from Special Section on The Poetics of Space in the Goethezeit
Published online by Cambridge University Press: 30 August 2017
Wer sich selbst und andere kennt,
Wird auch hier erkennen:
Orient und Okzident,
sind nicht mehr zu trennen.
—Goethe, West-östlicher DivanDer Kontext
Die provokante Frage “War Goethe ein Mohammedaner?” stellte Manfred Osten im Jahre 2002 in der Neuen Zürcher Zeitung. Er schaltete sich damit in eine Debatte ein, die durch die Ereignisse des 11. September 2001 ausgelöst worden war. Dass diese Frage in Zeiten, in denen unter dem Eindruck zunehmender Migration und Fremdenfeindlichkeit erbittert darüber gestritten wird, ob der Islam zu Deutschland gehöre, eine neue Aktualität gewonnen hat, zeigt ein Essay von Martin Walser aus dem Jahre 2016, in dem dieser die Lektüre von Ostens Aufsatz empfiehlt. Osten, der als Goethekenner und -liebhaber einen guten Ruf hat, weist in seinem Artikel auf Goethes Hymnus Mahomets Gesang (1772/73) und vor allem auf den West-östlichen Divan (1819) hin. Er betont nicht nur die “Modernität” von Goethes Islam- Verständnis, sondern auch den Mut, mit dem sich der Dichter gegen islamfeindliche Tendenzen in seiner Zeit gestellt habe: “Goethe setzte sich mit dem ‘West-östlichen Divan,’ seiner Reverenz an den Orient, bewusst dem Verdacht aus, selbst ein ‘Muselmann’ zu sein” (Osten, “Islam”). In diesem Zusammenhang erinnert Osten an das Standardwerk der in den USA lebenden Germanistin Katharina Mommsen über Goethe und die arabische Welt (1988), dessen “kulturpolitische Bedeutung” (Osten, “Islam”) weitgehend unbemerkt geblieben sei: “Nach den Ereignissen des 11. September 2001 scheint es geboten, auf dieses bahnbrechende Werk erneut hinzuweisen” (Osten, “Islam”).
Hinter der Frage Ostens scheint unausgesprochen die politische Debatte über das Verhältnis zwischen dem ‘Orient’ und dem ‘Okzident’ auf, die Edward Said mit seiner Studie Orientalism (1978) angestoßen hat und deren Rückwirkungen sich bis heute in den verschiedensten Wissenschaftsdisziplinen beobachten lassen. Saids Behauptung “The relationship between Occident and Orient is a relationship of power, of domination, of varying degrees of a complex hegemony” hat dabei vor allem den postcolonial und gender studies weltweit Auftrieb gegeben. Sie ist jedoch nicht unwidersprochen geblieben und hat unter dem Eindruck des 11. September zur Ausbildung eines Konzeptes von Okzidentalismus geführt, in dem Saids Hegemonie-These produktiv gewendet wurde, um das Verhältnis von ‘Ost’ und ‘West’ als einen wechselseitigen Prozess von stereotypen Zuschreibungen, Verkennungen und Überschätzungen zu charakterisieren. In diesem Zusammenhang hat auch Goethes Divan erneute Aufmerksamkeit gefunden.
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