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Published online by Cambridge University Press: 05 February 2009
Zur Theologie des Paulus ist nur dann ein Zugang zu gewinnen, wenn Paulus von seinem Leiden und der theologischen Bewältigung seines Leidens her verstanden wird. In einer Reihe von Peristasenkatalogen1 und an vielen Einzelstellen2 gibt Paulus Einblicke in seine Leidens-Existenz. Es herrscht in der Exegese Einigkeit darüber, daβ Paulus nicht übertreibt, sondern in der Tat ein von Leid- und Grenzerfahrungen gezeichneter Mann war.3 Seine ‘Theologie der Schwachheit’ ist nicht ein Strang seines Denkens neben anderen, sondern unterliegt konstitutiv seinem ganzen theologischen Ansatz. Mit E. Güttgemanns können die ‘“Leiden des Apostels” … dasjenige Theologumenon genannt werden …, das uns das Wesen der paulinischen Theologie überhaupt aufdeckt.’4 Wie Paulus ist auch Ignatius von Antiochien nur von seinem Leiden und der theologischen Wertung seines Leidens her zu verstehen. Seine sieben Briefe schrieb er als Gefangener auf dem Weg von Antiochien nach Rom, wo ihn der Märtyrertod erwartete. ‘Sein Denken und Sprechen … ist … so sehr durch die Situation des Märtyrers bestimmt, daβ es ohne deren Berücksichtigung kaum voll ver-standen werden kann.’5
[1] 1 Kor 4. 10–13; 2 Kor 4. 8–12; 6. 4–10; 11. 23–29; 12. 10; vgl. Röm 8. 35–39.
[2] Vgl. die Zusammenstellung bei Schneider, J., Die Passionsmystik des Paulus (UNT 15) (Leipzig, 1929) 14–17.Google Scholar
[3] So z.B. E. Gerstenberger/W. Schrage, Leiden, Stuttgart 1977, 134.
[4] Güttgemanns, E., Der leidende Apostel und sein Herr (FRLANT 90) (Göttingen, 1966) 12.Google Scholar
[5] Bommes, K., Weizen Gottes. Untersuchungen zur Theologie des Martyriums bei Ignatius von Antiochien (Theoph. 27) (Köln/Bonn, 1976) 19.Google Scholar
[6] Siehe Z.B. MartPol 3 f.; PassPerpFel 19 u.ö.; vgl. Lucian PeregrMort 13, der die Todesbegeisterung der Christen verspottet. Vgl. Bauer, auch W., Die Apostolischen Väter II (HNT) (Tübingen, 1920) 247 f.Google Scholar
[7] Sie ist seine Schöpfung und nicht ableitbar; vgl. Brox, N., Zeuge und Märtyrer (StANT 5) (München, 1961) 203Google Scholar; vgl. auch Bommes, a.a.O., 21.
[8] Völter, D., Polykarp und Ignatius (Leiden, 1910) 68.Google Scholar
[9] Beachte die paradoxe Formulierung ‘μ⋯ èμποδίσητέ μοι ζ⋯σαι, μ⋯θελήσητέ με ⋯πο∴ανείν’ in Röm 6. 2, in der Ignatius gerade die Verhinderung seines Martyriums als tödlich bezeichnet.
[10] Vgl. Bommes, a.a.O., 140–2.
[11] Noch ist er es nicht, vgl. Trall 5. 2; vgl. zum Märtyrertod als Bedingung der Jüngerschaft und zur Vollendung, die der Jüngerbegriff bei Ignatius impliziert, Brox, a.a.O., 207–9.
[12] θεο⋯πιτυχεεν ist derjenige Ausdruck, mit dem Ignatius am häufigsten sein bevorstehendes Martyrium umschreibt: Eph 12. 2; Magn 14; Trail 12. 2; 13. 3; Röm 1. 2; 2. 1; 4. 1; 9. 2; Pol 7. 1; vgl. Frhr., H.Campenhausen, v., Die Idee des Martyriums in der alten Kirche (Göttingen, 2. Aufl. 1964) 69Google Scholar; vgl. aber Brox, a.a.O., 210, für den Martyrium und ‘Erlangung Gottes’ begrifflich zwei verschiedene Dinge sind.
[13] Der Weg der Gemeinde, der normale Weg, führt ohne Martyrium zu Gott, freilich nicht ohne Leiden, vgl. Sm 9. 2. Das Martyrium ist lediglich ‘ein ausgezeichneter und überschwenglicher Weg, auf dem in kürzester Zeit und in eminentem Maβe das verwirklicht wird, worauf sonst Mühe und Sorgfalt eines langen Christenlebens gerichtet sind’ (Bommes, a.a.O., 182; vgl. ferner Brox, a.a.O., 210, 216 f.; Paulsen, H., Studien zur Theologie deslgnatius von Antiochien [FKDG 29] [Göttingen, 1978] 108 f.Google Scholar; Tarvainen, O., Glaube und Liebe bei Ignatius von Antiochien [SLAG 14] [Joensuu, 1967] 78–80).Google Scholar
[14] Vgl. die Einleitungsliteratur zum Phil, z.B. H: Schenke, M. / Fischer, K. M., Einleitung in die Schriften des Neuen Testaments, Bd. I (Gütersloh, 1978) 124–32.Google Scholar
[15] Paulus konnte nicht faktisch zwischen Tod und Leben wählen, sondern es ging um die innere Einstellung zu beiden Möglichkeiten; so Rathke, H., Ignatius von Antiochien und die Paulusbriefe (TU 99) (Berlin, 1967) 70 Anm. 2.Google Scholar
[16] So z.B. Gerstenberger/Schrage, a.a.O., 179, 212.
[17] Bornkamm, G., Paulus (Stuttgart, 4. Aufl. 1979) 179.Google Scholar Vgl. auch die Beobachtung von Schweitzer, A., daβ Paulus alles Leiden als Sterben wertet (Die Mystik desApostels Paulus [Tübingen, 1930] 141–3).Google Scholar
[18] Güttgemanns, a.a.O., 100.
[19] So Zmijewski, Z. B. J., ῆσθενής κτλ., in: EWNT I, Sp. 408–13Google Scholar, hier: 412.
[20] Jervell, J., ‘Der schwache Charismatiker’, in: Rechtfertigung (FS farE. Käsemann), hrsg. von J. Friedrich/W. Pöhlmann/P. Stuhlmacher (Tübingen/Göttingen, 1976) 185–98Google Scholar, hier: 197.
[21] Siehe z.B. Traill 7. 2: ‘Wer sich innerhalb des Altarraumes [d.h. in der Kirche] befindet, ist rein.’ Vgl. Eph 5. 2.
[22] Durch die Eucharistie, siehe Eph 20. 2.
[23] Fischer, J. A., Die Apostolischen Väter (SUC) (Darmstadt, B. Aufl. 1981) 189Google Scholar Anm. 39 bzw. 40. Ähnlich Th. Preiss, , ‘La mystique de l'imitation du Christ et dme l'unité chez Ignace d'Antioche’, RHPhR 18 (1938) 197–241Google Scholar, hier: 210–13 (La valeur de la passion du martyr).
[24] Für die Grundaussage des Bildes macht es keinen Unterschied, ob τοκετός im aktiven oder passiven Sinn aufgefaβt wird. Vgl. die Diskussion zur Bedeutung des Begriffs bei Ch. Maurer, , Ignatius von Antiochien und das Johannesevangelium (AThANT 18) (Zürich, 1949) 88 f.Google Scholar
[25] Die Sehnsucht des Ignatius nach Leben und Unsterblichkeit ist vielfach bemerkt worden, so Bultmann, durch R., ‘Ignatius und Paulus’, in: ders., Exegetica (hrsg. Dinkler, von E.) (Tübingen, 1967) 400–11Google Scholar; Preiss, a.a.O. Zum Durchgangscharakter des Martyriums für Ignatius vgl. Maurer, a.a.O. 88 f.; Piesik, ferner H., Bildersprache derApostolischen Väter (Diss. Bonn, 1961) 33Google Scholar (Ignatius denkt in Röm 6. 1 nach Piesik in erster Linie an ein neues Menschsein und ein neues Leben, also an die Folge seines Todes).
[26] Vgl. ferner in Eph B. 1; 18. 1 den Gebrauch von περίψηημα; Stählin, dazu G., ‘περίψημα’, in: ThWNT 6, 83–92Google Scholar, hier: 91 f.
[27] Ignatius bezeichnet sich zwar als ῆντίψυχον (s.o.), aber er stellt diesen Gedanken nicht in einen erlösungstheologischen Gesamtzusammenhang. Ihm ist an einer Systematisierung des Verhältnisses zwischen Christus und dem Märtyrer nichts gelegen, insofern bleiben seine Aussagen mehrdeutig (die Inkonsequenz des Ignatius bzw. seine mangelnde Systematik wird u.a. erkannt von Brox, a.a.O., 217, 221; Lohse, E., Märtyrer und Gottesknecht [FRLANT 64] [Göttingen, 1955] 208Google Scholar; Stählin, a.a.O., 92), und verschieden sind sie auch gedeutet worden. Campenhausen, a.a.O., 78, schreibt Christus und der Märtyrer ‘stehen nebeneinander und stehen einander in ihrem erlösenden Leiden um Gottes Willen tatsächlich gleich’. Ähnlich Lohse, a.a.O., 206–8; Paulsen, a.a.O., 184; Preiss, a.a.O., 211 f., 238; Rathke, a.a.O., 75. Bommes, a.a.O., 106, sieht hingegen einen grundlegenden Unterschied zwischen Jesus und dem Märtyrer. Ähnlich Tarvainen, a.a.O., 80 f.
[28] Jung, C. G., Gesammelte Werke 11 (Olten, 2. Aufl. 1973) 285.Google Scholar
[29] Ebd. 286.
[30] Ebd. 286.
[31] Ebd. 286. (Ohne die Hervorhebungen Jungs.)
[32] Ebd. 286.
[33] Mit meinen Ausführungen will ich das Neuwerdungsgeschehen bei Paulus und Ignatius nicht als Individuation im Sinne Jungs erklärt haben. Ich begnüge mich hier damit, die Individuation als Verstehenshilfe für die innere Dynamik des Neuwerdungsgeschehens heranzuziehen.
[34] Vgl. Magn 5. 2: … τò Äποθανευν εòς τò ⋯υτοṽ πάθος.
[35] Bes. wichtig: Trail 4; vgl. ferner z.B.: Eph 3. 1; 12. 1; Magn 14; Sm 11. 1.
[36] Rathke, a.a.O., 69.
[37] Dem Ausdruck für sterben, den Paulus in Phil 1. 23 wählt (⋯ναλύειν), unterliegt die Bedeutung ‘auflösen’. Paulus war der Wunsch nach dem Martyrium zur Auflösung seiner selbst nicht fremd, sein dialektisches Verständnis von Sterben und Leben lieβ den Martyriumswunsch aber nicht die Oberhand gewinnen. Das Selbstopfer bei Paulus in Röm 12. 1 ist ein geistiger, kein materiell-dinglicher Akt. Beachte ferner, wie A. Béguin die romantische Todessehnsucht deutet: ‘Die Lust am körperlichen Zerfall ist träumerischer, sinnlich-plastischer Ausdruck einer tief verborgenen Sehnsucht. Das Ich, symbolisiert im Körper, wird empfunden als enges Gefängnis; es widersetzt sich dem Verlangen nach Ausweitung, nach Auflösung im All.’ (Traumwelt und Romantik [Bern, 1972] 49.)Google Scholar
[38] Kraft, Siehe H., Clavis Patrum Apostolicorum (Darmstadt, 1963Google Scholar) s.v.
[39] Vgl. Preiss, a.a.O., 229–36.
[40] Zur Beziehung zwischen Martyrium und Liebe siehe Lepp, I., Der Tod und seine Geheimnisse (Würzburg, 1967) 155–61.Google Scholar