenberger, H., ‘Synkretistische Züge in jüdischen und judenchristlichen Taufbewegungen’, Dunn, Hg., Jews, 85–97; 88–91Google Scholar.
67 So Strecker, G., ‘Judenchristentum’, TRE 17 (1988) 310–25, 322Google Scholar; ebenso Pratscher, W., Der Herrenbruder Jakobus und die Jakobustradition (FRLANT 139; Göttingen: V & R, 1987) 132CrossRefGoogle Scholar (in Auseinandersetzung mit der gegenteiligen These von Lüdemann, , Paulus 2, 244Google Scholar), um dennoch von einem ‘inneren Abrücken von jüdischen religiösen Äuβerungen (wie der Beschneidung)’ (134) zu sprechen.
68 Wahrscheinlich war der Begriffder περιτομή (Kol 2.11) durch die kolossische Häresie vorgegeben, wohl kaum - wie in Galatien - im Zusammenhang eines Eintritts in den Abrahambund, sondern als sakramentale Initiationshandlung, die nach 2.11 metaphorisch als Ausziehen des Fleischesleibes interpretiert worden ist; vgl. dazu Lohse, E., .Die Briefe an die Kolosser und an Philemon (KEK 9/2; Göttingen: V & R, 1968) 153–5Google Scholar.
69 Vgl. zu diesen Gegnern, Horn, Angeld, 346–50Google Scholar; hier auch Abweisung der Position von Walter, N., ‘Paulus und die Gegner des Christusevangeliums in Galatien’, L'Apôtre Paul (Vanhoye, A., ed.; BEThL 73; Leuven: University, 1986) 351–6Google Scholar, derzufolge es sich um jüdische Gegner gehandelt hat.
70 So Wilckens, , Römer, 1.259Google Scholar. Für diese These, die Gegner hätten mit Abraham argumentiert, kann auch sprechen, daβ nach jüdischer Sicht Abraham der Vater der Proselyten ist, der - ursprünglich unbeschnitten - sodann in den Beschneidungsbund aufgenommen wurde (Belege bei Bill 3.195; Wilckens, , Römer, 1.259 Anm. 817Google Scholar).
71 Für Lüdemann, , Paulus 2, 149Google Scholar sind diese galatischen Gegner mit den Falschbrüdern ‘identisch’; gegen eine weitergehende Zuordnung der Gegner zum Herrenbruder Jakobus bietet Pratscher, Herrenbruder, bedenkenswerte Argumente.
72 Der von Paulus hier verwendete Begriff ‘Hund’ dient in der antiken Polemik für unterschiedliche Konnotationen. Daβ hier die gelegentlich im rabbinischen Schrifttum bezeugte Gleichsetzung ‘Hund = Unbeschnittener’ anklingen soil, schlieβt das parallel stehende ‘Verschnittene’ aus. Daher gebraucht Paulus den Begriff hier am wahrscheinlichsten als Synonym für ‘Heide’ und wendet ‘die jüdische Waffe gegen ihre eigenen Träger’; so Michel, O., ‘κύων’, ThWNTZ (1938) 1102Google Scholar.
73 So Müller, U. B., Der Brief des Paulus an die Philipper (ThHK 11/1; Leipzig: EvVA, 1993) 144Google Scholar. Nach der gegnerischen Position bietet Paulus wohl kein ‘defizientes Christentum’ (143), sondern ein defizientes Juden(christen)tum.
74 Hall, D. R., ‘Romans 3.1–8 Reconsidered’, NTS 29 (1983) 183–97CrossRefGoogle Scholar.
75 Vgl. nur Ez 36.26–7; Jub 1.23; 4 Esr 6.26; 1QS 5.5; OdSal 11.1–3 u.a. Zu diesem Motivbereich ausführlich: Wolter, M., Der Brief an die Kolosser. Der Brief an Philemon (ÖTK 12; Gütersloh/Würzburg: Gütersloher, 1993) 129Google Scholar.
76 So Hübner, H., Biblische Theologie des Neuen Testaments 2Google Scholar: Die Theologie des Paulus (Göttingen: V & R, 1993) 242.Google Scholar
77 Ob Paulus mit dem Begriff ‘Siegel’ bereits einen Bezug zur Taufe andeuten will, ist ungewiβ, da σφραγίς als christliche Taufbezeichnung erst in der Mitte des zweiten Jahrhunderts sicher belegt ist. Denkbar ist, daβ Paulus sich hier an einen jüdischen Sprachgebrauch im Anschluβ an die Auslegung von Gen 17 anschlieβt, der die Beschneidung des Proselyten als Bundessiegel interpretiert hat (ausführlich zur Diskussion der Belege Wilckens, , Römer, 1.266–7Google Scholar). Die Polemik liegt also möglicherweise versteckter als im Gal.
78 Insofern kann der These von Haacker, K., ‘Der Römerbrief als Friedensmemorandum’, NTS 36 (1990) 25–41CrossRefGoogle Scholar; 35, daβ Paulus ‘die jüdische Beschneidungspraxis nach 4.11–12 nicht abschaffen will, sondern nur umdeutet’, nicht zugestimmt werden. Auch ist es ungewiβ, ob Paulus das für Abraham Gesagte auf das Judenchristentum allgemein ausweiten würde (so Berger, K., Theologiegeschichte des Urchristentums [Tübingen/Basel: Francke, 1994] 257Google Scholar). Denn für das Judenchristentum steht ja - anders als bei Abraham - die Beschneidung zeitlich vor (!) dem Glauben.
79 Stuhlmacher, P., Biblische Theologie, 353–4Google Scholar, verweist auf die Nähe von 1 Kor 12.13; Gal 3.28 zu analogen Bestimmungen, etwa im Tempelgesetz in Philadelphia (Ditt Syll.3 985) oder in kleinasiatischen Mysterienkulten (SEG 4 308.8; 303.8); weitere Belege bei Berger, K. und Colpe, C., Religionsgeschichtliches Textbuch zum Neuen Testament (TNT 1; Göttingen: V & R, 1987) 274–8Google Scholar.
80 Gibt Lukas die Einstellung seiner Zeit wieder: für Juden, auch wenn sie Christen geworden sind, gilt die Beschneidungspflicht, Heidenchristen sind hiervon befreit?
81 Iren. Adv Haer 1.26.2 von den Ebioniten: … et apostolum Paulum recusant, apostatam eum legis dicentes.
82 Rechtfertigungsaussagen haben alttestamentlich-jüdische Voraussetzungen und finden sich auch in der vorpaulinischen Tradition (vgl. Becker, , Paulus, 294–304Google Scholar). Die spezifische Gestalt der paulinischen Rechtfertigungstheologie, die jeglichen soteriologischen Anspruch der Tora ausschlieβt, ist zuerst im Brief an die galatischen Gemeinden bezeugt; vgl. dazu Horn, F. W., ‘Paulusforschung’, in: ders., Hg., Bilanz und Perspektiven gegenwärtiger Auslegung des Neuen Testaments (BZNW 75; Berlin/New York: de Gruyter, 1995) 30–59CrossRefGoogle Scholar.
83 Nach Epiphanius Haer 30.26.1–2 verweisen die Ebioniten, wie bereits gesagt, auf den Sachverhalt, daβ auch Jesus beschnitten wurde.
84 Wenn also gefragt wird, ob der Weg des Judenchristentums in der Zuordnung von jüdischem Beschneidungsbrauch und Christuszeugnis nicht der konsequentere Weg war, sollte bedacht werden, daβ innerhalb des antiken Judentums die Beschneidungsfrage unterschiedlichen Wertungen offenstand. Auch das Heidenchristentum steht im Verzicht auf die Beschneidung in einer jüdischen Tradition.
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