Die Ergebnisse dieser Untersuchung beruhen auf Analysen der acht wichtigeren Novellen Goethes. Zur Darstellung der Methode bringen wir aber hier nur drei davon in vollständiger Ausführung, indem wir uns für das Uebrige auf allgemeine fachmännische Vertrautheit mit einem wohlbekannten Stoffe verlassen zu können glauben. Das Netz eines Spannungsgefüges wird durch so viele sich durchkreuzende Momente bedingt, dass eine gleichzeitige, allumfassende Interpretation nicht leicht möglich ist. Einen nach dieser Richtung zielenden Vorschlag findet man in einem Artikel: “Zur Charakterologie des Kunstwerks,” wo Hermann Nohl erst nach Feststellung der Spannungsschichten des Kunstwerks, den Grundentscheidungen des menschlichen Charakters gemäss, “die Form der Werke bis in den äusseren Aufbau, ja bis in Klang und Rhythmus der einzelnen Sätze aus ihnen” interpretieren möchte. Für das Material dieser Untersuchung ist das Charakterologische kein unwesentlicher Massstab, aber, um eine zu starke Betonung des Wertproblems zu vermeiden, ziehen wir es vor, von dem Spannungsgegenstand selbst auszugehen, und betrachten zuerst im Nacheinander der Dichtung die stofflichen und gehaltlichen Momente und deren augenblickliche Wirkung auf Wissens- und Gefühlsspannung des Lesers. An dieser letzten, subjektiven Spannungsart bestimmte Intensitätsgrade aufzustellen, wäre eine undankbare, weil belanglose Aufgabe. Wie verschieden auch die Aufnahme des einzelnen Kunstwerks sein mag, der Aufbau des objektiven Werkes bleibt immer derselbe, und in den Erlebnissen der einzelnen Betrachter liegt ein “Gemeinsames: die von dem Kunstwerk gegebenen Vorstellungen,” was bei einer Untersuchung wie dieser den Anspruch auf Allgemeingültigkeit zu rechtfertigen scheint.