Published online by Cambridge University Press: 09 February 2021
Professionelles Schauspielen, immer noch Grundlage des institutionalisierten Theaterbetriebs, sieht sich heute zunehmend in Frage gestellt durch das Agieren von Laien und Amateuren, mitunter in derselben Produktion und, ähnlich wie im Film, oft auch “auf Augenhöhe.” Postdramatische Theaterformen und antiillusionistische Ästhetiken geben dem Auftreten nicht-professioneller Akteure mehr Raum und fördern deren Selbstermächtigung als “Experten des Alltags” oder “Komplizen.” Wenn dieser Praxis immer wieder vorgehalten wird, nur auf den Effekt einer größtmöglichen Authentizität zu setzen, zeigt sich darin ein doppeltes Missverständnis: Einerseits geht es in den zumeist auf gründlicher Recherche basierenden Projekten von Rimini Protokoll, Hofmann & Lindholm und ähnlichen Formationen nicht bloß um solche Effekte, die sich auch bei Amateuren schnell verbrauchen. Diese sind vielmehr, in konventionellen Bühnengebäuden ebenso wie bei Aktionen im öffentlichen Raum, beteiligt an der szenischen Analyse alltäglicher Lebensverhältnisse in globalisierten Industriegesellschaften— ausgehend von der Einsicht, dass mit einer wie auch immer kunstvollen Abbildung dieser Verhältnisse noch wenig erreicht ist. Der Vorwurf einer bloßen Jagd nach Authentizitätseffekten verkennt aber andererseits auch (oder versucht davon abzulenken), dass heute gerade von professionellen Schauspielern im Theaterbetrieb der etablierten Institutionen kaum mehr anderes verlangt wird als die Produktion möglichst authentisch, echt und ungespielt wirkender Fiktionen, Abbilder einer mehr oder weniger dramatisch konstruierten Wirklichkeit, “wie im Leben.”
Authentisch zu wirken ist jedenfalls das alltägliche Geschäft professioneller, auf veristisches Rollenspiel fixierter Theaterkünstler, während die “Experten des Alltags” auch noch andere szenische Potentiale entfalten können, mit eigenen, jeweils projektspezifischen Anforderungen an die Spielweise, nicht zuletzt im Hinblick auf die Kommunikation mit den Zuschauern. Dass diese vielfach politisch motivierte Arbeitsweise als solche oft gar nicht mehr wahrgenommen wird, erinnert wie manche andere Verwicklungen im Streit um Authentizität und Professionalität an alte Frontlinien, mit denen schon Bertolt Brecht zu tun hatte und an denen er sich—etwa im Plädoyer für kleine, flexible Amateurtheatertruppen—noch bis kurz vor seinem Tod abgearbeitet hat. Auf diesen vorübergehend in Vergessenheit geratenen Ruf nach “kleinen, wendigen Kampfformen …, wie wir sie einmal in der Agitprop-Bewegung gehabt haben,” wird noch zurückzukommen sein.
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