Published online by Cambridge University Press: 09 February 2021
Die wesentliche Stellung, die Bertolt Brechts zum Teil verlorene, zum Teil vergessene Interviews in seiner schriftstellerischen Praxis einnahmen, ist bisher noch nicht erkannt worden. Dabei eröffneten sie ihm sein ganzes professionelles Leben hindurch eine Möglichkeit von theoretischer, politischer und literarischer Massenkommunikation, auf die er keinesfalls verzichten wollte. Nie war dies deutlicher als während der sechzehn Jahre, die er im Exil verbrachte. Im Lichte von Archivfunden, die die Basis einer ersten Edition von Brechts Interviews bilden sollen, können die Gespräche, die Brecht an fast jeder seiner Asylstationen mit Journalisten führte, jetzt neu bewertet und gedeutet werden. Im Folgenden wird das redaktionelle Schicksal von Brechts Interviews nachgezeichnet, um sie dann mit Blick auf Entwicklungen der Form in der Weimarer Zeit zu kontextualisieren; danach sollen anhand von Materialien aus dem Bertolt-Brecht-Archiv die Praktiken, Strategien und Formen der Exilinterviews des Jahres 1935 untersucht werden. Wie gezeigt werden soll, bot das Interview kein bloßes Ventil für einen Künstler, der seinen Zugang zum Publikum verloren hatte, sondern ein unerlässliches Medium seines Exils: intim und intellektuell, engagiert und apparativ, literarisch und massenwirksam.
Brechts Interviews: Die Quellenlage
Brechts Karriere als öffentlicher Gesprächspartner begann schon früh in seiner Schriftstellerlaufbahn: Die ersten Zeitungsgespräche stammen aus dem Jahr 1926, in das auch die Uraufführung von Mann ist Mann, die erste Begriffsbildung zum epischen Theater und sein erstes Studium des Marxismus fallen. Damit öffnete sich neben dem inszenatorischen, theoretischen und politischen ein weiteres mediales Schaffensfeld, das er über die nächsten dreißig Jahre erkunden sollte. Aber während die feierlichen, formal konservativen Interviews eines Thomas Mann eine zentrale Rolle in der germanistischen Interviewforschung gespielt haben, sind Brechts experimentierfreudig- verwegene Beiträge zur Form noch kaum wahrgenommen worden.
Nach der Veröffentlichung von Brechts Gesammelten Werken 1967 standen seine Erben, Archivare und Herausgeber vor der Entscheidung, ob und wie der mündlich verfasste Teil seines Werkes zu veröffentlichen sei. Dafür kamen die vielen Privatunterhaltungen, Podiumsdiskussionen und Arbeitsgespräche in Frage, die von seinen Freunden und Mitarbeitern akribisch mitgeschrieben und aufbewahrt wurden, aber auch Dutzende von technisch reproduzierten, journalistisch geführten Gesprächen, d.h. Interviews.
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