Published online by Cambridge University Press: 05 April 2013
DIE LYRIKERIN UND JOURNALISTIN Betty Paoli (1814–94) ist heute nur mehr Expert(inn)en der österreichischen Literatur bekannt, zu ihren Lebzeiten aber erfreuten sich ihre Gedichte großer Popu larität. Paoli wurde nicht nur mit Annette von Droste-Hülshoff verglichen, sondern auch mit Nikolaus Lenau, dem sie 1841 ihren ersten Gedichtband widmete. In einer Rezension von 1851 vertieft sich der Vergleich zu einem Verwandtschaftsverhältnis, denn die Rede ist hier von Betty Paoli als der “Schwester Lenaus […], wie sie mit vollem Rechte wohl heißen mag”. Im Folgenden werde ich diesen Vergleich näher untersuchen und mich dabei auf die genderspezifischen Zuschreibungen von Weltschmerz konzentrieren. Betty Paolis Lyrik, vor allem die Gedichte und Sentenzen, die sie bis ca. 1855 verfasste, stehen im Kontext der biedermeierlichen Weltschmerzlyrik, deren bedeutendster Vertreter in Österreich Lenau ist. In Paolis poetischer Behandlung von Weltüberdruss, Heimatlosigkeit und Zerrissenheit wird aber auch der Einfluss ihres literarischen Vorbilds Byron deutlich, ein Einfluss, der im vorliegenden Beitrag ebenfalls unter der Perspektive der Zuschreibung von Geschlechterrollen untersucht wird.
Der Begriff Weltschmerz wurde zuerst von Jean Paul in seinem Roman Selina 1823 verwendet und gilt hier als “inbegriff des irdischen leides”, wie das Deutsche Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm definiert. Für die Leserinnen und Leser der Dichtung Paolis bedeutet Weltschmerz jedoch bereits mehr und anderes und hat in der Literatur mit Lenau ein spezifisch österreichisch-ungarisches Element hinzugewonnen.
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