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Persönliche Korrespondenz des Paulus: Zur Strategie der Pastoralbriefe als Pseudepigrapha*

Published online by Cambridge University Press:  04 March 2010

Manabu Tsuji
Affiliation:
Graduate School of Integrated Arts and Sciences, Hiroshima UniversityKagamiyama 1–7–1, 739–8521 Higashi-Hiroshima, Japan. email: [email protected]

Abstract

The three Pastoral letters present themselves as Paul's personal correspondence, but their contents would fit better the genre of a community letter. The pseudonymous author has forged them as personal letters from ‘Paul’, because he had to reckon with his readers' critique concerning their authenticity, above all with critical scrutiny directed at possible contradictions in their circumstances of origin. Through the genre of a private letter he has attempted to concoct previously unknown letter-situations, and to make understandable the late discovery of the letters. At the same time, through the construction of three letters he has made a claim for general validity in respect of geography and time, so as to spread the ‘right meaning’ of the statements in the Corpus Paulinum.

German abstract: Die drei Pastoralbriefe präsentieren sich als persönliche Korrespondenz des Paulus, ihrem Inhalt hätte aber die Gattung des Gemeindebriefes besser entsprochen. Der pseudonyme Verfasser hat sie als persönliche Briefe des ‘Paulus’ fingiert, weil er mit einer Echtheitskritik seiner Leser, allem voran mit einem auf allfällige Widersprüche in den Entstehungsverhältnissen gerichteten kritischen Blick rechnen musste. Durch die Gattung des Privatbriefes hat er versucht, bisher unbekannte Briefsituationen vorzugeben und die späte Entdeckung der Briefe verständlich zu machen. Zugleich hat er durch die Dreizahl der Briefe den Anspruch auf Allgemeingültigkeit in geographischer und zeitlicher Hinsicht erhoben, um ‘die richtige Deutung’ der Aussagen des Corpus Paulinum zu verbreiten.

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References

1 Wir gehen davon aus, dass die Past pseudo-paulinisch sind und als ein Corpus aus drei Briefen von ein und demselben Autor verfasst worden sind (so mit Recht etwa Trummer, P., ‘Corpus Paulinum—Corpus Pastorale. Zur Ortung der Paulustradition in den Pastoralbriefen’, Paulus in den neutestamentlichen Spätschriften [Hg. K. Kertelge; QD 89; Freiburg et al.: Herder, 1981] 122–45: 125Google Scholar; Roloff, J., Der erste Brief an Timotheus [EKK XV; Zürich: Benziger; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 1988] 43Google Scholar; Weiser, A., Der zweite Brief an Timotheus [EKK XVI/1; Düsseldorf/ Zürich: Benziger; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 2003] 53Google Scholar; Marshall, I. H., The Pastoral Epistles [ICC; Edinburgh: T&T Clark, 1999] 86Google Scholar). Die Versuche, die Pastoralbriefe als ganze bzw. teilweise (vor allem 2 Tim) dem historischen Paulus zuzuschreiben, sind zwar nicht überzeugend, zeigen aber zugleich, wie geschickt die Autorfiktion der Past konstruiert ist. Zur Kritik an diesen Versuchen vgl. vor allem Häfner, G., ‘Das Corpus Pastorale als literarisches Konstrukt’, ThQ 187 (2007) 258–73Google Scholar: 259–65.

2 Der Philemonbrief ist kein persönlicher Brief, denn er richtet sich nicht nur an Philemon, sondern auch an die Mitglieder seiner Hausgemeinde (Phlm 2: ‘und an Aphia, die Schwester, und Archippus, unsern Mitstreiter, und an die Gemeinde in deinem Hause’).

3 Vgl. die Beispiele der pseudepigraphischen Briefe an Einzelpersonen mit paränetischem Inhalt in: Wilder, T. L., Pseudonymity, the New Testament, and Deception. An Inquiry into Intention and Reception (Lanham, MD: University Press of America, 2004) 82111Google Scholar. Seine Ansicht, dass die fraglichen paulinischen Briefe ohne Täuschungsabsicht sein könnten, weil sie an griechisch-römische pseudepigraphische Briefe erinnern, die keine Täuschungsabsicht zu haben scheinen (a.a.O. 111), ist aber nicht überzeugend, sofern es bei der ‘Täuschungsabsicht’ hier um den Versuch geht, den Lesern die falsche Verfasserangabe zu verbergen. Briefe paränetischen Inhalts können in diesem Falle auch mit Täuschungsabsicht der Verfasserschaft abgefasst sein (vgl. den pseudepigrapischen Brief des Jeremia).

4 Torm, F., Die Psychologie der Pseudonymität im Hinblick auf die Literatur des Urchristentums (SLA 2; Gütersloh: Bertelsmann, 1932) 50Google Scholar. Zur Dreizahl ferner vgl. Johnson, L. T., Letters to Paul's Delegates (New Testament in Context; Valley Forge, PA: Trinity, 1996) 25Google Scholar; Mounce, W. D., Pastoral Epistles (WBC 46; Nashville, TN: Thomas Nelson, 2000) lxxxiiiGoogle Scholar; Fee, G. D., 1 and 2 Timothy, Titus (NIBC; Peabody, MA: Hendrickson, 1988)Google Scholar 6 und 28 (Anm. 14).

5 Darauf weist auch Schnelle, U., Einleitung in das Neue Testament (UTB1830; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 4th ed. 2002) 383Google Scholar, hin.

6 Vgl. auch Schnelle, Einleitung (s. Anm. 5) 383.

7 So bereits Barnett, A. E., Paul Becomes Literary Influence (Chicago: University of Chicago, 1941) 251Google Scholar: ‘The suggestion for the writing of a letter collection in the name of Paul would naturally come through acquaintance with an existing Pauline letter collection’.

8 Trummer, ‘Corpus Paulinum’ (s. Anm. 1) 133 (Kursiv im Original, Ergänzung von Tsuji).

9 Vgl. Baum, A. D., Pseudepigraphie und literarische Fälschung im frühen Christentum (WUNT II/138; Tübingen: Mohr Siebeck, 2001) 100112Google Scholar (112: ‘Altkirchliche Leser [lehnten] keineswegs nur pseudepigraphische Schriften ketzerischen Inhalts, sondern auch solche rechtgläubigen Inhalts ab’; kursiv im Original). Daher kann man trotz U. Schnelles Kritik (Einleitung [s. Anm. 5], 329 Anm. 12) Frenschkowski, M. recht geben (Ders., ‘Pseudepigraphie und Paulusschule. Gedanken zur Verfasserschaft der Deuteropaulinen, insbesondere der Pastoralbriefe’, Das Ende des Paulus. Historische, theologische und literaturgeschichtliche Aspekte [Hg. F. W. Horn; BZNW 106; Berlin/New York: de Gruyter, 2001] 239–72, hier 251)Google Scholar, der meint: ‘Es bleibt dabei, daß Pseudepigraphie eine bewußte und planmäßig durchgeführte Täuschung ist, welche—wenn sie erkannt worden wäre—damalige Leser im allgemeinen ebenso vor den Kopf gestoßen hätte wie heutige’. So bereits auch Bassler, J. M., 1 Timothy, 2 Timothy, Titus (Abingdon New Testament Commentaries; Nashville, TN: Abingdon, 1996)Google Scholar 21: ‘Evidence from later Christian circles shows that vigorous efforts were made at that time to identify documents written pseudonymously in an apostle's name and that such documents, once identified, were invariably rejected’. Vgl. auch Wilder, Pseudonymity (s. Anm. 3) 128–48.

10 Speyer, W., Die literarische Fälschung im Altertum (HAW I/2; München: C. H. Beck, 1971) 1516Google Scholar; ferner Brox, N., Falsche Verfasserangaben. Zur Erklärung der frühchristlichen Pseudepigraphie (SBS 79; Stuttgart: KBW, 1975) 6870Google Scholar; Frenschkowski, ‘Pseudepigraphie’ (s. Anm. 9) 251.

11 Vgl. Speyer, Fälschung (s. Anm. 10) 112–28, 152–5, 179–218; Brox, Verfasserangaben (s. Anm. 10) 75; Laub, F., ‘Falsche Verfasserangaben in neutestamentlichen Schriften. Aspekte der gegenwärtigen Diskussion um die neutestamentliche Pseudepigraphie’, TThZ 89 (1980) 228–42Google Scholar: 231 Anm. 6.

12 Tertullian, De baptismo 17.5.

13 Vgl. Baum, Pseudepigraphie (s. Anm. 9) 103–5. Der Presbyter wurde verworfen nicht wegen des häretischen Inhalts seines Werkes, sondern weil er den pseudonymen 3. Korintherbrief als Teil der Paulusakten ausgab; vgl. dazu Wilder, Pseudonymity (s. Anm. 3) 128–32.

14 Merz, A., ‘Amore Pauli: Das Corpus Pastorale und das Ringen um die Interpretationshoheit bezüglich des paulinischen Erbes’, ThQ 187 (2007) 274–94Google Scholar: 277 mit Anm. 10, führt den Fall der Paulusakten und ‘die Nachrichten über die für einige Paulinen (bes. den Hebräerbrief) intensiv geführte Echtheitsdiskussion’ (a.a.O. Anm. 10) als Beweis für die Täuschungsabsicht der Pseudepigraphen an. Durch diese Beispiele wird aber nicht die Absicht des pseudonymen Verfassers, sondern die der Pseudepigraphie gegenüber ablehnende Einstellung der Rezipienten aufzeigt.

15 Speyer, Fälschung (s. Anm. 10) 139–42, nennt Beispiele von Philosophen, unter deren Namen verschiedene unechte Schreiben entstanden waren, um die Gedanken der Fälscher zu verbreiten oder den Gegner zu verunglimpfen. Dies lässt sich auf jene christlichen Fälschungen anwenden, die Speyer unter den Bezeichnungen ‘Fälschungen der Häretiker und Schismatiker’ und ‘Fälschungen der Rechtgläubigen’ darstellt (a.a.O. 260–303).

16 Bei Kol, 2 Thess und Past liegt dies auf der Hand (vgl. Kol 2.16–23; 2 Thess 2.1–12; 1 Tim 1.3–4 u.a.m). In Eph handelt es sich zwar nicht um eine Irrlehre, aber um die Spannung zwischen Juden- und Heidenchristen, wobei der Verfasser seine judenchristliche Position auf Paulus selbst zurückzuführen versucht (vgl. Eph 2.11–22). Vgl. hierzu Fischer, K. M., Tendenz und Absicht des Epheserbriefes (Berlin: Evangelische Verlagsanstalt, 1973) 8394CrossRefGoogle Scholar, wonach Eph versucht, ‘eine Entscheidung zu verhindern, die dem Juden als Juden das Christsein unmöglich machte’. (93)

17 Baum, Pseudepigraphie (s. Anm. 9) 24–30: ‘Die Methoden, deren man sich bediente, waren in der heidnischen und christlichen Echtheitskritik weitgehend identisch’ (23). Vgl. auch Speyer, Fälschung (s. Anm. 10) 124–6, 181–92, der als Methoden der Echtheitskritik den Vergleich des Stils, des Wortschatzes, des Lehrinhalts sowie der chronologischen Entstehungsverhältnisse nennt. Er erwähnt auch die äußere Bezeugung als Echtheitskriterium (126).

18 Deutsche Übersetzung von Kraft, H. (Eusebius von Caesarea. Kirchengeschichte [Darmstadt: WBG, 3d ed. 1989], z.St.)Google Scholar.

19 In den Past fehlen zwar einige typisch ‘paulinische’ Stichwörter wie σταυρός, λϵυθϵρία, σῶμα und υἱός; andererseits werden aber auch andere für Paulus wichtige Termini verwendet, z.B. δίκαιος/ δικαιοσύνη/ δικαιόω (1 Tim 1.9; 3.16; 6.11; 2 Tim 2.22; 3.16; 4.8; Tit 1.8; 2.12; 3.5, 7) und ἅγιος/ ἁγιάζω/ ἁγιασμός (1 Tim 2.15; 4.5; 5.10; 2 Tim 1.9, 14; 2.21; Tit 3.5). Ferner finden sich Formulierungen, die die Protopaulinen assoziieren lassen: ‘das Gesetz ist gut’ (1 Tim 1.8; vgl. Röm 7.12, 16); ‘dem Satan übergeben’ (1 Tim 1.20; vgl. 1 Kor 5.5); ‘Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit’ (2 Tim 1.7; vgl. Röm 8.15); ‘schäme dich nicht des Zeugnisses von unserm Herrn noch meiner, der ich sein Gefangener bin’ (2 Tim 1.8; vgl. Röm 1.16) sowie die Metapher der (irdenen) Gefäße (2 Tim 2.20; vgl. 2 Kor 4.7; Röm 9.21). Diese Stellen evozieren offenbar eine intertextuelle Assoziation der Leser.

20 Alle Deuteropaulinen beziehen sich auf Themen und Ausdrücke, die sich in den Protopaulinen finden, bemühen sich aber scheinbar nicht darum, ganz im Rahmen des ‘paulinischen’ Sprachgebrauchs zu bleiben. Bei 2 Thess liegt dies auf der Hand. Zu Kol und Eph ist etwa auf die Metapher von der Gemeinde als Leib Christi (Kol 1.18, 24; Eph 1.22–23; 5.23; vgl. Röm 12; 1 Kor 12. Vgl. hierzu Roose, H., ‘Die Hierarchisierung der Leib-Metapher im Kolosser- und Epheserbrief als ‘Paulinisierung’: Ein Beitrag zur Rezeption paulinischer Tradition in pseudo-paulinischen Briefen’, NT 47 [2005] 117–41Google Scholar) und auf das Taufverständnis als Anteil an Kreuz und Auferstehung Christi hinzuweisen (Kol 2.12; Eph 2.6; vgl. Röm 6.4).

21 ‘Die Biographie des Paulus’ bedeutet nicht unbedingt die (zweite Hälfte der) Apostelgeschichte. Es dürfte weitere Überlieferungen zur Aktivität des Paulus gegeben haben, wie die Paulusakten bezeugen. Für den Verfasser eines pseudopaulinischen Briefes war es also entscheidend, dass die vorausgesetzten Entstehungsverhältnisse in seinen Lesern keine Widersprüche weckten, wenn sie diese mit den ihnen bekannten Geschichten des Paulus in Verbindung brachten.

22 Zur literarischen Abhängigkeit des Kol von Phlm vgl. Standhartinger, A., Studien zur Entstehungsgeschichte und Intention des Kolosserbriefs (NT.S 94; Leiden: Brill, 1999) 81–5Google Scholar; ferner Hübner, H., An Philemon. An die Kolosser. An die Epheser (HNT12; Tübingen: Mohr, 1997) 10Google Scholar.

23 Tacitus Annal. XIV 27; Euseb Chron. 183,21–22. Vgl. auch Orosius, hist. adv. pag. VII 7.12; Sib IV 106–7; III 471–73; V 318–20. Anders aber Schmeller, Th., Schulen im Neuen Testament? (HBS 30; Freiburg et al.: Herder, 2001)Google Scholar 194 Anm. 51: ‘Wir wissen nicht, ob es [sc. das Erdbeben] neben Laodizea tatsächlich auch Kolossä betraf, und falls ja, ob Kolossä tatsächlich eine Zeitlang nicht mehr besiedelt war’. Vgl. ferner Broer, I., Einleitung in das Neue Testament, II (NEB Ergänzungsband 2/II; Würzburg: Echter, 2001) 492Google Scholar, der auf zwei Inschriften aus den ersten Jahrzehnten des zweiten Jahrhunderts und auf einige wenige Münzen aus dem zweiten und dritten Jahrhundert hinweist und meint: ‘Es ist durchaus möglich, daß Kolossä erst durch ein späteres Erdbeben endgültig zerstört und erst dann aufgegeben worden ist’.

24 Lindemann, Mit A., ‘Die Gemeinde von “Kolossä”’, Paulus, Apostel und Lehrer der Kirche (Tübingen: Mohr Siebeck, 1999) 187210Google Scholar: 204–5. Leppä, Nach O., The Making of Colossians (Publications of the Finnish Exegetical Society 86; Helsinki: The Finnish Exegetical Society; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2003) 13Google Scholar, wäre die Gemeinde, auch wenn sie das Erdbeben überlebt hätte, zur Entstehungszeit des Kol sehr klein gewesen, weswegen der Verfasser seine fiktive Schrift an diese kleine (oder vielleicht inexistente) Gemeinde gerichtet habe: ‘Had he addressed his letter to Ephesus, there would have been more people noticing that the letter is not genuine’ (13–14).

25 Vgl. Tertullian, Adv. Marc V 11.12.

26 Die subscriptiones des Röm und des Hebr zeigen, dass Abschreiber eher die Anschrift mit zusätzlichen Informationen detaillieren als streichen. Die Streichung von ν ʿPώμῃ in Röm 1.7,15 ist bloß eine kleine Ausnahme (G pc), die nicht als Parallele zu Eph 1.1 gelten kann (gegen van Kooten, G. H., Cosmic Christology in Paul and the Pauline School [WUNT II/171; Tübingen: Mohr Siebeck, 2003] 197201Google Scholar, wonach der Brief ursprünglich an Laodizea adressiert gewesen sei).

27 Zu den syntaktischen Schwierigkeiten der Lesart ohne ν Ἐϕσῳ vgl. vor allem Sellin, G., Der Brief an die Epheser (KEK 8; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2008) 6870Google Scholar. Für einen Rundbrief wäre ferner eine Anschrift wie diejenige des Gal (‘an die Gemeinden in Galatien’) oder des 1 Petr (‘an die Fremdlinge in der Zerstreuung in Pontus, Galatien, Kappadozien, Asia und Bithynien’) möglich gewesen.

28 Die Erklärung von U. Luz (‘Der Brief an die Epheser’, Becker, J./Luz, U., Die Briefe an die Galater, Epheser und Kolosser [NTD 8/1; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 18 ed. 1998] 105–80CrossRefGoogle Scholar: 108, 115), nach der in der Lücke ‘der Ort der jeweiligen Empfängergemeinde dieses Zirkularbriefes eingefügt wurde’ (115), lässt sich textkritisch nicht stützen (es finden sich keine Handschriften mit anderen Ortsangaben). Man hat dort ‘Ephesus’ eingefügt, nicht weil es eine der Empfängergemeinden gewesen wäre, sondern weil Ephesus für die ursprüngliche (und aus irgendwelchen Gründen ausgelassene) Zielangabe dieses Briefes gehalten wurde.

29 Unten wird die Pseudonymität des 2 Thess vorausgesetzt, ohne auf die Echtheitsdiskussion ausführlich einzugehen; vgl. dazu z.B. Trilling, W., Der zweite Brief an die Thessalonicher (EKK XIV; Zürich: Benziger; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 1980) 22–6Google Scholar.

30 Vgl. zu den Übereinstimmungen zwischen beiden Briefen sowohl im Aufbau als auch im Wortlaut: Schnelle, Einleitung (s. Anm. 5) 368–9.

31 Dabei bezieht sich das ὡς δι’ ἡμῶν nur auf δι’ πιστολῆς, nicht auf die vorangehenden Ausdrücke διὰ πνϵύματος und διὰ λόγου (gegen Malherbe, A. J., The Letters to the Thessalonians [AB 32B; New York et al.: Doubleday, 2000] 417Google Scholar); wie wäre sonst der Ausdruck διὰ πνϵύματος ὡς δι’ ἡμῶν zu verstehen?

32 Bejahend z.B. Collins, R. F., Letters That Paul Did Not Write. The Epistle to the Hebrews and the Pauline Pseudepigrapha (Good New Studies 28; Wilmington, DE: Michael Glazier, 1988) 224Google Scholar; E. Reinmuth, ‘Die Briefe an die Thessalonicher’, N. Walter/E. Reinmuth/P. Lampe, Die Briefe an die Philipper, Thessalonicher und an Philemon (NTD 8/2; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 18[=1]1998) 103–202: 162; Trilling, 2 Thess (s. Anm. 29) 77. Verneinend: Best, E., A Commentary on the First and Second Epistles to the Thessalonians (BNTC; London: A&C Black, 1972) 279Google Scholar; Schmeller, Schulen (s. Anm. 23) 249–50 u.a.

33 Blass, Nach F./Debrunner, A./Rehkopf, F., Grammatik des neutestamentlichen Griechisch (GTL; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 17 ed. 1990)Google Scholar §4256 ist nach ἡμῶν ein γϵγραμμνης zu ergänzen.

34 Trilling, 2 Thess (s. Anm. 29) 75–6.

35 Roose, Mit H., ‘ “A Letter as by Us”: Intentional Ambiguity in 2 Thessalonians 2.2’, JSNT 29 (2006) 107–24Google Scholar.

36 Zur Deutung von 2 Thess 2.15, wo einige Exegeten einen Hinweis auf 1 Thess zu finden meinen, vgl. Roose, ‘Letter’ (s. Anm. 35) 113 Anm. 17.

37 Z.B. Wanamaker, C. A., The Epistles to the Thessalonians (NIGTC; Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1990) 3745Google Scholar; dagegen vgl. Malherbe, Thess (s. Anm. 31) 361–4. Weitere Anhänger der Priorität des 2 Thess bei Roose, ‘Letter’ (s. Anm. 35) 116 Anm. 23.

38 Gegen Broer, Einleitung (s. Anm. 23) 545, der meint, dass ‘die pseudepigraphische Abfassung von Pastoralbriefen an Einzelpersonen für die Akzeptanz dieser Briefe eher gefählich war’.

39 Mit Schnelle, Einleitung (s. Anm. 5) 380 und den ebd. Anm. 193 genannten Autoren.

40 Bauckham, R., ‘Pseudo-Apostolic Letters’, JBL 107 (1988) 469–94: 487Google Scholar, schreibt m.R. die Seltenheit pseudepigraphischer Briefe im 2. und 3. Jahrhundert der ‘sheer difficulty of using a pseudepigraphical letter to perform the same functions as an authentic letter’ zu.

41 Vgl. z.B. Kümmel, W. G., Einleitung in das Neue Testament (Heidelberg: Quelle & Meyer, 21 1983) 330332Google Scholar; Schnelle, Einleitung (s. Anm. 5) 376.

42 So Schenke, H.-M./Fischer, K. M., Einleitung in die Schriften des Neuen Testaments, I: Die Briefe des Paulus und Schriften des Paulinismus (Gütersloh: Gerd Mohn, 1978) 226Google Scholar. Vgl. auch Schnelle, Einleitung (s. Anm. 5) 387 und Roloff, 1 Tim (s. Anm. 1) 40, wonach sich die Benutzung der Apg ‘nicht nachweisen’ lässt.

43 Der Verfasser kennt ohne Zweifel 1 Kor neben 2 Kor und Röm, ferner Phil und Phlm, wohl auch Kol. Dazu vgl. Schnelle, Einleitung (s. Anm. 5) 387 und meinen Aufsatz, ‘Der zweite Timotheus als letzter Gefangenschaftsbrief’, Kwansei Gakuin University Humanities Review 11 (2007) 1–11: 6.

44 Speyer, Fälschung (s. Anm. 10) 226: ‘Die Lücken in der geschichtlichen und literarischen Überlieferung waren für die Fälscher ein guter Anknüpfungspunkt, ihren Erzeugnissen den Schein des Echten zu verleihen und Zweifel an der Echtheit ihrer neuen Erzeugnisse zu zerstreuen’.

45 Thiessen, W., Christen in Ephesus (TANZ 12; Tübingen/Basel: Francke, 1995) 251Google Scholar. Thiessen bemerkt dazu: ‘Der Name Titus scheint mit dieser Mission fest verbunden zu sein’ (ebd.).

46 Die kleinen Unterschiede zur Darstellung der Apg—z.B. der Aufenthalt des Paulus in Troas (2 Tim 4.13) und jener des Timotheus in Ephesus zu diesem Zeitpunkt (vgl. 1.18; 4.19)—sind dadurch zu erklären, dass der Verfasser die Apg nicht kannte.

47 Vgl. oben Anm. 7 und 8. Zur Kenntnis des Verfassers der Past vom Corpus Paulinum, vgl. oben Anm. 43. Dass dem Verfasser des Kol schon mehrere Paulusbriefe zugänglich waren, legt Leppä, Making (s. Anm. 24) bes. 218–23 nahe. Daraus kann man schließen, dass die Zusammenstellung der Paulusbriefe relativ früh begonnen hat.

48 So richtig Trummer, ‘Corpus Paulinum’ (s. Anm. 1) 133: ‘Die Past konnten als pln Pseudepigrapha nur geschrieben und verbreitet werden im Zuge einer Neuedition des bisherigen Corpus. Eine andere Entstehung hätte bei aller vorhandenen Leichtgläubigkeit und dem teilweise unkritischen Verhalten frühchristlicher Kreise doch auch auf eine sehr empfindliche Kritik und Abwehr stoßen müssen’ (Kursiv im Original).

49 Besonders auffällig ist, dass sich in 2 Tim keine Bezugnahme auf 1 Tim finden lässt.

50 Trummer, ‘Corpus Paulinum’ (s. Anm. 1) 133 (beide Zitate).

51 Hierzu vgl. meinen Aufsatz, , ‘Die Intertextualität von 1Tim 2,1–3/Tit 3,1–2’, Neutestamentliche Exegese im Dialog: Hermeneutik—Wirkungsgeschichte—Matthäusevangelium (FS U. Luz; Hg. P. Lampe/M. Mayordomo/M. Sato; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 2008) 99110Google Scholar.

52 Zu dieser Stelle vgl. meinen Aufsatz, , ‘Zwischen Ideal und Realität: Zu den Witwen in 1 Tim 5.3–16’, NTS 47 (2001) 92104Google Scholar.

53 Mit Merz, ‘Amore Pauli’ (s. Anm. 14) 283, wonach es in der pseudepigraphischen Literatur durch die fingierte Eigentextreferenz ‘jede Möglichkeit der Veränderung des einmal Gesagten’ gibt, ‘etwa einseitige Verstärkung, anknüpfende Zuspitzung, eindeutige Interpretation mehrdeutiger Formulierungen, Korrektur von “Missverständnissen”; Modifikation bis hin zum Widerruf’.

54 Vgl. Merz, ‘Amore Pauli’ (s. Anm. 14) 285.

55 Roloff, 1 Tim (s. Anm. 1) 21; Brox, N., Die Pastoralbriefe (RNT; Regensburg: Pustet, 5 1989) 17Google Scholar (‘vermutlich’); Merkel, H., Die Pasoralbriefe (NTD 9/1; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 13=1 1991) 6CrossRefGoogle Scholar; Borse, U., 1. und 2. Timotheusbrief/ Titusbrief (SKK.NT 13; Stuttgart: Katholisches Bibelwerk, 1985) 22Google Scholar (‘anscheinend’). Dagegen aber Oberlinner, L., Die Pastoralbriefe, erste Folge: Kommentar zum ersten Timotheusbrief (HThK IX/2/1; Freiburg u.a.: Herder, 1994) 5Google Scholar: ‘Die These einer von Paulus bewirkten Bekehrung des Timotheus zum christlichen Glauben ist weder aus der Apg zu erschließen, noch läßt sie sich aus den Paulusbriefen ableiten’.

56 Mit Oberlinner, 1 Tim (s. Anm. 55) 5; Marshall, Pastoral Epistles (s. Anm. 1) 357; Hasler, V., Die Briefe an Timotheus und Titus (ZBKNT 12; Zürich: TVZ, 1978)Google Scholar 11 u.a.

57 Die Bemerkung in Hebr 13.23 (‘Wisst, dass unser Bruder Timotheus wieder frei ist; mit ihm will ich euch, wenn er bald kommt, besuchen’) spiegelt wohl diesen Sachverhalt wider.

58 Deswegen müssen Abschreiber des Eph in 1.1 diesen Ortsnamen eingesetzt haben. Vgl. Luz, ‘Epheser’ (s. Anm. 28) 108; Broer, Einleitung (s. Anm. 21) 512, u.a.m.

59 Man könnte zwar auch behaupten, diese Kommunikation sei nicht fiktiv, sondern bloss nirgendwo anders bezeugt. Dann müsste man sich aber der Frage stellen, wie die Abfassungssituationen des 1 Tim und Tit im Lebenslauf des Paulus zu verorten sind.

60 Zusammen mit den unbekannten Namen werden auch bekannte Personen wie Tychikus (vgl. Apg 20.4; Kol 4.7; Eph 6.21–22; ferner 2 Tim 4.12) und Apollos (vgl. Apg 18.24; 19.1; 1 Kor 1.12; 3.4–6, 22; 4.6; 16.12) erwähnt, um diese Namensliste historisch wahrscheinlich zu machen.

61 Timotheus und Titus werden parallel dargestellt: Sie sind jung, sollen aber den Gläubigen ein Vorbild sein (1 Tim 4.12; Tit 2.6–7) und von niemandem verachtet werden (1 Tim 4.12; Tit 2.15).

62 Oberlinner, 1 Tim (s. Anm. 55) XXIII.

63 Die Mahnung ‘erinnere sie’ (Tit 3.1) muss sich auf Röm 13.1–7 beziehen, wobei die Leser sich zugleich daran erinnern sollen, dass ‘Paulus’ schon in 1 Tim 2.1–3 davon geredet hat. Vgl. dazu Tsuji, ‘Intertextualität’ (s. Anm. 51) 108.

64 Deswegen will 1 Tim m.E. vor Tit gelesen werden. Die umgekehrte Reihenfolge ist wenig wahrscheinlich, denn dabei lässt sich nicht erklären, warum der ausführlichere 1 Tim erst nach dem kürzeren Tit zu lesen wäre. Das heißt aber nicht unbedingt, dass 1 Tim früher als Tit entstanden ist. Die zeitliche Reihenfolge bleibt absichtlich offen (vgl. oben).

65 Die Gattung des 2 Tim ist eher als Gefangenschaftsbrief zu bezeichnen denn als Testament (gegen Weiser, 2 Tim [s. Anm. 1] 35; Collins, R. F., I & II Timothy and Titus [New Testament Library; Louisville/London: Westminster John Knox, 2002]Google ScholarPubMed 7 u.ö.). Gegen die Gattungsbestimmung als Testament spricht vor allem, dass Paulus noch ein Wiedersehen des Timotheus erwartet (4.9, 13).

66 Oft wird ‘mein erstes Verhör’ (4.16) auf Apg 28 bezogen, in Verbindung mit der Hypothese, dass Paulus nach dem Ereignis von Apg 28 einmal freigelassen, dann aber wieder nach Rom ins Gefängnis gebracht worden sei (= Situation des 2 Tim). Dagegen aber m.R. Brox, Past (s. Anm. 55) 28–31.275 sowie Weiser, 2 Tim (s. Anm. 1) 57–8, 323.

67 In 4.6–8 verwendet der Verfasser Ausdrücke, die die Leser intertextuell an diejenigen in Phil erinnern und zugleich zu erkennen geben, dass Paulus nun seinem Tod näher steht als zur Abfassungszeit des Phil: Vgl. Phil 2.17 (‘Wenn ich auch geopfert werde [ϵἰ καὶ σπνδομαι]’) mit 2 Tim 4.6a (‘Ich werde schon geopfert [ἤδη σπνδομαι]’); Phil 1.23 (‘Ich habe Lust, aus der Welt zu scheiden [τὴν πιθυμίαν χων ϵἰς τὸ ἀναλῦσαι]’: Hoffnung) mit 2 Tim 4.6b (‘Die Zeit meines Hinscheidens ist gekommen [ὁ καιρὸς τῆς ἀναλύσϵώς μου ϕστηκϵν]’: baldige Verwirklichung); Phil 3.12 (‘Nicht, dass ich's schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei [τϵτϵλϵίωμαι]’) mit 2 Tim 4.7 (‘Ich habe den Lauf vollendet [τϵτλϵκα]’). Dazu kommt, dass Paulus in Phil 1.25–26; 2.24 (sowie Phlm 22) seine Hoffnung noch auf Freilassung und ein Wiedersehen der Briefempfänger setzen konnte, während er das in 2 Tim offensichtlich aufgegeben hat (vgl. 4.9–15; Timotheus soll ihn im Gefängnis besuchen). Dies alles lässt die Leser begreifen, dass Paulus sich nun in seiner letzten Phase der Gefangenschaft befindet und ihm der Tod nahe bevorsteht. Dazu vgl. Tsuji, ‘Der zweite Timotheus’ (s. Anm. 43) 6–10.

68 Auf die Verbindungsfunktion des Gegnerthemas im Corpus Pastorale weist auch Häfner, ‘Das Corpus Pastorale’ (s. Anm. 1) 263 und 267 hin.